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Wahlprüfsteine zur Landtagswahl – die wichtigsten Parteien in Thüringen gaben Antwort

Wahlprüfsteine zur Landtagswahl – die wichtigsten Parteien in Thüringen gaben Antwort

Auf die am 24. März zum 12. Parlamentarischen Abend des Thüringer Handwerks überreichten Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Thüringen am 13. Juni haben CDU, SPD, PDS, FDP und Bündnis 90/Grüne jetzt geantwortet.

Speziell zur Landtagswahl hatte der Thüringer Handwerkstag erneut „Wahlprüfsteine“ formuliert. In diesen Prüfsteinen werden den wichtigsten Parteien in Thüringen Fragen zum Handwerk gestellt. Unter anderem geht es dabei um Wirtschafts- und Ausbildungsförderung, Möglichkeiten zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation der Betriebe, Entbürokratisierung, Arbeitsmarktpolitik sowie um Verkehrs- und Infrastrukturpolitik und Umweltpolitik.

Damit sich alle Handwerker ein Bild von den Parteien machen können, hier die Antwortschreiben der Parteien als pdf zum download:

CDU
SPD
PDS
FDP
Bündnis 90/Grüne


Im Folgendem finden Sie die Fragen und die dazugehörigen Antworten der Parteien in verkürzter Form.

1. Die Unterstützung des Handwerks auf Bundesebene, insbesondere im gesetzgeberischen Bereich, ist dringend notwendig.
– Welche Maßnahmen zur Senkung der Steuer- und Abgabenlast werden ergriffen?
– Welche steuerlichen Anreize zur Belebung der Nachfrage handwerklicher Dienstleistungen sollen geschaffen werden?
– Wie werden Sicherungsrechte effektiver gestaltet?

CDU: Mit der Senkung der Steuersätze wurde eine Erhöhung der verfügbaren Einkommen erreicht sowie eine Verbesserung der Investitionsbedingungen. Durch die Einschränkung des Verlustabzuges wurde eine wichtige Änderung  zu Gunsten mittelständischer Unternehmen erreicht. Eine Substanzbesteuerung im Rahmen der Gewerbesteuer konnte verhindert werden. Die CDU setzt sich für die Erhaltung der Eigenheimzulage ein.

SPD: EU-Förderung, Förderung im Rahmen des Solidarpaktes II und die Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen und Private wirken bereits positiv. Darüber hinaus ist in Thüringen eine gezielte Ansiedlungspolitik notwendig. Priorität besitzt für die SPD die Bestandspflege bestehender Unternehmen als ein Aspekt erfolgreicher Wirtschaftsförderung im Sinne der Schaffung von konstanten Angebots- und Nachfragekonstellationen. Regelungen zur Verbesserung der Zahlungsmoral haben die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Sicherungsrechte effektiver gestaltet werden konnten.

PDS: Die PDS strebt eine Umverteilung der Steuerlast zugunsten der kleinen und mittleren Einkommen und Gewinne an. Dazu gehören Vermögenssteuer für große Einkommen, Börsenumsatzsteuer, höhere Steuerfreibeträge und Gewerbesteuer für Freiberufler. An der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sollen alle Einkommensbezieher einbezogen werden. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz und die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen sollen im Handwerk die Nachfrage beleben. Durch die Sicherung des Eigentumsvorbehalts und höhere Verzinsung ausstehender Forderungen sollen die Sicherungsrechte verbessert werden.

FDP: Im Mittelpunkt müssen aus Sicht der FDP intensive Bemühungen um Bürokratieabbau und Deregulierung stehen. Eine Kernforderung ist die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone für Thüringen. Ein staatlich gestützter Niedriglohnsektor wird abgelehnt. Weiter gehört zu den Forderungen ein Demontagerecht bei unbezahlten Handwerkerrechnungen und ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Handwerkerleistungen.

Bündnis 90/Grüne: Das Steuersystem muss vereinfacht und durch einen konsequenten Subventionsabbau sollen weitere Spielräume für die Senkung der Abgabenlast geschaffen werden. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten können handwerkliche Leistungen preislich attraktiver gemacht werden. Die Sicherungsrechte bei Handwerkerrechnungen sollen verbessert werden, zum Beispiel durch eine Entschlackung des Rechtsweges.


2.
Die direkte und indirekte Förderung des Handwerks zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation, zur Erhöhung der Investitionstätigkeit sowie der Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen ist auf hohem Niveau fortzuführen.
– Welche Finanzierungsmöglichkeiten sollen dem Handwerk zur Verfügung gestellt werden?
– Welche Instrumente zum Erhalt unserer Betriebe stehen im Mittelpunkt der Förderpolitik?

CDU: Das Programm zur Gründungs- und Wachstumsfinanzierung sowie die Programme zur „Leistungssteigerung im Handwerk“ haben sich voll auf bewährt. Die CDU betrachtet das organisationseigene Beratungswesen als eine tragende Säule in der Existenzgründung sowie wirtschaftlichen Stärkung bestehender Betriebe.

SPD: Darlehen, Landesbeteiligun-gen sowie Kreditausfallbürgschaften und die Bürgschaftsprogramme der Thüringer Aufbaubank werden bei der SPD zur Stärkung bestehender Unternehmen bevorzugte Finanzierungsformen darstellen. Das „Thüringen Kapital“ soll modifiziert und andere existierende Förderprogramme optimiert werden.
Mit „One-Stop-Offices“ soll für Unternehmen die formlose Beantragung von Fördermitteln ermöglicht werden. Diese Offices sollen außerdem als Lotsen dienen.

PDS: Programme für nicht zurückzahlbare Zuschüsse sind stärker für das Handwerk zu öffnen. Handwerksbetriebe sind in den Bürgschaftsprogrammen stärker zu berücksichtigen. Landesmittel für die Handwerksförderung sind auf die Wertgröße vom Jahr 2002 zu erhöhen.

FDP: Kritisch sieht die FDP das Finanzierungsverhalten der Kreditinstitute und fordert insbesondere die Sparkassen auf, ihrem öffentlichen Auftrag im Bereich der Kreditvergabe gerecht zu werden. Auch Förderungen aus öffentlichen Mitteln, insbesondere für Gründungen und Investitionen sind notwendig. Es muss geprüft werden, ob zum Beispiel das Mittelstandsfördergesetz auf Belange des Handwerks ausgedehnt werden sollte.

Bündnis 90/Grüne: Die Geschäftspolitik der öffentlichen Sparkassen soll die Finanzierung der regionalen Wirtschaft wieder als zentrale Aufgabe begreifen. Die alleinige Bereitstellung von hochverzinslichen Krediten durch die Thüringer Aufbaubank reicht nicht, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren. Bündnis 90/Grüne wollen deshalb Instrumente fördern, die gerade in Krisenzeiten wie echtes Eigenkapital fungieren.


3. Die qualitativ hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung im Handwerk ist nachhaltig zu sichern.
Wie soll die Schulausbildung als Grundlage der Berufsausbildung verbessert werden?
– Welche Maßnahmen zur Sicherung des dualen Bildungssystems sind vorgesehen?
– Wie kann die überbetriebliche Lehrunterweisung in den qualitativ hochwertigen Berufsbildungseinrich
tungen des Handwerks nachhaltig gesichert werden?

CDU: Zur Verbesserung der Qualifikation sowie zur Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sind ein regional und sektoral bedarfsgerechtes Angebot an überbetrieblichen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten und ein bedarfsgerechtes Netz überbetrieblicher Berufsbildungsstätten erforderlich. Auch im Jahr 2004 wird die Förderung der Lehrlingsausbildung auf hohem Niveau fortgesetzt.

SPD: Ziel der SPD ist es, das Kompetenzniveau der Schüler durch frühere und individuellere Förderung weiter zu verbessern. Eine engere Verbindung von Schule und Wirtschaft unter anderem durch fächerübergreifende und altersgerechte Vermittlung arbeits- und wirtschaftsbezogener Unterrichtsinhalte sowie der Ausbau der berufsbildenden Schulen zu regionalen Zentren für Ausbildung, Fort- und Weiterbildung sollen zur besseren Hinführung in die Arbeitswelt sorgen. Das Duale Ausbildungssystem soll erhalten bleiben.

PDS: Die PDS spricht sich für das polytechnische Prinzip in einem modernen, praxisnahen Unterricht in Zusammenarbeit mit den Kammern aus. Hohe Priorität hat die Verbesserung der Berufsorientierung. Zur Sicherung des Dualen Ausbildungssystems setzt die PDS auf eine Umlagefinanzierung.

FDP: Die FDP bekennt sich zum Dualen Ausbildungssystem und will die Förderung der überbetrieblichen Ausbildung im Handwerk fortsetzen. Diese überbetriebliche Ausbildung soll zur Sicherung der hohen Ausbildungsqualität in den Bildungszentren der Handwerkskammern konzentriert werden.

Bündnis 90/Grüne: Mit einer Bildungsoffensive wollen Bündnis 90/Die Grünen den einzelnen Menschen mit seinen individuellen Interessen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt rücken. Ein verbindlicher Mindestwissensstand soll festgelegt werden. Das duale Bildungssystem soll beibehalten werden und auch auf den akademischen Bereich ausgeweitet werden. Die Berufsbildenden Schulen in Thüringen wollen Bündnis 90/Grüne zu regionalen Aus- und Weiterbildungszentren ausbauen.


4.
Das Handwerk lehnt eine Ausbildungsplatzabgabe konsequent ab.
– Welcher Standpunkt wird dazu eingenommen?

CDU: Die CDU Thüringen vertritt die Auffassung, dass eine Ausbildungsplatzabgabe wenig hilfreich dafür ist, die Ausbildungssituation zukunftssicher zu gestalten.

SPD: Die SPD sieht eine Ausbildungsplatzabgabe als letztes Mittel, sofern die Wirtschaft nicht bereit ist, ein ausreichendes Angebot qualifizierter Ausbildungsplätze bereit zu stellen.

PDS: Als Ausgleich zwischen aus-bildenden und nicht ausbildenden Betrieben favorisiert die PDS ein Modell, das im Branchenbereich zwischen den Tarifpartnern in Anlehnung an die Ausbildungskasse der IG Bau vereinbart wird.

FDP: Die Ausbildungsabgabe wird strikt abgelehnt.

Bündnis 90/Grüne: Die Ausbildungsplatzabgabe wird unterstützt.


5. 
Schwarzarbeit muss unterbunden und verfolgt werden.
– Welche Maßnahmen im Kampf gegen illegale Beschäftigung und unerlaubte Handwerksausübung sind vorgesehen?

CDU: Die CDU Thüringen engagiert sich  dafür, das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit so zu gestalten, dass die Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Abgaben, die Regulierung sowie die Steuer- und Sozialgesetzgebung als tatsächliche Ursachen der Schwarzarbeit aufgezeigt werden.

SPD: Korruption, Wirtschaftskriminalität und Schwarzarbeit sind energisch zu bekämpfen und nicht als Kavaliersdelikt zu behandeln. Polizei und die Schwerpunktstaatsanwaltschaften werden entsprechend ausgestattet.

PDS: Durch Senkung des Umsatzsteueranteils für Handwerkerleistungen und zusätzliche Sanktionen für Auftraggeber bei illegaler Beschäftigung und unerlaubter Handwerksausübung soll die Schwarzarbeit eingedämmt werden.

FDP: Nicht vorrangig und ausschließlich repressive Maßnahmen sondern die Senkung von Lohn- und Nebenkosten, Steuersenkung und -vereinfachung und somit preiswertere Handwerkerleistungen  können die Schwarzarbeit eindämmen.

Bündnis 90/Grüne: Durch  Mini- und Midijobs kann der Schwarzarbeit der Anreiz genommen werden. Unternehmen, die Schwarzarbeit betrieben haben, müssen für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.


6. 
Die begonnenen Deregulierungs- und Entbürokratisierungsmaßnahmen des Landes sind konsequent weiterzuführen.
– Welche Schwerpunkte sowie Umsetzungstermine sind geplant?

CDU: Die Landesregierung hat eine unabhängige Stabsstelle „Verwaltungsvereinfachung/ Entbürokratisierung“ eingerichtet. Ein wesentlicher Beitrag des Landes für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit liegt insbesondere in der Verbesserung des Vollzuges. Die CDU wird Verwaltung service- und kundenorientierter gestalten.

SPD: Alle Gesetze, Rechtsvorschriften und Richtlinien sollen auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüft werden; insbesondere die Richtlinien der Wirtschaftsförderung. Die Zahl der Bearbeitungsinstanzen in der Wirtschaftsförderung soll reduziert werden.

PDS: Die Deregulierungsaktivitäten auf  Landesebene sollen nach Prioritäten geordnet und terminlich fixiert werden. Zu begrüßen ist die Aktivität im Land zur Bewertung Thüringens als Innovationsregion.

FDP: Die Deregulierungs- und Entbürokratisierungsmaßnahmen sind konsequent zu gestalten und dürfen sich aus Sicht der FDP nicht nur auf Verwaltungsvorschriften beschränken. Gesetze und Verordnungen müssen auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden und, wenn möglich, nicht wenn nötig, abgeschafft werden.

Bündnis 90/Grüne: Bündnis 90/Die Grünen wollen sich für eine Entschlackung überflüssiger Regelungen einsetzen. Rechtsvorschriften müssen verständlich und nachvollziehbar abgefasst und zugänglich gemacht werden. Verwaltungsabläufe sollen beschleunigt werden.


7. 
Eine mittelstandsfreundliche Vergabepolitik ist für das Handwerk äußerst wichtig.
Wie soll die konsequente Anwendung der Thüringer Vergabe-Mittelstandsrichtlinie, insbesondere auf kommunaler Ebene, gewährleistet werden?

CDU: Die Thüringer Vergabe-Mittelstandsrichtlinie ist die wesentliche Grundlage für eine handwerksfreundliche Vergabepraxis. Die Schulungsangebote für Mitarbeiter der Vergabestellen wurden entsprechend ausgebaut. Die Auftragsberatungsstelle Thüringen e.V. sichert die qualifizierte Hilfestellung zu allen Fragen bei der Vergabe.

SPD: Es soll ein zentrales Korruptionsregister aufgebaut werden. In einem Thüringer Vergabegesetz sollen öffentliche Aufträge im Hochbau und im Dienstleistungsbereich an eine tarifvertragliche Bindung des Unternehmens geknüpft werden.

PDS: Um die Richtlinie konsequent anwenden zu können, ist der Gültigkeitsbereich der Vergabemittelstandsrichtlinie auf die kommunale Ebene auszudehnen.

FDP: Wichtig ist aus Sicht der FDP, dass bei der Vergabe auf die Belange des Handwerks, beispielsweise durch Ausschreibung in kleinen Losen, Rücksicht genommen wird. Das Handwerk muss durch Bildung von Bietergemeinschaften selbst flexibler bei Ausschreibungen reagieren.

Bündnis 90/Grüne: Für den Mittelstand sollen weitere Maßnahme
n zur Verbesserung der Zahlungsmoral auch der öffentlichen Auftraggeber entwickelt werden. Lokale Standortvorteile der Thüringer Unternehmen sollen bei Ausschreibungen zur Geltung kommen.


8. 
Städte und Gemeinden sind wichtige Auftraggeber für das Handwerk.
– Mit welchen Modellen können Städte- und Gemeinden finanziell besser ausgestattet werden?

CDU: Zur Stärkung und finanziellen Entlastung der Kommunen haben die unionsgeführten Länder ein Sofortprogramm initiiert. Die Bemühungen der CDU zielen darauf, kommunale Investitionen mittels moderner Finanzierungsformen zu ermöglichen. Weiterhin fordert die CDU eine umfassende Gemeindefinanzreform.

SPD: Die Finanzkraft der Kommunen muss unter anderem mithilfe eines kommunalen Finanzausgleiches nach objektiven und transparenten Kriterien stabilisiert werden. Bundesmittel als Ausgleich für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen komplett an die Kommunen durchgereicht werden.

PDS: Um besser auf örtliche Gegebenheiten und Notwendigkeiten reagieren zu können, sind die Pauschalzuweisungen des Landes, die bisher als „aufgabengebundene Finanzmittel“ gegeben wurden, an die Kommunen als Investitionspauschale zusammenzuführen. Restriktionen bei der Kreditaufnahme sind zu lockern.

FDP: Die FDP fordert die Abschaffung der Gewerbesteuer. Als Ausgleich sollen die Gemeinden eigene Zu- oder Abschläge auf die Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer erheben können sowie einen Anteil von 11,5 Prozent der Umsatzsteuer erhalten.

Bündnis 90/Grüne: Entlastungen, die den Kommunen durch die Änderungen bei der Gewerbesteuer und der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zugute kommen, sollten durch das Land in den Kommunen  belassen werden, um dort Investitionsschübe auszulösen.


9. 
Die Förderung des ersten Arbeitsmarktes hat unverändert Priorität vor der Förderung des zweiten Arbeitsmarktes.
– Welche Förderschwerpunkte werden hierzu zukünftig gesetzt?

CDU: Die Thüringer Arbeitsmarktpolitik ist primär auf den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Zum Thema Sicherung des Fachkräftebedarfs wurde eine Management-Arbeitsgruppe eingerichtet.

SPD: Die Verlagerung der Prioritäten vom 2. in den 1. Arbeitsmarkt wird von der SPD mitgetragen. Arbeitsmarktpolitik und -förderung will die SPD aus einem Guss entwerfen.

PDS: Neben der Förderung des ersten Arbeitsmarktes sind arbeitskrafterhaltende Maßnahmen und die Durchführung von Arbeiten im „Non Profit“-Bereich im 2. Arbeitsmarkt mit dem Ziel der Entlastung öffentlicher Kassen und Haushalte geboten.

FDP: Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung müssen in den Bereichen Existenzgründungsförderung, Unterstützung des Exports von Klein- und mittelständischen Unternehmen und in der Förderung des Technologietransfers liegen. Die Investitionszulage ist beizubehalten.

Bündnis 90/Grüne: Umfassende Bildung der Menschen in Thüringen ist die wichtigste Grundlage wirtschaftlicher Entwicklung und damit neuer Arbeitsplätze. Hier soll Thüringen Triebfeder neuer Bildungskonzepte werden. Regionale Energieerzeugung statt Atom- oder Kohlestrom sowie ökologisch verträglicher Tourismus schafft Arbeitsplätze.


10. 
Umweltpolitik muss wirtschaftsverträglich sein.
– Wie kann die Belastung der Unternehmen, die durch die Öko-Steuer entsteht, deutlich gesenkt werden?
– Wie soll die Abfallwirtschaft, insbesondere für kleine Unternehmen, verträglich gestaltet werden?

CDU: Die CDU setzt sich für eine Abschaffung der Öko-Steuer ein. Eine nachhaltige Abfallwirtschaft ist so zu gestalten, dass durch effiziente, kostenoptimierte Entsorgungsstrukturen die Ansprüche des Umweltschutzes und betriebswirtschaftliche Forderungen möglichst weitgehend in Einklang gebracht werden.

SPD: Die Öko-Steuer führte laut SPD bei kleinen und mittleren Betrieben zu keiner Mehrbelastung. Vielmehr hat sie aus Sicht der SPD dazu beigetragen, den Energieverbrauch zu senken.

PDS: Umweltpolitik muss wirtschaftsverträglich sein, aber Wirtschaftspolitik auch umweltverträglich. Die Ökosteuer kann hierbei ein sinnvolles Instrument darstellen, um dem ökologischen Umbau der Gesellschaft näher zu kommen. Die PDS bevorzugt die mechanisch-biologische Behandlung in den zu schaffenden Abfallvorbehandlungsanlagen. Als problematisch sieht die PDS die weiter bestehende Möglichkeit an, gewerblichen Abfall privaten Unternehmen anzudienen.

FDP: Im Rahmen einer umfassenden Steuerreform, die zu einer Vereinfachung und deutlichen Senkung der Steuern führen soll, muss auch die Ökosteuer abgeschafft werden. Hier ist im Rahmen der Sonderwirtschaftszone ein eigener Weg des Landes Thüringen denkbar.

Bündnis 90/Grüne: Die Öko-Steuer entlastet durch die damit finanzierte Absenkung der Lohnnebenkosten insbesondere arbeitsintensive Unternehmen. Im Bereich Abfallwirtschaft kommt es darauf an, nach wirtschaftlichen Alternativen zu suchen, bevor teure Investitionen Bürger und Unternehmen belasten.


11. 
Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft.
– Welchen Verkehrsprojekten werden in Thüringen besondere Priorität eingeräumt?

CDU: Der im Juli 2003 beschlossene Bundesverkehrswegeplan enthält die für Thüringen wichtigsten Verkehrsprojekte an Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen.

SPD: Die SPD setzt sich für einen zügigen Weiterbau der Autobahnen, Bundesstraßen und des Schienennetzes ein. Der Landesstraßenbau und der Erhalt des Nebenstreckennetzes im Schienenverkehr sind ebenfalls Prioritäten.

PDS: Das kommunale Straßennetz (einschließlich des Baus von Umgehungsstraßen) und die Erschließung der Gewerbegebiete haben für die PDS neben der Fortsetzung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Priorität.

FDP: Die im Bundesverkehrswegeplan ausgewiesenen Schienenprojekte müssen wie vorgesehen umgesetzt werden. Außerdem sind die vorgesehenen Autobahnen und Ortsumfahrungen von besonderer Bedeutung.

Bündnis 90/Grüne: Investitionen in die Infrastruktur sollen so ausgestaltet werden, dass sie mittelfristig tatsächlich zu Struktureffekten in Thüringen führen. Gefordert wird ein  durchgängig zweigleisiger Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung sowie, wo notwendig und möglich, Ortsumgehungen.


12. Die EU-Osterweiterung bietet für das Handwerk Risiken und Chancen.
– Wie soll das Handwerk in diesem Prozess wirkungsvoll unterstützt werden?

CDU: Die CDU sieht in der EU-Osterweiterung große Chancen für die Thüringer Wirtschaft. Bei Vorlage entsprechender Projekte bestehen Möglichkeiten der Prüfung von  Förderungen im Rahmen bestehender Programme.

SPD: Den Unternehmen soll geholfen werden, sich noch stärker an Europa auszurichten, mit besonderem Schwerpunkt in
Osteuropa. Hierbei sollen die One-Shop-Offices unterstützend wirken.

PDS: Große Bedeutung für das Handwerk hat eine „Exportkampagne von Wissen und know-how“, die mit einer Informationsoffensive der Kammern flankiert und vom Freistaat finanziell gefördert werden sollte.

FDP: Die von der FDP vorgeschlagenen Maßnahmen sollen Thüringen als Standort im erweiterten Europa zukunftsfähig machen. Die Landespolitik muss sich künftig an den Bedürfnissen derer orientieren, die Arbeitsplätze in Thüringen schaffen.

Bündnis 90/Grüne: Durch ein regional optimiertes Vergabegesetz soll dafür Sorge getragen werden, dass einheimische Unternehmen nicht durch Lohndumping von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Fachbetriebe sollen durch spezielle Finanzierungsmöglichkeiten und Programme dabei unterstützt werden, ihr spezielles Wissen in den Beitrittsländern anzubieten.

Ost-Förderung ist Deutschlandförderung

Pressemitteilung
Erfurt, den 18. Juni 2004

Ost-Förderung ist Deutschlandförderung

Für das Handwerk in Thüringen ist die neuerliche Diskussion um die Ost-Förderung ein deutliches Indiz dafür, dass es in einigen Politikerköpfen immer noch zwei Deutsche Welten gibt. „Bundeswirtschaftsminister Clement sollte bei seinen Streichungsplänen nicht vergessen, dass es ohne einen Aufschwung in den neuen Bundesländern keine dauerhafte Stabilisierung der gesamtdeutschen Wirtschaft gibt. Es ist unerträglich, dass immer wieder die Ost-Förderung mit dem Solidarpakt II bei Haushaltsdiskussionen als erstes aus der Schublade gezogen wird. Dabei beruht gerade der Solidarpakt auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens,“ kommentiert der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Rolf Ostermann, die Diskussionen vom Wochenende.

Für die Entwicklung des Handwerks in Thüringen ist es von enormer Bedeutung, dass es weitere Investitionen von Unternehmen und öffentlicher Hand gibt, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten. „Wenn Clement jetzt an den Solidarpakt die Axt anlegt, dann wird es hier in den neuen Ländern bald keine Investitionen mehr geben, weil den Unternehmen auch die letzte Planungssicherheit genommen wurde. Schon die Diskussion darüber schadet uns.“

Ostermann fordert den Bundeswirtschaftsminister auf, sich seiner gesamtdeutschen Amtsverantwortung zu erinnern. „Zusagen müssen eingehalten werden. Sonst geht der Politik auch der letzte Rest Glaubwürdigkeit verloren. Es wäre die Konkurserklärung jeder vernünftigen Sachpolitik, wenn die neuen Länder als Spielball machtpolitischer Strategien verheizt werden,“ erklärte Ostermann in Richtung Clement.

Abiturienten kennen nur sechs Handwerksberufe

Interview in der Verlagssonderbeilage „Handwerk in Thüringen“ (Zeitungsgruppe Thüringen) vom 27. April 2004

Abiturienten kennen nur sechs Handwerksberufe
Fragen an Rolf Ostermann, Präsident des Thüringer Handwerkstages

Herr Präsident, wie geht es dem Thüringer Handwerk?

Entgegen einiger Prognosen jedenfalls nicht so, dass wir jubeln könnten. Das Handwerk hat vor allem mit mangelnder Binnennachfrage, fehlenden Aufträgen besonders im Baugewerbe und zurückgehender Industrienachfrage zu kämpfen. Bisher gestaltet sich das Jahr 2004 negativer als das Vorjahr.

Worauf führen Sie das zurück?

Das ist der wirtschaftlichen Lage insgesamt geschuldet und hat mehrere Ursachen. Eine wesentliche sehe ich in der Zurückhaltung der Leute beim Geldausgeben. Sie sind sich ihrer sozialen Absicherung nicht mehr so sicher, müssen Vorsorge fürs Alter treffen, Praxisgebühr bezahlen … Aber natürlich fehlen auch die großen Investitionen und Aufträge der öffentlichen Hand.

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Nach wie vor sieht es im Bauhandwerk schlecht aus und besonders bedenklich ist die Entwicklung gegenwärtig in der Nahrungsmittelbranche.

Aber gegessen und getrunken wird immer …

Das ist ja richtig. Nur werden zunehmend Billigprodukte beim Discounter gekauft und kaum noch auf die Qualitätserzeugnisse der Bäcker oder Fleischer zurückgegriffen. Der Preiskampf im Nahrungsmittelhandwerk nimmt ruinöse Formen an.

Dumping ist an der Tagesordnung?

Zumindest muss sich das Handwerk zunehmend damit auseinandersetzen. Und die Novellierung der Handwerksordnung, die seit dem 1.1. 2004 in Kraft ist, tritt dem nicht gerade entgegen.

Wie meinen Sie das?

Wir hatten bisher 94 Berufe, für die ein Meisterbrief zur Führung eines eigenen Betriebes Voraussetzung war. Jetzt sind es nur noch 41. Die Auswirkungen sind bereits spürbar: Mehr Handwerksbetriebe drängen auf den Markt, und das mit staatlicher Förderung. Sie unterbieten sich gegenseitig im Preis. Dabei gibt es aber nicht mehr Arbeit, im Endeffekt haben alle nur weiniger von allem.

Wie hat sich denn die Zahl der Handwerksbetriebe in jüngster Zeit verändert?

Nehmen wir z. B. die aktuelle Entwicklung im Kammerbezirk Erfurt. Hier ist die Zahl der Betriebe von 13.096 Ende 2002, über 13.204 zum Jahresende 2003 auf 13.349 zum 31. März 2004 angewachsen. Aber die Beschäftigtenzahl ging allein im letzten Jahr um 1.000 zurück. Wir haben nicht mehr durchschnittlich sieben Beschäftigte in den Handwerksbetrieben, sondern nur noch fünf. Übrigens gab es in diesem Jahr bisher die meisten Abmeldungen von den Betrieben, wo keine Meisterausbildung vorliegt.

Wie steht es mit der Ausbildung in solchen Betrieben?

Nach der Novellierung der Handwerksordnung wird es künftig weniger Meister geben, die ausbilden können. Zudem hat man die Ausbildereignungsverordnung für fünf Jahre ausgesetzt. D. h. im Klartext, Handwerker ohne entsprechenden Kompetenznachweis dürfen ausbilden. Abgesehen davon, dass sich daraus rechtliche Konsequenzen ergeben können, wenn ein Azubi nicht qualitätsgerecht ausgebildet wird, ergibt sich für mich ein gewaltiger Widerspruch zu dem, was wir nach der PISA-Studie debattieren. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte auch im Handwerk und auch in Zukunft.

Wie steht es denn mit dem Interesse Jugendlicher für handwerkliche Berufe?

Interesse hat auch immer etwas mit Wissen um eine Sache zu tun. Wenn man nicht weiß, welche Handwerksberufe es überhaupt gibt, was deren Inhalt ist und welche beruflichen Chancen man hat, wird man kaum dafür Interesse zeigen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine bundesweite Analyse des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Demnach konnten Abiturienten im Durchschnitt nur sechs Handwerksberufe nennen. Bekanntermaßen gibt es auch unverantwortlich viele Ausbildungsabbrüche, meist deshalb, weil die jungen Menschen entweder gar keine oder falsche Vorstellungen von ihrem zukünftigen Beruf hatten. Und wir sehen zunehmend das Problem der Unternehmensnachfolge für Betriebe. Es gibt also viel zu tun.

Was unternehmen Sie?

Wir haben das Projekt Berufsstart mit Schülern initiiert, um eine bessere Berufsvorbereitung und damit weniger Ausbildungsabbrüche zu erreichen. Wir haben die Ausbildung sogenannter Betriebsassistenten für Abiturienten auf den Weg gebracht, um die Unternehmensnachfolge zu gewährleisten. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Modell Einjährige Berufsfachschule in unserem BBZ gesammelt. Im letzten Jahr lag die Vermittlungsquote der Jugendlichen dort immerhin bei 88 %. Aber diese und viele andere Projekte können nur weitergeführt werden, wenn die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

Gespräch: M. KRAMER