Briefwechsel zwischen Handwerk und Politik:
Alles auf dem Weg?Schnell war die Antwort, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium auf den Brief des Thüringer Handwerkstages nach der Handwerker-Demo in Erfurt folgte. Ob die Qualität in-des mit der Geschwindigkeit mithalten konnte, soll jeder selbst entscheiden. Beide Briefe sind hier in voller Länge abgedruckt.
Zuerst das THT-Schreiben:
Sehr geehrter Herr Bundesminister Clement,
mit den Demonstrationen und Kundgebungen in den Ländern sowie der Abschlusskundgebung in Berlin hat das Handwerk den Versuch unternommen, die Probleme des täglichen Lebens und die Sicht zur Zukunft unter den jetzigen politischen Bedingungen der Bundesregierung deutlich zu machen.
Auch das Thüringer Handwerk hat am 7. Februar 2003 mit einer nie da gewesenen Demonstration sich positioniert.
Die wichtigsten Vorschläge, Notwendigkeiten und Forderungen hat das Thüringer Handwerk in einer Resolution zusammengefasst. Diese möchten wir Ihnen in der Anlage übergeben, in der Hoffnung, dass Sie und die weiteren Mitglieder der Bundesregierung daraus die notwendigen Anregungen für das zukunftsorientierte Handeln entnehmen können beziehungsweise bestätigt bekommen.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Clement, Ihr Auftritt in Berlin hat gezeigt, dass Sie aktiv die Belange des Handwerks sich anhören. Ihre Ansprache hat auch gezeigt, dass Sie sich einige Anregungen zu eigen machen könnten.
Dafür gebührt Ihnen unser Dank.
Einen schlechten Beigeschmack hat allerdings Ihre Einschätzung der Rolle der Wiedervereinigung zur jetzigen Wirtschaftslage. Das wirkt schon brüskierend für uns in den Neuen Bundesländern. Hätte es die Wiedervereinigung nicht gegeben, dann hätten Sie die Wirtschaftslage nicht erst als Bundesminister zu bewerten, sondern Sie hätten diese bereits als Ministerpräsident zu spüren bekommen. In der Hoffnung, dass über die Willensbekundungen des Handwerks eine neue Qualität im dringend notwendigen Miteinander von Politik und Wirtschaft erreicht wird, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen Ostermann, Präsident Dr. Artymiak, Geschäftsführer
Die Antwort
Sehr geehrter Herr Ostermann,
sehr geehrter Herr Artymiak,
vielen Dank für Ihren Brief vom 12. Februar an Herrn Minister Clement,
mit dem Sie die Resolution „Den Thüringern reicht´s“ übermittelt haben. Herr Minister hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Die Bundesregierung berücksichtigt die angemessenen Belange des Handwerk bei allen politischen und gesetzgeberischen Maßnahmen. So entlastet die Steuerreform durch allgemeine Tarifabsenkungen und Anrechenbarkeit der Gewerbe auf die Einkommenssteuer vor allem auch Handwerk und Mittelstand, ab dem Jahr 2005 um rund 16,7 Mrd. Euro p.a. Das Verschieben der zweiten Stufe um ein Jahr bedeutet auch für das Handwerk eine Belastung. Allerdings bestand wegen des Soforthilfeprogramms für die Flutopfer ein breiter gesellschaftlicher Konsens für die Verschiebung. Die ausstehenden Entlastungsstufen werden jetzt planmäßig durchgeführt. Der begonnene Trend zur dauerhaften Entlastung wird durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht in Frage gestellt. Die Steuereinnahmen blieben auf grund der anhaltenden konjunkturellen Wachstumskonsolidierung hinter den Erwartungen zurück. Es blieb der Bundesregierung zur Haushaltskonsolidierung keine andere Wahl, als auch Steuervergünstigungen abzubauen. Die Maßnahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes sind mit der Absicht, keine gesellschaftliche Gruppe über Gebühr zu belasten, breit gestreut worden. Insoweit wurden Handwerk und Mittelstand nicht überproportional belastet. Es ist Ziel der Bundesregierung, mit umfassenden Reformen im Sozialversicherungswesen die Lohnnebenkosten herabzusenken. Wegen der Komplexität der Materie ist die Beauftragung der Rürup-Kommission mit den Vorarbeiten erforderlich. Bei grundlegenden Strukturreformen geht ein strategisch durchdachtes Konzept vor aktionistischen Schnellschüssen. Neben den umfassenden bereits durchgeführten bzw. geplanten Reformen im sozialen Sicherungssystem hat die Bundesregierung mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes auch eine umfassende Arbeitsmarktreform angepackt, von der man Entlastungen von rund 6 Mrd. Euro p.a. erwartet. Derzeit wird im BMWAI ein Konzept zur Liberalisierung von Kündigungsschutz und Arbeitsrecht erstellt. Auf der Basis von Vorschlägen der Wirtschaftsverbände wird ein umfangreicher Masterplan zum Bürokratieabbau entwickelt. Weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Zahlungsmoral bei Bauwerkverträgen werden derzeit von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des BMJ (Bundesministerium für Justiz) geprüft. Es ist nicht geplant, die Selbstverwaltung des Handwerks oder den Großen Befähigungsnachweis in Frage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
G. Schmidt