Thüringer Handwerkstag fordert von Bund und Land Entscheidungen mit mittelstandsorientiertem Augenmaß
Der Thüringer Handwerkstag (THT) forderte während seiner Mitgliederversammlung in Gera nachdrücklich Entlastungen für Betriebe und Beschäftigte bei Steuern und Sozialabgaben, den Erhalt und eine bessere Anerkennung des Dualen Berufsausbildungssystems sowie liquiditätsfördernde Finanzprodukte insbesondere für Kleinbetriebe.
Während sich die industrielle Weltwirtschaft und das Finanzsystem als labile Größen erwiesen, trotzte das Handwerk – nicht nur in 2009 – auch großen Krisen.
„Stärke wahren – Kompetenz sichern. Weichenstellungen für das Handwerk.“ Dieses Motto stellte sich der Thüringer Handwerkstag für die Mitgliederversammlung und formulierte seine Forderungen für den Beginn des neuen Jahrzehnts. Deutlich machten die Handwerker damit ihre Position in der Mitte der Gesellschaft. Politische Entscheidungen wie die 2004 durchgeführte Novellierung der Handwerksordnung hatten zwar einen kurzfristigen Effekt in der sprunghaft gestiegenen Betriebsanzahl, entzogen den 53 betroffenen Handwerken jedoch wichtige Qualitätsparameter wie beispielsweise Meisterqualifikation und Ausbildung. Langfristig wird der Wirtschaft in den Regionen dadurch nicht nur Leistungskraft entzogen, sondern auch der Gesellschaft ein ehrenamtlich engagierter Mittelstand.
Konstant durch die Krise
Das Thüringer Handwerk hat sich in der Wirtschafts- und Finanzkrise bisher als stabile Wirtschaftsgröße erwiesen. So blieb beispielsweise die Beschäftigung mit rund 140.500 in den insgesamt knapp 31.500 Handwerksbetrieben konstant. Dies gilt auch für jene Branchen, die als Zulieferer für die Industrie von der Wirtschaftskrise betroffen waren. Als richtige und wichtige Maßnahmen beurteilt der THT die Konjunkturpakte der Bundesregierung, die einen wesentlichen Anteil daran haben, dass sich die Wirtschaftskrise nicht ungebremst auf die Gesamtwirtschaft und die Beschäftigung niederschlägt. Das Konjunkturprogramm II fängt in weiten Teilen auf, was durch die Investitionszurückhaltung der gewerblichen Wirtschaft weggebrochen ist. Zufrieden ist das Handwerk mit der privaten Nachfrage, die überraschend konstant geblieben ist. Ausnahme bildet allerdings weiterhin der Wohnungsneubau, der seit Jahren die Talsohle nicht verlässt. Für den Bau- und Ausbaubereich nimmt die energetische Gebäudesanierung dank umfangreicher staatlicher Förderungen eine immer wichtigere Rolle ein, kann jedoch den eingebrochenen Neubaubereich nicht kompensieren. Das Handwerk hat sich mit speziellen Qualifikationen auf die Nachfrage nach erneuerbaren Energien eingestellt und kann den Kunden mit qualifizierten Fachkräften und Fachbetrieben entsprechendes Know how anbieten. Damit spielt das Handwerk eine wichtige Rolle in der Umsetzung und Nutzung der modernen Technologien.
Liquidität der Betriebe sichern
Trotz der stabilen Entwicklung in 2009: Überstanden ist die Krise für das Handwerk noch nicht. Für 2010 wird mit einer Insolvenzwelle in der Deutschen Wirtschaft gerechnet. Davon wird voraussichtlich auch das Handwerk betroffen sein.
Insbesondere die restriktive Kreditpolitik der Geldinstitute bereitet dem Handwerk zunehmend Sorge. Von einer Kreditklemme will der THT zwar nicht sprechen. Es mehren sich jedoch Anzeichen, dass die zurückhaltende Kreditvergabe zunehmend Betriebe in Liquiditätsprobleme bringt. Die Gefahr besteht, dass eigentlich gesunde Betriebe in ihrem Bestand gefährdet werden, weil ihnen nicht ausreichend Fremdkapital zur Verfügung gestellt wird.
Benötigt werden vor allem kurzfristige Finanzierungen für Umlaufmittel und Investitionen der Betriebe.
„Handwerk-Liquid“
Der Thüringer Handwerkstag hat gemeinsam mit der Bürgschaftsbank Thüringen und der Thüringer Beteiligungsgesellschaft in diesem Jahr mit „BBT-Handwerk“ und MBG-Handwerk“ bereits zwei spezielle Programme initiiert. Es fehlt jedoch ein Klein-Kreditprogramm, mit dessen Hilfe Betriebe Kredite zwischen 10.000 und 20.000 Euro schnell und unbürokratisch erhalten. Dieses „Handwerk-Liquid“-Programm sollte die Thüringer Aufbaubank auflegen und dabei das Hausbankprinzip aussetzen. Dies ist eine wesentliche Forderung des THT an den neuen Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig, der in einem Spitzengespräch mit dem Thüringer Handwerk bereits angekündigt hatte, die Betriebe unterstützen zu wollen, damit sie die kritische Phase überstehen.
Das Handwerk befürchtet für das kommende Jahr deutlich mehr Probleme auf die Betriebe zukommen als noch in diesem Jahr. Unter einem geringen Wachstum, einem Anstieg der Insolvenzen und damit steigender Arbeitslosigkeit in 2010 wird die Nachfrage leiden. Es bleibt abzuwarten, wie stark das Handwerk davon betroffen sein wird. Wesentlich für die wirtschaftliche Stabilität des Handwerks wird die Fortsetzung der Konjunkturpakete sein.
Einkommenssteuer reformieren
Positive Signale setzte die Bundesregierung mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es steht weitgehend im Einklang mit den dringlichsten Forderungen des Handwerks. So werden bei der Unternehmenssteuer und der Erbschaftssteuer die Krise verschärfenden Auswirkungen korrigiert. Entlastungen bei der Einkommensteuer stärken die Kaufkraft zum 1. Januar 2010.
Darüber hinaus erwartet das Handwerk einen einfachen, niedrigen und gerechten Einkommensteuertarif. Die konzeptionellen Vorarbeiten dafür müssen noch in dieser Legislatur geleistet werden.
Die Forderung nach einem ermäßigten Steuersatz auf arbeitsintensive Leistungen wurde hingegen noch nicht umgesetzt. Während das Beherbergungsgewerbe im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes zum 1.1. 2010 mit einer ermäßigten Mehrwertsteuer rechnen kann, bleiben die arbeitsintensiven Handwerker weiterhin von einer hohen Mehrwertsteuer belastet. Schon im Hinblick auf die Bekämpfung der Schwarzarbeit wäre eine verminderte Mehrwertsteuer dringend erforderlich.
Berufliche Ausbildung braucht Vorfahrt
Mit Stand vom 31. Oktober 2009 wurden im Thüringer Handwerk 3.543 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Damit lernen aktuell 11.423 junge Menschen eine Beruf im Handwerk. Das Minus von 16,5 Prozent Neuverträgen im Vergleich zum Vorjahr ist vor allem den sinkenden Schulabgängerzahlen geschuldet. Erstmals blieben mehr als 300 Ausbildungsplätze unbesetzt, weil es keine oder keine geeigneten Bewerber gab. Dieses Problem trat insbesondere in technischen Ausbildungsberufen wie Elektroniker und Anlagenmechaniker für Sanitär-Heizungs- und Klimatechnik auf.
Die Sicherung der Dualen Berufsausbildung bleibt ein wesentlicher Bereich der politischen Arbeit des THT. Im Wissen um die dramatische demografische Entwicklung in den kommenden Jahren steht daher die Sicherung der Fachkräfte sowie eine kontinuierliche Ausbildung im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang fordert der THT, die Berufsorientierung „Berufsstart plus“ als eine Regelleistung des Landes zu etablieren. Die Förderung der Überbetrieblichen Ausbildung durch das Land soll in gleicher Höhe fortgesetzt werden, um die hohe Qualität der Ausbildung weiterhin zu gewährleisten.
Generell muss die berufliche Ausbildung und Qualifizierung entsprechend ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland Anerkennung finden. In diesem Zusammenhang fordert das Handwerk, die hohe Qualität der Ausbildung sicher zu stellen und die berufliche Ausbildung den Anforderungen der Betriebe entsprechend auszurichten. Hierzu gehört beispielsweise als Voraussetzung für eine Ausbildung der Nachweis der Ausbildungseignung. Im Handwerk ist die Ausbildungseignung ein Bestandteil der Meisterprüfung. Damit ist ein
e gleichmäßig hohe pädagogische Qualifikation gewährleistet. Dieses muss für alle ausbildenden Betriebe gelten.
Die zurückgehenden Lehrlingszahlen wirken sich auf die Berufsschulstandorte aus. Das Kultusministerium sollte daher dringend eine Clearingstelle einrichten, um die Schulnetzplanung zu organisieren und Abstimmungsproblemen vorzugreifen. Hierbei sind die Wirtschaftskammern dringend und im Vorfeld von Entscheidungen einzubeziehen.
Eine qualifizierte Aus- und Fortbildung ist für das Handwerk die wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung und den Fortbestand der Betriebe. Von den 31.500 Betrieben wird altersbedingt in den nächsten zehn Jahren rund jeder Dritte übergeben; ohne kein geeigneten Nachfolger droht die Schließung. Der Handwerksorganisation wie der Landesregierung muss gleichermaßen daran gelegen sein, erfolgreiche Betriebsübergaben mit dem Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze zu organisieren.
Kommunale Gebühren und Abgaben dürfen niemanden überfordern
Zu einem drängenden Problem für Betriebe entwickeln sich – regional unterschiedlich – die kommunalen Gebühren und Abgaben, insbesondere für Abwasser- und Straßenausbau. Teilweise sehen die Satzungen keine Ratenzahlungen vor. Somit sind die Beiträge sofort fällig und können für Betriebe zu Existenz bedrohenden Forderungen werden. Der Thüringer Handwerkstag fordert daher ein Landesgesetz, in dem die Kommunen angewiesen werden, die entsprechenden Satzungen mit der Möglichkeit von variablen Ratenzahlungen und Zinsen zu ändern.