Deutschland braucht eine Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung. Aus diesem Grund hat das Handwerk aus Anlass der bevorstehenden Bundestagswahl Wahlprüfsteine aufgestellt, an denen sich die zukünftige Bundesregierung messen soll. In Anlehnung an die Wahlprüfsteine des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks appelliert der Thüringer Handwerkstag e.V. an die Politik, die folgenden ausgewählten Forderungen schnellst möglich umzusetzen.
Wirtschafts- und Steuerpolitik
Reform der Einkommens- und Körperschaftssteuer
Das Handwerk fordert ein einfaches und gerechtes Steuerrecht, mit dem Ziel, die Unternehmen spürbar steuerlich zu entlasten und die Eigenkapitalbildung zu fördern. Des Weiteren sind Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften steuerlich gleichzustellen.
Mehrwertsteuererhöhung – Absage erteilen
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist Gift für die ohnehin schwache Nachfrage nach handwerklichen Leistungen. Die Folge wären Auftrags- und Arbeitsplatzverluste verbunden mit der Gefahr einer wachsenden Schwarzarbeit.
Voraussetzungen für ermäßigten Mehrwertsteuersatz schaffen
Das Handwerk fordert die Schaffung einer europaweit einheitlichen Rechtsgrundlage zur Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Leistungen.
Grundlegende Reformierung des Umsatzsteuerrechts
Zur Stärkung der Liquidität gerade arbeitsintensiver mittelständischer Betriebe muss, ohne bürokratische Zusatzkosten, eine grundsätzliche Umstellung von der Soll- auf die Ist-Besteuerung erfolgen.
Steuerliche Anerkennung haushaltsnaher Dienstleistungen
Die steuerlich anerkannten haushaltsnahen Dienstleistungen sind auf alle handwerklichen Erhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen auszuweiten, d. h. Kunden sollen Handwerkerrechnungen für Renovierungsleistungen grundsätzlich steuerlich absetzen können. Dieses hätte eine steigende Nachfrage nach handwerklichen Leistungen und damit eine wirksame Bekämpfung der Schwarzarbeit zur Folge.
Zahlungsmoral
Das Handwerk fordert die schnellstmögliche Verabschiedung des Forderungssicherungsgesetzes sowie die Nachbesserung der bestehenden Gesetzgebung wie z.B.: das Recht auf Abschlagszahlung.
Finanzierung erleichtern
Die Kapitalbereitstellung ist stärker als bisher auf die Erfordernisse kleiner und mittlerer Unternehmen auszurichten. Neben der Anerkennung von Bürgschaften der Bürgschaftsbanken als Sicherheiten sind die Förderprogramme insbesondere zur Liquiditätsverbesserung der Unternehmen bedarfsgerecht auszugestalten. Zur Verbesserung der Eigenkapitalbildung ist die Begünstigung nicht entnommener Gewinne zu stärken. Kreditinstitute brauchen mehr Spielraum, um Kredite für Handwerker in eigener Verantwortung entscheiden zu können. Die Bundesregierung ist dabei aufgerufen, die Dichte an Vorschriften und Prüfungen der Kreditinstitute radikal abzubauen.
Mittelstandsgerechtes Vergaberecht sicherstellen
Das Vergaberecht muss entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mittelstandsgerecht umgesetzt werden. Dabei ist insbesondere auf eine konsequente Vergabe von Fach- und Teillosen zu achten.
Senkung der Lohnzusatzkosten
Die Krankenversicherungsbeiträge sind schrittweise vom Faktor Arbeit abzukoppeln. Der Arbeitgeber-Anteil ist in einen steuerpflichtigen Entgeltbestandteil umzuwandeln.
Abschaffung der Handwerkerrentenversicherungspflicht
Das Handwerk fordert die Aufhebung der Ungleichbehandlung in der Rentenversicherungspflicht zwischen Handwerkern/Innen und sonstigen Selbständigen.
Kündigungsschutz lockern
Mit dem Ziel, die Hemmschwelle für Neueinstellungen abzusenken, soll der Schwellenwert für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes deutlich angehoben werden. Die allgemeine Wartezeit ist auf drei Jahre auszudehnen.
„Ich-AG“ abschaffen
Trotz Reformkorrekturen ist die Ich-AG marktwidrig und vernichtet sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze – gerade im Handwerk.
Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt konzentrieren
Die Aufgaben der Bundesagenturen für Arbeit sind auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt und die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu konzentrieren.
Ausbildungsfähigkeit Jugendlicher verbessern
Durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Wirtschaft soll bis 2010 der Anteil der Schulabgänger ohne Schulabschluss sowie der Anteil derjenigen mit unzureichenden Elementarkompetenzen halbiert werden.
Duales System der Berufsausbildung erhalten und stärken
Das Duale Ausbildungssystem ist ohne Kompromisse zu erhalten. Berufsorientierung und Ausbildungsreife sind zu verbessern, indem Lernortkooperationen zwischen Schulen, Betrieben und Bildungszentren der Wirtschaft unterstützt werden. Qualität im Dualen System braucht auch in der betrieblichen Ausbildung und Beratung Profis. Deshalb plädiert das Handwerk für die Wiedereinführung und Ausweitung der Ausbildereignungsverordnung sowie für die finanzielle Grundsicherung der überbetrieblichen Bildungszentren des Handwerks.
Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit sicherstellen
Zur Aufrechterhaltung bundeseinheitlicher Qualitätsstandards in der Berufsbildung muss das Berufsbildungsrecht Bundesrecht bleiben. Dazu müssen berufliche Bildungskarrieren attraktiver werden.
Fachkräfte- und Führungsnachwuchs sichern
Der Ausbau des Meistervorbereitungs- und -prüfungssystems zu einer internationalen Unternehmerschule für kleine und mittlere Unternehmen ist zu unterstützen und das Anreizsystem auszubauen, um die Weiterbildungsbereitschaft der Gesellen zu erhöhen. Letztlich müssen die Möglichkeiten der Verbindung von Arbeiten und Lernen im Handwerk erweitert werden. Dazu ist der Ausbau arbeitsplatznaher und flexibler Berufsbildungsangebote notwendig.
Berufsbildungsinfrastruktur modernisieren
Der technische Wandel und der immer größer werdende Wettbewerbsdruck stellen gerade an die Mitarbeiter im Handwerk hohe Anforderungen, die nur durch eine hoch qualifizierte Aus-, Fort- und Weiterbildung erfüllt werden können. Dies erfordert eine bedarfsgerechte Modernisierung und Weiterentwicklung der Berufsbildungsinfrastruktur der Wirtschaft. Die Finanzierung der Investitionen von Berufsbildungsstätten des Handwerks sind unter Beibehaltung der bisherigen Finanzierungsanteile Bund/Land/Handwerk sicherzustellen.
Meisterberufe in europäischer Anerkennungsrichtlinie höher einstufen
Die Meisterqualifikation muss auch im europäischen Bildungsvergleich einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen und nicht wie bisher auf dem zweitniedrigsten Niveau eingestuft bleiben.
Dienstleistungsrichtlinie grundlegend überarbeiten
Die geplante Inkraftsetzung der sogenannten Dienstleistungsrichtlinie sieht vor, dass jeder ausländische Handwerker, der in Deutschland tätig sein will, nur an den Rechtsvorschriften des Heimatlandes gemessen werden soll. Das Handwerk fordert, dass die Ausübung der handwerklichen Tätigkeit nach den deutschen Vorschriften erfolgt. Das heißt, dass beispielsweise zur Ausübung zulassungspflichtiger Handwerksleistungen die erforderliche Qualifikation (Meister) nachgewiesen werden soll.
Stopp der Dequalifizierungsspirale
Die Politik ist aufgefordert, den durch den Meisterbrief verbürgten hohen Qualitätsstandard zu fördern und nicht weiter zu zerstören.
Gegliedertes Kammersystem stärken
Mit der Handwerksnovelle von 2004 wurde es den Ländern ermöglicht, wichtige Aufgaben, wie z. B. die Erteilung von Ausübungsberechtigungen und Ausnahmebewilligungen auf die Handwerkskammern zu übertragen. Damit sind diejenigen Einrichtungen zuständig, die das notwendige Wissen, die Kompetenzen und die Nähe zu den Betrieben haben. In und von den Handwerkskammern als Selbstverwaltungseinrichtungen der mittelständischen Wirtschaft wird das Subsidiaritätsprinzip täglich gelebt. Der Stärkungsprozess der Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf die Kammern ist weiter fortzuschreiben. Selbstverwaltung ist gelebte „best practice“ in Bürgernähe und Kosteneffizienz. Nur die Handwerkskammern sind in der Lage, die spezifischen Anliegen der Handwerksunternehmen branchenneutral zu bündeln und gleichzeitig mit ihrer Beratungsleistung den Betrieben zur Seite zu stehen.
Die Handwerkskammern erfüllen ihre hoheitlichen Aufgaben wirtschaftsnaher und effektiver als staatliche Stellen dies könnten. Darüber hinaus sind die Handwerkskammern für Politik und Verwaltung die Experten vor Ort und können den Wirtschaftszweig Handwerk wie keine andere Institution abbilden. Dieses hohe Niveau der täglichen Arbeit kann aber nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Handwerkskammern von einer soliden Basis aus agieren können, die nur durch die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft erreicht werden kann. Sie sichert Identität und Weiterentwicklung des Handwerks.