jgengelbach – Seite 26 – Thüringer Handwerk -- archive.php --

Das Thüringer Handwerk demonstriert: Jetzt reicht’s!

Pressemitteilung; Erfurt, 10. Januar 2003

Handwerk demonstriert: Jetzt reichts!

Am 7. Februar wird das Thüringer Handwerk zeigen, was es von der aktuellen Politik
hält.

Unter dem Titel „Jetzt reichts – Handwerk gegen Stillstand reiht sich der
Thüringer Handwerkstag in eine Reihe von bundesweit durchgeführten
Protestkundgebungen. Um 15 Uhr wird THT-Präsident Rolf Ostermann in der
Thüringenhalle mit Ausführungen zur Lage und zu den Forderungen des Thüringer
Handwerks die Kundgebung „Treffen Handwerk und Politik eröffnen.
Erwartet werden neben vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Thüringer
Handwerk auch Vertreter aus Landes- und Bundespolitik sowie den Verwaltungen.
Außerdem haben Repräsentanten anderer Thüringer Wirtschaftsverbände ihre
Teilnahme zugesagt, um die Forderungen des Handwerks zu unterstützen.
Überhöhte Steuer- und Abgabenlasten, weil die nötigen Reformen nicht tatkräftig
genug angegangen werden, und weiter steigende Sozialversicherungsbeiträge
haben vor allem in Handwerk und Mittelstand zu dramatischen Einbrüchen geführt.
Auch für dieses Jahr gibt es keine begründeten Argumente für optimistische
Prognosen.
„Wir befürchten, dass damit die Talfahrt von Deutschlands vielseitigstem
Wirtschaftsbereich weiter gehen wird. Die immer höheren Belastungen verhindern
dringend nötige Investitionen und bremsen zusätzlich das Konsumverhalten der
Kunden. Das alles ist Gift für unser Handwerk, erläutert THT-Präsident Rolf
Ostermann. „Am 7. Februar werden wir klar und deutlich sagen, wie es um unsere
Betriebe steht und welche vertrauensbildenden Maßnahmen wir erwarten, um
endlich Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen und die Stimmung in den
Betrieben zu verbessern. Ich kann nur alle Handwerker, ob Arbeitgeber oder
Arbeitnehmer aufrufen: Kommen Sie am 7. Februar in die Thüringenhalle und
demonstrieren Sie damit, wie ernst es dem Handwerk mit seinen Forderungen ist.

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e.V. am 7. November 2002, Congress Centrum Suhl

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e.V.am 7. November 2002, Congress Centrum Suhl

Rede des Präsidenten

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Einmal im Jahr hält der Thüringer Handwerkstag seine Mitgliederversammlung ab. Da gibt es den internen Teil, wo sozusagen die Familiengeschichte gemacht wird. Und es gibt den öffentlichen Teil. Hier nutzen wir stets das Podium, um unsere Auffassung von der Wirtschaft, von den politischen Rahmenbedingungen, eigentlich muss man sagen: von unserem Unternehmerleben darzulegen. Dass wir das nicht im stillen Kämmerlein machen, sondern vielmehr auch mit Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, beraten können und auch mit Ihnen, sehr geehrte Gäste unserer Tagung, das freut uns und – es ist sicher ein guter Weg, dass wir miteinander reden und nicht übereinander.
Auch heute möchte ich im Auftrage von über 28.000 Handwerksunternehmen in unserem Freistaat das sagen, was wir im Handwerk denken, was wir vom Leben erwarten. Aber auch – was man von uns erwarten kann! Vielleicht sollte ich mit unserem Selbstverständnis beginnen, damit jeder meine Ausführungen richtig werten kann. Ich habe auch mitbekommen, dass mancher noch nicht so richtig das Handwerk einordnen kann. Deshalb: Handwerk – das sind Meister, Gesellen und Lehrlinge. Und damit die Abstufung richtig zu verstehen ist, sage ich einfach noch mal den alten Volksspruch auf
Meister ist – wer was ersann,
Geselle ist – wer was kann,
Lehrling ist ein jedermann.
Und – wir sind im Handwerk sozial eine enge Gruppe. Bedenken Sie, dass 90 % all unserer Betriebe weniger als zehn Mitarbeiter hat. Damit sind wir auch eine besondere Gruppe in unserem Sozialaufbau. Wir kennen uns in unseren Betrieben. Wir sitzen am gemeinsamen Tisch beim Frühstück, wir kennen uns in den Familien. Wir wissen, was unsere Kinder lernen. Wir haben Verantwortung füreinander, wir stehen füreinander. Dass es hier und da auch mal einen Ausreißer gibt – dass ist überall so im Leben. Aber wir als Unternehmer haben nicht nur mit der Gründung unseres Unternehmens Verantwortung aufgeladen und nehmen diese auch wahr. Wir nehmen diese Verantwortung wahr mit bestem Wissen und Gewissen. Das sage ich besonders in Richtung von solchen Leuten, die uns bei Erfolgen mit Sozialneid bedenken, die Keile mit politischem Hintergrund in unsere Betriebe treiben wollen, die uns mitunter in Sippenhaft nehmen wollen, nur – weil wir erfolgreich etwas unternehmen.
Sehr geehrte Gäste, ich habe das deshalb so genau ausgeführt, damit Sie unsere Basis sehen, damit Sie besser einordnen können, warum wir so oder so handeln, warum wir welche Forderungen haben. Aber insbesondere sage ich es, weil wir eine Gruppe von Menschen in unserem Land sind, die wirtschaftlich etwas bewegen, zumindest bewegen wollen, wenn wir nur könnten. Und ich sage es, damit deutlich wird, welche Gesellschaftskraft wir sind. So wird wohl auch klar, dass wir keine kalkulierenden oder spekulierenden Politikprofis sind. Auch – dass wir keine studierten Leute der Politikwissenschaft, Gesellschaftslehre oder der höheren Volkswirtschaft sind. Wir Unternehmer sind ganz normale Leute, die den Finger auf jeden Posten in der Rechnung unseres Lebens legen und fragen: warum und wieso. Und daraus wird klar, dass wir nicht auf den Mund gefallen sind und auch sagen, was wir denken.
Wenn Sie, liebe Gäste, uns so einordnen – dann wird Ihnen sicher klar, warum ich die Aussagen des Thüringer Handwerkstages so wie heute wieder und nicht anders als mein Vorgänger vortrage. Ministerpräsident Vogel hat es im vorigen Jahr definiert, dass Bachmann und Ostermann nicht weit auseinander liegen.
Somit, sehr geehrte Gäste, möchte ich zu einem wichtigen Thema der letzten Zeit kommen, zur Bundestagswahl. Ich wurde letztlich gerügt, ich würde parteilich auftreten und der einen oder anderen politischen Partei das Wort reden. Ja, sehr geehrte Gäste, ich trete schon parteilich auf, aber ich trete parteilich im Interesse für unser Handwerk auf. Für eine politische Kraft machen wir uns im Handwerk nicht stark, wohl aber für die Ziele einer politischen Partei, wenn diese sich denn – mit dem gesunden Menschenverstand gemessen – für unsere Lebensgrundlage des Handwerks einsetzen lassen. Und das mit Taten, nicht etwa nur mit Zitaten!
So bewerten wir auch die Bundestagswahl. Das Farbenspiel der Parteien war groß, die Wahl ist gewesen. Der Souverän – das Volk, hat gesprochen. Für uns als demokratisch denkende Handwerker steht nun ein Ergebnis, was wir zu akzeptieren haben. Für uns als Handwerker steht aber ein Ergebnis, an dem wir schon zu kauen haben, wie man so sagt. Auffallend ist, dass die Wahlbeteiligung gering war, die Politikverdrossenheit hat weiter um sich gegriffen. Das ist auch in Thüringen leider so gewesen.

Ich darf nur hoffen, dass es zu unserer nächsten Landtagswahl eine hohe Beteiligung gibt und dass für uns als Handwerker eine Kontinuität in der Thüringer Wirtschaftspolitik das Wahlergebnis sein wird. Was wir die letzten vier Jahre hatten, das wissen wir. Was kommen kann und wird – das wird nicht besser, das wissen wir auch. Dass auf Grund des Machtstrebens sich unsere Bundespolitiker bis zur Selbstaufgabe verbiegen, das haben wir in der letzten Legislaturperiode kennen gelernt. Die Wiederholung sehen wir nun an den Koalitionsvereinbarungen. Was wir von der Politik auf Bundesebene erwarten, haben wir klar umrissen. Und dieses „wir“ – das sind die acht Kammern in Mitteldeutschland aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Wir haben mit den „Mitteldeutschen Wahlprüfsteinen“ klar Stellung bezogen, was der Mittelstand braucht. Wir haben die Kandidaten zur Bundestagswahl damit versorgt. Und wir werden die neuen Mitglieder des Bundestages zu uns in unsere Versammlungen einladen und werden jeden Posten abfragen:
was machen unsere Volksvertreter daraus! Welche Stellung beziehen sie. Wie werden sie unserem Auftrag gerecht. Speziell für unsere Thüringer Kandidaten hatten wir mit den Industrie- und Handelskammern und dem Verband der Wirtschaft Thüringen ebenfalls Wahlprüfsteine, mit ganz konkreten Forderungen aufgeschrieben. Auch hier werden wir nachfassen, was unsere Abgeordneten aus Thüringen daraus machen werden.
Skeptisch bin ich da schon. Wir hatten vielerorts Veranstaltungen, wo wir den Kandidaten auf den Zahn gefühlt haben. Mir ist eine Veranstaltung in Erfurt sehr im Gedächtnis, wo nach dem Schlagabtausch Kandidaten – Handwerker, ein Kandidat der jetzt regie-renden Partei – ich nenne keine Namen, um die Schmach in Grenzen zu halten – seine Meinung zum Zusammentreffen mit Handwerkern sagte: eine völlig niveaulose Veranstaltung! Wenn also unsere Lebensanforderungen von den Bundestagsabgeordneten als niveaulos eingestuft werden, ist wohl klar, was wir von den Genossen erwarten können. Und solche Beispiele gab es in ganz Thüringen.
Wenn wir also solche Experten in Berlin haben, dann wundert es nicht, wie jetzt wieder gegen das Handwerk, gegen unsere Selbst-verwaltung, gegen den Meisterbrief vorgegangen wird. Ich stelle nur sorgenvoll die Frage, warum gerade das Handwerk immer wieder Zielscheibe von lebensfremden Großversuchen unter dem Deckmantel des Liberalismus und der Demokratie ist. Keiner kommt auf die Idee, zum Beispiel das Diplom als Ausbildungsstufe abzuschaffen. Keiner kommt auf die Idee, sich in seinem Bauch von einem Arzt ohne Facharztausbildung herumschneiden zu lassen. Aber die Ausbildungsstufe des Meisters als die persönliche Qualifikation und damit als Grundlage für eine qualitätsgerechte Arbeit in einem gut geführten Betrieb zu sehen – das begreifen die Politiker nicht. Dass der Meisterbrief aber auch zum Schutz des Verbrauchers, insbesondere in gefahrgeneigten Berufen dient, wird ignoriert und ist diesen Leuten ein Dorn im Auge.
Überhaupt ist die Koalitionsvereinbarung schon ein bemerkenswertes Stück Papier. Die Mittelstandspolitik – und wir scheinen ja zum Mittelstand gezählt zu werden – diese Aussagen zur Entwicklung des Mi
ttelstandes sind sicher ein wertvolles Lyrikstück, bloß was gemeint ist, was real geschehen soll, dass wird sehr verbrämt vorgetragen. Eines ist aber sicher: die Aussagen vor und sechs Wochen nach der Wahl scheinen doch stark zu divergieren. Das beginnt doch mit dem berühmten Kassensturz, den der Finanzminister alt und neu machen musste. Da wird so getan, als wäre man beim letzten Mal nicht dabei gewesen, als hätten ganz andere Leute die letzten vier Jahre zu verantworten. Die Vergesslich-keit im Volk ist groß, das stimmt. Aber das Volk ist nicht dumm. Wenn man schon auf das eine setzt, das andere sollte man schon bedenken. Wenn wir so mit unseren Augen den Koalitionsvertrag betrachten, müssen wir feststellen: für uns als Handwerk finden wir keinen Ansatz, der das Signal nach vorn bedeutet. Wir finden nur viele Dinge, die das, was wir nicht wollen und gebrauchen können, zementieren werden. Unser Altbundespräsident Roman Herzog hat einmal gesagt: „Es muss ein Ruck durch unser Land gehen – worauf warten wir noch.“ Ein Ruck durch unser Land wird mit diesem Koalitionsvertrag auch nicht gehen. Ein Ruck ist aber durch uns Handwerker gegangen, nämlich der Angstruck „wie soll es überhaupt weitergehen.“ Einige Bundestagsabgeordnete versuchen uns auf unsere Anfrage zu beschwichtigen mit den Worten: Naja, der Koalitionsvertrag ist ja keine Bibel! Ob diese Genossen überhaupt wissen, wovon sie gesprochen haben? Ich habe an dieser Aussage so meine Zweifel.
Wenn ich so die Großwetterlage sehe, ist es nicht ein Unding, dass ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland daran denkt, die Stabilitätskriterien der Wirtschaft betreffs des Euro zu verletzen? Waren wir es nicht in Deutschland, die mit einem Hauch von Überheblichkeit in den Süden Europas geschaut haben, ob dort etwa die Länder der Instabilität sitzen? Und jetzt, jetzt denkt unsere Regierung über diesen Zustand öffentlich nach!! Ist es nicht eine Schande, dass wir in Europa nun zum Träger der roten Laterne abgestiegen sind? Was hat die Politik in Bonn und Berlin aus der großen Chance Wiedervereinigung gemacht?
Ich will es klar sagen: Wir im Handwerk stehen auf dem Boden der Tatsachen und unser Horizont ist damit klar und naheliegend. Aber da wir in unseren Betrieben schon erdulden müssen, was um uns herum passiert, nehmen wir uns schon das Recht zur Kritik heraus.
Insbesondere deshalb, weil es auch anders ginge und wir auch anders könnten! Man muss uns aber lassen und nicht mit den rot-grünen Aktivitäten daran hindern!
Sehr geehrte Gäste!
Wir haben vor einem Jahr hier an dieser Stelle auf Gesetzlichkeiten hingewiesen, die nach unserer Sicht unbedingt geändert werden müssen. Alle Bundestagsabgeordnete haben diese Sicht aus der Heimat nach Berlin geschickt bekommen. Ich bin nicht sicher, ob unser Anliegen bei den Regierenden verstanden wurde. Ich neige fast dazu, das Schweigen der Angesprochenen als Unver-ständnis zu interpretieren. Wobei ich dieses Unverständnis mit „abgehoben und weit weg von den Problemen von Handwerk und Mittelstand“ übersetzen möchte.

Wir haben diesbezüglich auch um Unterstützung im Land gebeten. Wir haben unsere Vorschläge zu gesetzlichen Regelungen noch verfeinert und unserer Landesregierung übergeben mit der Bitte, uns über Bundesratsinitiativen zu unterstützen. Hier haben wir Unterstützung gefunden, sowohl in der Vergangenheit und ich gehe davon aus, dass das auch so sein wird für die Zukunft. Ich darf Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, an dieser Stelle herzlich danken, dass Sie und Ihr Kabinett mit uns bei den machbaren Vorschlägen übereinstimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte es klar umreißen: Sparen und Reformieren sind für uns keine Fremdworte. Beide Richtungen werden von uns der neuen Regierung auch empfohlen. Ich kann das deshalb hier so locker sagen, weil beides in unseren Betrieben seit Jahren zum Tagesgeschäft gehört. Wir wissen, was das heißt, welche Wirkungen sich daraus entfalten und auch welche Zwänge sich daraus für uns selbst ergeben. Nur – und jetzt kommt eben das „aber“, es muss bedacht passieren, man muss vorher nachdenken, man muss vor-ausschauend Wirkungen erkennen und man muss Wort und Tat übereinstimmen lassen! Und da sind es die grundsätzlichen Weichenstellungen von Rot-Grün, die in die falsche Richtung führen. Wir suchten vergeblich nach dem folgenden Grundsatz: Steuern senken, Investitionen anregen und damit Arbeitsplätze schaffen, um somit Menschen in Lohn und Brot zu bringen und wieder zu Steuerzahlern zu machen. Alle wollen das – aber die Regierung macht es nicht. Was ist da los? Wo sind die Verkrustungen? Ich werde derzeit das Gefühl nicht los, dass man in Berlin schon wieder die sogenannten handwerklichen Fehler vorbereitet, wenn man den Schlingerkurs der ersten Tage wertet. Wobei das Wort „handwerklicher Fehler“ nicht unbedingt dazu angetan ist, uns Handwerker in Hochstimmung zu versetzen. Wir Handwerker hier in der Provinz übersehen sicher nicht alles, was in Berlin ausgedacht wird. Aber wir merken genau, wie uns durch die kalte Küche in die Taschen gefasst wird. Entlastung des Mittelstandes war wohl eine Botschaft im Wahlkampf – doch jetzt ist der Wahlkampf zu Ende! Jetzt plant man Beitragssteigerungen – direkte und in-direkte, vor der Wahl hörte sich da alles anders an. Und mit welch geschmeidigen Worten man das macht. Unser Zahntechnikerhandwerk staunt nicht schlecht, dass die Mehrwertsteuer von 7 % auf 16 % angehoben werden soll – um, so die offizielle Lesart – ein Steuerschlupfloch zu schließen! Wir staunen weiter über den möglichen Schritt, die Lebensversicherungen zu besteuern. Da sprechen dieselben Politiker von Erhöhung der Eigenvorsorge und strahlen gleichzeitig eine staatliche soziale Kälte aus. Da überlegt man laut über die steuerliche Bewertung von Sponsorengeldern und sieht nicht, wie man damit eine Strangulation von Sport und Kultur vorbereitet. Das sind alles Dinge, die uns Handwerker als die kleinen aber tragenden Betriebe vor Ort treffen. Die drastische Erhöhung der Sozialbeiträge trägt keineswegs dazu bei, die Handwerkerarbeit bezahlbarer zu machen.
Wissen Sie, meine sehr geehrte Gäste, sehr geehrte Handwerkskollegen, ich möchte nicht alles auseinandernehmen, was uns auf-getischt wurde, aber über eines möchte ich noch reden, weil es uns Unternehmer direkt angeht: Es sind die Vorschläge zur Einführung von Beschäftigungsbilanzen und eines Bonussystems für Beschäftigung schaffende bzw. Beschäftigung erhaltende Uner-nehmen.
Damit soll an die „Verantwortung der Arbeitgeber für die Schaffung neuer Stellen und der Ausschöpfung vorhandener Potenziale“ appelliert werden. Diese alt bekannte und oft wiederholte Forderung wirft ein Schlaglicht auf das sich daraus ergebende Bild des Unternehmers: Das Einstellungsverhalten soll sich nicht an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, sondern an allgemeinen sozialpolitischen Erwägungen orientieren. Damit wird verkannt, dass sich unser Einstellungsverhalten zwingend nach den wirtschaftlichen Wachstumsaussichten richtet, die wiederum abhängig sind von den Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung.
Sollte die Koalition tatsächlich entschlossen sein, Beschäftigungsbilanzen und ein Bonussystem einzuführen, so sind zudem erhebliche administrative Belastungen gerade für uns kleine und mittlere Unternehmen zu befürchten.
Für mich sind all diese Sachen noch unausgegoren. Sicher – hundert Tage sind erst mal zu gewähren, bevor die Bewährungsphase beginnt. Wobei die Hunderttageregelung wohl nur für Politiker gilt, für uns in der Wirtschaft gibt keiner 100 Tage Schonzeit, weder der Kunde, noch der Staat gewährt uns diese.

Sehr geehrte Damen und Herren.
Lassen Sie mich noch einige Gedanken zur Hartz-Kommission und dieser Vorschlagsliste sagen. Voranzustellen ist, dass das Hand-werk über den Zentralverband des Deutschen Handwerks als einziger Wirtschaftsverband in der Kommission mitgearbeitet hat. Das war gut so, weil es – wie ich eingangs sagte – unserem Selbstverständnis von Wirtschaft und Sozialem ents
pricht. Man täte jetzt aber gut daran, das Hartz-Papier als das zu sehen, was es ist: als Vorschlag zur Umorientierung der Bundesanstalt für Arbeit.
Es ist völlig falsch, eben dieses Hartz-Papier sozusagen als Blaupause zur Lösung aller Probleme des Arbeitsmarktes aufzufassen. Abgesehen davon, dass Hartz ausdrücklich als eine Grundbedingung die Absenkung der Arbeitskosten als Voraussetzung für neue Arbeitsplätze benennt.
Da konterkariert sich die Koalition selbst, wenn verdeckt und offen Beiträge erhöht werden. Das steht nämlich diametral zur Ankün-digung:
Hartz wird 1:1 umgesetzt.
Erschrocken bin ich jedes Mal, wenn ich höre, durch Hartz und damit durch schnellere Vermittlung werden 2 Millionen Arbeitslose mit Arbeit versorgt. Ich frage – im Auftrag des gesamten Thüringer Handwerk: wohin sollen sie denn vermittelt werden. Es ist doch nur ein billiger Traum, die Arbeitslosenzahl durch Vermittlung halbieren zu wollen. Es ist schlimm genug, wenn so viele Menschen ohne Arbeit dastehen. Dagegen hilft doch nur, ein Investitionsklima zu schaffen, damit Arbeitsplätze entstehen können. Danach kann erst vermittelt werden!
Lassen Sie mich hier ein paar Zahlen nennen. Das Wirtschaftswachstum 2002 wird jetzt mit + 0,4 % angegeben. Für das nächste Jahr werden + 1,4 % prognostiziert. Was die Wirtschaft anbelangt, so ist bekannt, dass ab + 1,5 % Wirtschaftswachstum erst einmal ein zusätzliches Arbeitsvolumen entsteht. Dieses Arbeitsvolumen wird sofort von den bestehenden Firmen aufgesogen.
Ab + 1,8 % Wirtschaftswachstum beginnt erst die Arbeitslosigkeit abzuschmelzen, und ab + 2 % Wirtschaftswachstum entstehen richtig neue Arbeitsplätze. Diese Relation ist bekannt, sie müsste doch sofort zu der Überzeugung führen, dass dringend die Rahmenbedingungen in diese Richtung zu ändern sind. Alles andere, was jetzt so gemacht wird, ist doch eine Politik der Patchwork-Technik, die in der Wirtschaft nichts zu suchen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es gibt natürlich auch Dinge im Koalitionsvertrag, auf deren positive Ergebnisse wir große Hoffnung setzen. Die Übernahme des Oppositionsgedankens durch die Koalition zur Bildung eines Superministeriums mit nunmehr Wolfgang Clement an der Spitze ist gut.
Wenn das Superministerium zur Deregulierung führt, wenn die Möglichkeiten der Effizienzerhöhung wirklich ausgenutzt werden, wenn Clement die mittelstandspolitischen Akzente, die er in Nordrheinwestfalen betont hat, nunmehr in die Bundespolitik überführt, dann gibt es an dieser Stelle auch einen Hoffnungsschimmer. Und sollte es der Koalition gelingen, ihre guten Ansätze in der beruflichen Bildung durch die differenzierte, zweijährige modulare Ausbildung auch umzusetzen und nicht auf den politischen Opferaltar feil zu bieten, dann wäre das für uns im Handwerk ein Gewinn.
Aber wie gesagt – warten wir mal die ersten 100 Tage ab. Jetzt haben wir erst mal die Regierungserklärung und die Diskussion im Bundestag gehört. Die drei tollen Tage sind nun vorbei. Aus der Regierungserklärung des Kanzlers konnte ich allerdings nicht sehr viel positives vernehmen. Neben von Willy Brand muss wohl der Kanzler aber wohl auch vom Handwerk abgeguckt haben, als er sagte, „dass es nicht darum gehe, immer nur zu fragen, was nicht geht sondern, dass es vielmehr darum gehe, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass es geht.“ Für uns im Handwerk ist das alltägliche Praxis, sollte sich diese Binsenweisheit auch auf Bundesebene durchsetzen, dann wäre ja unser Hoffnungswunsch auf Besserung sogar etwas real!
Wie der Kanzler seine Meinung aus der Regierungserklärung umsetzen will, dass die Koalition Konsens mit der Wirtschaft suchen will, sich jedoch nicht von Interessengruppen beeinflussen lassen will, ist noch sein Geheimnis. Abgesehen davon, dass die Politik für die Wirtschaft da ist und nicht die Wirtschaft für die Politik, bleibt auch des Kanzlers Geheimnis, was er meint, wenn er von „Verbandsfürsten“ spricht und dabei auch in Richtung unseres Zentralverbandes guckt und damit die Lobbyarbeit in eine gewisse Ecke stellt. Ich möchte zu diesem Punkt nur sagen, dass wir im Handwerk keine Wohlstandsgefälligkeitspolitik brauchen. Wir brauchen nur die Politik auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes – ich sagte es bereits – nicht mehr und nicht weniger.
Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sie werden sicher während meiner bisherigen Ausführungen hin und wieder gedacht haben: Warum plustert sich das Handwerk denn so auf bei der Bundespolitik. Das Handwerk behauptet doch von sich selbst, kleinteilig, regional, ja örtlich verwurzelt zu sein. Ich möchte Ihnen den Grund sehr genau erläutern. Das eine ist richtig, Handwerk hat lebenslänglich Deutschland, es ist kein Ausreisen möglich, keine Standortverlagerung in das Ausland. Die Geschichte ist auch gar nicht nötig, weil wir im Handwerk den Regionalbezug nicht nur haben, sondern auch pflegen und in gewisser Weise auch stolz darauf sind.
Es ist ganz was anderes. Und das möchte ich Ihnen mit wenigen Zahlen erläutern. Wir haben Ihnen heute wieder unser Zahlenblatt mitgegeben. Schauen Sie nach: wir haben noch 28.600 Betriebe. Vor zwei Jahren hatten wir um dieselbe Zeit noch 29.400 Betriebe. In zwei Jahren sind 800 Betriebe auf der Strecke geblieben, weg – unwiderruflich. Das heißt, aber auch – und da jeder Betrieb rund fünf Mitarbeiter hatte – das heißt: 4.000 Familien unserer Gesellen haben keine Existenzgrundlage mehr. Können Sie, sehr geehrte Gäste, das nachvollziehen, können Sie sich da hineindenken, welche Familientragödien da-hinterstehen.
Aber es kommt ja noch schlimmer: Jeden Monat werden im Thüringer Handwerk rund 200 Betriebe gelöscht, das heißt aufgegeben.
Jeden Monat 200 Betriebe! In jedem Monat stehen 1.000 Familien unserer Gesellen vor der Existenzangst. Im Gegenzug werden auch jeden Monat knapp 200 Betrieb gegründet. Aber glauben Sie bitte nicht, dass die 1.000 Familien unserer Gesellen dort wieder aufgefangen werden. Vielleicht sind es 300, oder auch 400. Und der große Rest? Der klopft bei Herrn Hartz an und lässt sich über Herrn Gerster in der Bundesanstalt für Arbeit schnell vermitteln!! Und in der Betriebssumme wird das Thüringer Handwerk jeden Monat etwas weniger. Das ist es, was uns im Handwerk so aufrüttelt, das ist es, was uns unsere Rahmenbedingungen so kritisch hinterfragen lässt, das es ist, was uns so hart mit der Bundespolitik ins Gericht gehen lässt.
Und, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Handwerk im Abwärtstrend heißt nicht nur Kommunalwirtschaft im Abwärtstrend. Das heißt auch soziale Basis im Abwärtstrend, das heißt gesellschaftliches Leben im Abwärtstrend. Das gilt es doch zu stoppen. Dazu hat jeweils die Bundesregierung den Auftrag, auch die jetzige. Dazu hat jeder Bundestagsabgeordnete den Auftrag – auch die aus Thüringen. Und ich kann nur immer wieder sagen, liebe Handwerkskollegen: Laden Sie die Abgeordneten ein, nehmen Sie diese mit in ihre Betriebe, zeigen Sie den Abgeordneten das wahre Leben in Thüringen und wie mancher Handwerker mit seiner Familie nach einen Crash mit weniger als ein Sozialhilfeempfänger auskommen muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie sieht die Wirtschaft in Thüringen aus. Die Konjunkturumfragen der Kammern und Verbände zeigen die gleichen Vokabeln:
Konjunktureller Abwärtstrend, Nachfrageschwäche, hoher Wettbewerbsdruck bei kaputten Preisen, auch bei öffentlichen Aufträgen. Ich kann meinen Handwerkskollegen nur versichern: Wie oft sitzen wir mit unserem Wirtschaftsminister zusammen, um zu beraten, was getan werden kann. Auf Landesebene hilft uns da auch sehr unsere Vereinbarung mit der Landesregierung. Natürlich kann diese Vereinbarung nicht die Probleme des Einzelnen lösen. Sie kann aber sehr wohl die durch das Land zu beeinflussenden Lage zu unseren Gunsten, zu Gunsten des Handwerks verändern. Wir haben zu unserer heutigen Mitgliederversammlung erneut Bilanz zur Vereinbarung gezogen. Es ist die Halbzeitbilanz, wenn man die Laufzeit der Vereinbarung mit der Legislaturperiode verknüpft. Und weil es die Halbz
eitbilanz ist, hat sie auch eine besondere Form und damit Aussagekraft erhalten. Jeder hat das Heft vorliegen. Bitte lesen Sie es genau durch. Der Inhalt besteht aus Erfolgen, auf die wir stolz sein können, und er besteht aus Aufgaben, die noch vor uns stehen. Hier ist die Mithilfe aller gefragt, denn von allein passiert nichts!
So glaube ich, dass die Erfolge der Bilanz ein Ausdruck gemeinsamer Arbeit von Land und Handwerksorganisation sind. Ich möchte an dieser Stelle unserem Ministerpräsidenten Dr. Vogel, unserem Wirtschaftsminister Herrn Schuster und allen Kabinettsmitgliedern herzlich danken. Ich möchte aber auch genauso herzlich all jenen Ehrenamtsträgern im Handwerk danken, die sich bei der Arbeit so selbstlos eingebracht haben.
Bei allem Frohsinn über den Erfolg der Vereinbarung darf ich eines klar herausstellen: auch die Vereinbarung kann nur so gut sein, wie es die Rahmenbedingungen zulassen.
Denn die Vereinbarung kann in keinem Fall kompensieren, was uns auf Bundesebene aufgebürdet wird. Deshalb ist unser Ruf auf Bundesebene nach fairen Rahmenbedingungen unabdingbar!

Sehr geehrte Damen und Herren,
ein wichtiger Punkt in dieser Vereinbarung ist auch die Ausbildung unseres Nachwuchses, speziell – was kann das Land an Unterstützung gewähren. Und da die Bildung und die Ausbildung unseres Fachkräftenachwuchses ein Stück unserer Lebensphilosophie im Handwerk ist, möchte ich hierzu noch etwas vertiefen. Die Ausbildung von Lehrlingen gehört zu unseren Meisterbetrieben wie das Salz in die Suppe dazu. Lehrlingsausbildung ist ein Stück unseres Selbstverständnisses. Um das aber durchzusetzen muss man doch noch mal hinter die Kulissen leuchten. Dass unsere Meisterausbildung auch die Lehrbefähigung zur Ausbildung von Lehrlingen enthält, möchte ich all denen nochmals in Gedächtnis rufen, die leichtfertig mit dem Meisterbrief umgehen wollen. Auf uns rollt die Ebbe der demographischen Entwicklung zu. Das ist ein Problem, was existenziell für uns Handwerksbetriebe ist, was aber auch großflächige Auswirkungen in unserer ganzen Gesellschaft haben wird.
Unsere Anstrengungen in der Ausbildung sind ungebrochen. Sicher – wir werden dieses Jahr mit rund – 10 % weniger Ausbildungsplätzen leben müssen. Aber das kommt nicht von ungefähr. Denken Sie an meine eben gesagten Worte zum Bestand unserer Betriebe.
Wir haben ja nicht nur einfach den Verlust zu beklagen. Inwendig ist ja noch viel mehr passiert. Wir haben in Thüringen in den letzten drei Jahren rund 2.000 Ausbildungsbetriebe verloren! Wenn man das alles weiß, dann ist es klar, dass wir sauer reagieren, wenn uns von Gewerkschaftsseite vorgeworfen wird, wir würden unserer Ausbildungspflicht nicht nachkommen! Andererseits danke ich noch mal unserem Land für die bundesweit einmalige hohe Förderung der überbetrieblichen Ausbildung. Und mein Dank geht an jeden Betrieb, der in dieser schweren Zeit überhaupt noch ausbildet. Wenn wir über Ausbildung sprechen, gehört auch PISA dazu. Unsere Meinung zur Ausbildung, zum gegliederten Schulsystem haben wir oft genug gesagt. Für uns im Handwerk sind zwei Sachen wichtig:
Solide Grundausbildung und spätestmögliche Spezialisierung. Leider hat man bei der Wiedervereinigung einen Fehler gemacht. Es wäre bestimmt besser gewesen, moderne und bewährte Ausbildung ideologiefrei zu machen als alles wegzuwerfen, beigetretenes Kultusmodell zu übernehmen, um jetzt festzustellen, man wird in Elementen das hervorholen, was wir schon mal hatten. Man stellte uns im Handwerk auch immer hin, als seien wir das profilierte Auffangbecken für Hauptschüler.
Natürlich nehmen wir Hauptschüler. Ihre handwerklichen Fähigkeiten sind unumstritten. Wir brauchen aber auch Abiturenten und studierte Leute in unseren Unternehmen, um mit modernen Technologien in unseren Betrieben arbeiten zu können sowie auch die Nachfolge für die Handwerksbetriebe abzusichern. Und um das zu erreichen, haben wir mit unserem Kultusminister guten Kontakt. Auch das ist ein Stück gelebter Vereinbarung mit der Landesregierung. Das wollte ich insbesondere meinen Handwerkskollegen sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn wir von der Wirtschaft in Thüringen sprechen, dann gibt es auch da Schwerpunkte, die uns auf der Seele brennen. So plädieren wir eindeutig auf die Umsetzung und Einhaltung der Vergaberichtlinien unsers Landes. Und da sehen wir insbesondere die Kommunen in der Pflicht. Wir müssen auch wegkommen von der Tatsache, dass sich die Schattenwirtschaft als einziger Wirtschaftszweig mit großer Kontinuität entwickelt. Hier hat zwar die Bundesregierung versprochen aktiv zu werden. Lösungsansätze sind nicht in Sicht, im Gegenteil, mit dem Gespenst der Erhöhung der Mehrwertsteuer wird weitere Wirtschaftslähmung vorprogrammiert. Aber unser Forderungen gehen auch an das Land, hier tätig zu werden. Ich glaube, das Optimum am Zusammenwirken von allen im Prozess beteiligten Institutionen haben wir noch nicht erreicht! Auch hier – so unsere Auffassung – gibt es sowohl Potenzial zur Zusammenfügung von gleichartig arbeitenden Struktureinheiten. Ich glaube, dieser Gedanke wird an keinem vorbeigehen, auch an uns im Handwerk nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
lassen Sie mich bitte noch auf ein fast Reizwort eingehen, auf den Euro. Zusammengefasst sieht es doch so aus: die Einführung des Euro war eine der genialsten Ideen des letzten Jahrzehntes in Richtung der Vereinigung der europäischen Wirtschaft. Als wichtiges weiteres Produkt, ich glaube sogar das wichtigste, ist die Festigung des Friedens in Europa. Jede Stunde Frieden ist eigentlich unbezahlbar, sind wir froh, dass wir diesen mit der Euroeinführung so günstig bekommen. Natürlich höre ich auch das Wort Teuro. Und ich höre auch, dass der Übergang D-Mark zu Euro verschiedenes hat teurer werden lassen – auch im Handwerk. Ich bin sogar von einigen meiner Handwerkskollegen deswegen gescholten worden, dass ich dies bestätigte. Nur, man muss noch Preise erzielen können, die nach der Deckungsbeitragsrechnung auch noch eine schwarze 0 aufweisen. Und nun frage ich uns Handwerker: Warum wollen wir uns selbst etwas vormachen! Sagen wir doch frei heraus, warum unsere Preise auch steigen mussten. Nennen wir doch die Abgaben, die uns aufgebürdet wurden, die wir weiterbe-rechnen müssen.
Es ist doch keine Schande, für ein qualitätsgerechtes Produkt einen ordentlichen Preis zu verlangen.
Es ist doch keine Schande, Gewinn zu erwirtschaften. Mit dem Gewinn gestalten wir Unternehmer uns doch keine Fettlebe. Der Gewinn ist doch zwingend notwendig, um unsere Unternehmen fit zu halten. Und es ist doch keine Schande, dass wir Unternehmer für unser Risiko, das wir tragen, für unsere Verantwortung, die wir wahrnehmen, für unsere Leistung auch nach ordentlicher Bezahlung streben. Und wo sollen wir es hernehmen, wenn nicht über den Preis unserer Leistungen und Produkte! Da ist es doch schizophren, bei ordentlichen Preisen nun auch dagegen zu sein!

Wir müssen selbst mit Hand anlegen, damit die Preise nicht kaputt gehen. Wir müssen unsere betriebswirtschaftliche Kenntnisse, so anwenden, dass ordentliche Preise kalkuliert werden. Und es gibt wirkungsvolle Instrumente, die wir selbst im Handwerk haben. Wir müssen im Handwerk den Markt uns genau vornehmen. Wir müssen Marketinginstrumente nutzen. Alle reden von Cluster als wirksames Marktinstrument. Liebe Kollegen, wir haben doch dieses Instrument längst, sogar gesetzlich sanktioniert. Warum nutzen wir nicht die Innung dazu. Warum gehen wir nicht aggressiver vor. Warum verweben wir nicht unsere Strukturen und ihre Möglichkeiten mit moderner Informationstechnik, dem INTERNET. Wir müssen handeln und in dieser Wirtschaftskrise noch enger zusammenrücken, um den Schulterschluss auch mit dem Wettbewerber zu finden. Sicher – der Ruf nach Rahmenbedingungen bleibt erhalten, aber vom eigenen Handeln in dieser Richtung entbindet uns keiner! Und damit wird auch sofort klar: Wir brauchen die Einigkeit im Handwerk. Ein Glück einerseits, dass wir kleinteilig sind und somit eine kreative Vielfalt haben. Ein Glü
ck andererseits, dass wir eine gesetzliche Selbstverwaltung haben und des weiteren uns – im Thüringer Handwerkstag – eine Interessenvertretung aufgebaut haben, die die Einzelnen bündelt und damit eine Kraft entwickelt.
Unnütze Diskussionen bringen uns nicht voran, und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Nutzen wir das – es ist ein Stück Aufbauarbeit für unsere eigene Zukunft!
Liebe Handwerkskollegen, ich musste einfach diesen Appell auch an uns richten. Damit wird auch unseren Gästen deutlich, dass wir im Handwerk mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und zweitens ist Offenheit und Glaubwürdigkeit ein nahrhafter Boden für gute gemeinsame Arbeiten und Abstimmungen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Eine wichtige Frage gegenwärtig ist doch: Wie geht es weiter, was bringen die nächsten Jahre, was erwarten wir in der Zukunft. Was wir auf Landesebene brauchen, das ist die Umsetzung unserer Vereinbarung. Da sind wir auf gutem Weg. Die heutige Bilanz zeigt es. Aber auch unsere Landesregierung hat weitergedacht. Zusammen mit Sachsen-Anhalt und Sachsen ist die „Initiative Mitteldeutschland“ ins Leben gerufen worden. Alle drei Länder, also Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, bauen darauf, dass trotz eventueller Unterschiede dann in der Großwetterlage nur eine gemeinsame Stimme zählen kann. Dieses Podium, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, bitten wir, z.B. im Bundesrat für das Handwerk einzubringen. So stehen noch einige Gesetzesverbesserungen an, die Rot-Grün nur lasch angefasst hat, z.B. zur Zahlungsmoral oder zum Eigentumsvorbehalt. Wir im Handwerk haben einen ähnlichen Weg beschritten durch die „Kooperationsgemeinschaft Mitteldeutscher Handwerkskammern.“
Die acht Kammern der drei Länder bringen schon ein Stimmgewicht auf. Lassen Sie uns in den Ländern wie in der Handwerksor-ganisation stets abgestimmt vorgehen. Die Ausgangslage oder auch die Chance im Rahmen der EU-Osterweiterung ist in Mittel-deutschland doch eine andere als in manchem Land der alten BRD. Das Ergebnis wird unserer Aktivitäten belohnen!
Für die heutige Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstag haben wir ein Positionspapier erarbeitet. Es soll einfach unsere
Position beschreiben. Daraus kann jeder, ob Land, Bund, Verwaltungen oder Behörden ablesen, wie es so um uns bestellt ist, was aus der Sicht des Handwerks zukünftige Aufgaben sind. Wir halten die Anregungen für wichtig, hoffentlich unsere Ge-sprächspartner auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie oft hören wir, der Mittelstand trägt die Wirtschaft und die Gesellschaft. Fakt ist, dass nur gesunde Träger diese Aufgabe über-nehmen können. Bitte setzen Sie, jeder an seinen Platz, alles daran, dass der Mittelstand ein gesunder Träger ist. Und sollten Sie, oder Sie nicht exakt wissen, wie es anzufangen ist, dann machen Sie es wie Martin Luther, indem Sie dem Volke, dem Handwerk aufs Maul schauen. Hier erhalten Sie stets Antworten. In diesem Sinne möchte ich uns allen ein Ruck – nach Roman Herzog, in eine gemeinsame glückliche Zukunft wünschen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Sperrfrist: Redebeginn

Thüringer Handwerk fordert Substantielles!
Pressemitteilung vom 06.11.2002

Erfurt, 06. November 2002

Thüringer Handwerk fordert Substantielles

Präsident Ostermann: „Schluss mit den Hochglanzreden“
Morgen treffen sich die Interessenvertreter der in Thüringen ansässigen 28 634 Handwerksbetriebe zur Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages. Im Mittelpunkt des Treffens steht die weiterhin schlechte Handwerkskonjunktur im Freistaat und die Suche nach Wegen aus der Krise. Von der Bundesregierung erwartet das Thüringer Handwerk endlich Entscheidungen, die der Wirtschaft in Deutschland und insbesondere in den neuen Ländern wieder Perspektiven geben. „Wir werden die Bundesregierung auffordern, ihren Hochglanzreden von Mittelstandsförderung und Aufbau Ost endlich substantielle Entscheidungen folgen zu lassen. Unser Land braucht mutige Reformen und nicht nur aufpolierte Halbherzigkeit und gewienerte Konzeptlosigkeit“, erklärt der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Rolf Ostermann, im Vorfeld der Mitgliederversammlung und in Reaktion der ersten Entscheidungen nach der Bundestagswahl. Im Zentrum der morgigen Ausführungen Ostermanns vor Mitgliedern und Gästen des THT werden die Erwartungen stehen, die das Handwerk gegenüber Landes- und Bundespolitik hat.

Denn das Handwerk steht wiederum vor einem schweren Jahr. Betroffen von der anhaltenden Konjunkturflaute sind mittlerweile alle Branchen des Handwerks. In den letzten beiden Jahren verlor das Handwerk in Thüringen 600 Betriebe. Die Zahl der Beschäftigten sank von 158 500 im Jahr 2000 um rund 7 500 auf aktuell 151 000. Der negative Trend hat sich in diesem Jahr zwar leicht verlangsamt, gestoppt werden konnte er indes nicht. Die ersten steuer- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen der wiedergewählten Regierung werden nach Überzeugung des Handwerks die Krise weiter verlängern, wenn nicht gar für das Handwerk verschärfen. Prognosen für die Wintermonate lassen jedenfalls nichts Gutes erwarten.

Hartz allein verpufft!
Pressemitteilung vom 16.08.2002

Erfurt, 16. August 2002

Hartz allein verpufft

Das nunmehr mit allein Details vorliegende Hartz-Papier wird in seinen strukturveränderten Punkten vom Handwerk begrüßt. „Aber es wäre ein Irrglaube, wenn man meinte, mit Milliardenanleihen und Jobagenturen allein könnte die Arbeitslosigkeit verringert werden,“ kommentiert Dr. Dieter Artymiak, Geschäftsführer des Thüringer Handwerkstages, das vorliegende Ergebnis der Hartz-Kommission. „Ich vermisse nach wie vor den Mut, die Ursachen unserer tiefgreifenden Wirtschaftskrise anzupacken. Und nun ist die Gefahr groß, dass dieses Papier mit Wirtschafts- und Finanzpolitik verwechselt wird. Steuersenkungen und Investitionsanreize für unsere zigtausend klein- und mittelständischen Betriebe und eine vernünftige Finanzausstattung der Kommunen für Investitionen sind auch mit dem Hartz-Papier nicht auf den Weg gebracht.“ Für das Handwerk können die Hartz-Vorschläge erst dann zu wichtigen und erfolgversprechenden Maßnahmen werden, wenn gleichzeitig die angemahnten Reformen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfolgen. Der Thüringer Handwerkstag würde sich daher wünschen, dass die zweifelsohne hohe Dynamik der Arbeit der Hartz-Kommission auf weitere Politikfelder ausstrahlen könnte.

„Unsere Betriebe stellen keinen Arbeitslosen ein, wenn für ihn keine Arbeit da ist. Die Handwerker investieren auch nicht, wenn sie kaum Aussicht auf eine Verbesserung der Situation haben. Die Hartz-Vorschläge gehen, wenn sie nicht sinnvoll von anderen politischen Reformen flankiert werden, an den tatsächlichen Problemen vorbei,“ so Dr. Artymiak.

„Mittelstand macht mobil!“

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat zusammen mit den Verbänden des Handels, der Freien Berufe, der Gastronomie, der Sparkassen, der Volksbanken und Raiffeisenbanken die Aktion „Mittelstand macht mobil!“ ins Leben gerufen.
 
Wir verteilen in den Sommer-Wochen einen Flyer in Millionen-Auflage. Demonstrieren Sie mit Ihrer Unterschrift: Der Mittelstand hat Gewicht, er hat vor allem viele Stimmen. Unterstützen Sie die Forderungen nach einem mittelstandsgerechten und einfachen Steuersystem, nach mehr Eigenverantwortung in der sozialen Sicherung und nach einem kräftigen Bürokratie-Abbau.
 
Sie können sich den Flyer als PDF-Dokument herunterladen und ausdrucken. Verteilen Sie Ihn an andere Betriebe, an deren Familien und Freunde. Die Antwortkarten schicken Sie bitte gesammelt an den ZDH. Wir übergeben sie vor der Bundestagswahl den Vertretern der Politik.
 
Für weitere Fragen oder Hinweise stehen Ihnen die Initiatoren unter info@zdh.de gerne zur Verfügung.

Zusätzliche ABM-Mittel in den ersten Arbeitsmarkt!
Pressemitteilung vom 10.06.2002

Erfurt, 10. Juni 2002

Zusätzliche ABM-Mittel in den ersten Arbeitsmarkt!

Als völlig verkehrten Weg bezeichnet der Präsident des Thüringer Handwerkstages (THT), Rolf Ostermann, die von BA-Chef Gerster angekündigte Erhöhung der ABM-Stellen in den ostdeutschen Bundesländern. „Die zusätzlich vom Bund für diese reine Wahlkampf-Aktion zur Verfügung zu stellenden Mittel sollten statt für ABM den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, die damit wiederum Aufträge auslösen könnten und so den ersten Arbeitsmarkt stärken würden“, formuliert Ostermann als Alternative.

Außerdem sehe er für die rot-grüne Bundesregierung kaum einen Effekt in dieser Maßnahme, die vor vier Jahren von SPD-Kandidat Schröder selbst heftigst kritisiert worden war und der CDU auch nicht zu einer weiteren Regierungsperiode verhelfen konnte. Die Bundesregierung disqualifiziere sich und ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik endgültig, wenn sie so Steuergelder für den Wahlkampf und noch dazu für untaugliche Mittel ausgebe.

Immer weniger Thüringer Handwerksbetriebe Pressemitteilung vom 15.05.2002

Erfurt, 15.05.2002

Immer weniger Thüringer Handwerksbetriebe

Die Zahl Thüringer Handwerksbetriebe nimmt immer weiter ab. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 2.577 Betriebe angemeldet, 3.037 Betriebe wurden ausgetragen. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Handwerksbetriebe von 29.165 im Jahr 2000 auf 28.705 Ende 2001. „Diese bedenkliche Entwicklung wird sich weiter fortsetzen, wenn die Wirtschaftspolitik nicht umfassend geändert wird“, warnt Rolf Ostermann, Präsident des Thüringer Handwerkstages. „Klein- und mittelständische Unternehmen sind die klaren Verlierer der letzten vier Jahre rot-grüner Wirtschaftspolitik. Das muss sich ändern!“ Es sei höchste Zeit für eine allgemeine Entbürokratisierung, weitgehende Deregulierungen für die ostdeutsche Wirtschaft und vor allem die Bekämpfung der Schwarzarbeit an ihren Wurzeln. „Denn besonders die hohen und steigenden Steuer- und Abgabenlasten machen ehrliche Arbeit immer unattraktiver.“

Die Zahlen für die drei Kammerbezirke:
Betriebe gesamt 2000: Erfurt 13.304, Ostthüringen 9.092, Südthüringen 6.769;
Betriebe gesamt Ende 2001: Erfurt 13.196, Ostthüringen 8.870, Südthüringen 6.639;
Anmeldungen/Abmeldungen im Jahr 2001: Erfurt 1.254/1.362, Ostthüringen
806/1.028, Südthüringen 517/647.

10. Parlamentarischer Abend des Thüringer Handwerks am 21. März 2002

Ansprache des Präsidenten des Thüringer Handwerkstages e.V., Rolf Ostermann,
anlässlich des 10. Parlamentarischen Abends des Thüringer Handwerks am 21. März 2002

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, Sie zum 10. Parlamentarischen Abend des Thüringer Handwerks begrüßen zu dürfen. Mein besonderer Gruß und Dank gilt unserer Landesregierung mit Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel an der Spitze sowie den Abgeordneten des Thüringer Landtags unter Führung der Präsidentin des Hohen Hauses, Frau Christine Lieberknecht.

Meine Damen und Herren,
seien sie mir alle herzlich willkommen, auch wenn ich die vielen weiteren honorigen Gäste nicht namentlich begrüße. Dieser Abend ist in zweifacher Hinsicht ein ganz besonderer. Zum Einen treffen wir uns nun schon zum zehnten Male; zum Anderen ist diese, nun schon zu einer Institution gewordene, regelmäßige Zusammenkunft und recht gut funktionierende Zusammenarbeit von Handwerk und Landespolitik nach wie vor beispielgebend in Deutschland. Wir im Thüringer Handwerk hatten stets vor Augen: es geht nur gemeinsam von Politik und Handwerk. Wir suchten ein effektives Podium und fanden dieses mit dem „Parlamentarischen Abend“, den wir Handwerker sozusagen in Thüringen eingeführt haben. Das war am 12. November 1992. Auch wenn der Parlamentarische Abend eine Veranstaltung mit regionalem Charakter ist und unser Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel einen großen Anteil an dessen Erfolg hat, bleibt der Zugriff auf die Bundespolitik nicht aus. Bei Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben wir gelernt, was Politik – hier konkret Landespolitik – mit Handwerk gemeinsam hat. Sie haben gezeigt, wie man durch Klarheit und Solidität Probleme des Lebens gemeinsam angehen kann. Und die Gemeinsamkeit besteht nicht etwa im gegenseitigen Schulterklopfen und in Scheinlösungen, sondern im Ausdiskutieren von Meinungen bis zu Lösungsansätzen.

Meine sehr geehrten Gäste,
in diesen Tagen ist der Bundestagswahlkampf bereits voll im Gange. Für uns heißt das, dass wir sehr sensibel mit schwierigen Themen umzugehen haben. Denn zur Erinnerung: der Thüringer Handwerkstag ist überparteilich. Wir pflegen den Kontakt zu allen demokratisch legitimierten Volksvertretern. Und dennoch richtet sich natürlicherweise unser kritisches Hauptaugenmerk an die politisch Verantwortlichen. Um dies zu untermauern, möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal die Stellung der Organisationen des Handwerks nahe bringen. Sowohl die Handwerkskammern als auch die Innungen als Basis der Landesinnungsverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das heißt, wir haben staatliche Hoheitsaufgaben übernommen – wir sind ein Stück Staat. Geregelt ist dies alles im Gesetz zur Ordnung des Handwerks, besser bekannt als Handwerksordnung. Beispielgebend möchte ich daraus den Paragraph 91 Absatz 3 nennen, der aussagt, dass die Handwerkskammer in allen wichtigen das Handwerk betreffenden Fragen gehört werden soll. Soweit zum Gesetzestext und zu unserem Selbstverständnis auch für diesen Abend. Sehr geehrte Damen und Herren, trotz guter Kontakte und Zusammenarbeit von Politik und Handwerk in Thüringen ist die Situation des Handwerks schwieriger denn je. Das liegt zu allererst an den von der Bundespolitik vorgegebenen Rahmenbedingungen. Die sinkende Zahl von klein- und mittelständischen Unternehmen ist den immer stärkeren und verworreneren Reglementierungen der klein- und mittelständischen Wirtschaft durch die Politik geschuldet – und nicht den durchaus auch auftretenden Schwächen einzelner Handwerksunternehmer! Das Handwerk – meine Damen und Herren – ist nicht nur in ganz Deutschland ein bedeutender Arbeitgeber. Die Zahlen sagen es: 850.000 Handwerksbetriebe stellen mit knapp 6 Millionen Beschäftigten den größten Wirtschaftszweig dar! Allein in unserem Freistaat stehen über 150.000 Frauen und Männer in Handwerksbetrieben in Lohn und Brot. Das Handwerk ist eine bedeutende gesellschaftliche Komponente, die von der rot-grünen Bundespolitik völlig unterschätzt wird. Die Regierung hat die Großindustrie in den vergangenen Jahren einseitig begünstig! Die Steuerreform reduzierte die Abgabenlast der Kapitalgesellschaften, die Körperschaftssteuer wurde gesenkt, Veräußerungsgewinne von Beteiligungen steuerlich frei gestellt. Wir überwiegend als Personengesellschaften firmierenden Handwerker schauen in die Röhre! Und deshalb auch ist die Lage des Handwerks besorg-niserregend.Bis zum Jahr 1998 ging’s mit dem Thüringer Handwerk bergauf, dann stagnierten Betriebs- und Beschäftigtenzahlen, und seit dem Jahr 2000 sinken sie.

Wissen Sie, geehrte Damen und Herren Politiker:
Wenn die Rahmenbedingungen zum Wirtschaften stimmen, dann gedeiht Handwerk von ganz alleine. Das liegt einfach daran, dass Frauen und Männer von der Idee beseelt sind, selbstständig etwas zu wagen, mit Selbstvertrauen und mit der eigenen Kraft für sich zu sorgen, für die eigene Familie. Und aus diesem Kraftquell entstehen Betriebsstrukturen, in denen Meister und Gesellen Platz finden. Das ist der klassische Handwerksbetrieb. In einem solchen Handwerksbetrieb gedeiht Wirtschaftlichkeit gleichermaßen wie Gemeinsinn. Da gehört die Verbindung von Tradition und Moderne zur Wachstumsphilosophie. Da gehört auch die Ausbildung von Lehrlingen dazu, kurzum – hier handelt es sich um ein mit viel Heimatliebe verbundenes Stück Prosperität unserer Heimat, unseres Landes Thüringen, und damit der Bundesrepublik! Und weil wir so auch immer das Ganze im Handwerkerblick haben, sollte es die Bundesregierung mindestens ebenso tun. Dass noch heute zu jedem passenden und unpassenden Anlass konstatiert wird, dass Ost und West immer weiter auseinanderdriften, statt sich zu nähern, ist maßgeblich der Bundespolitik der letzten Jahre zu verdanken! Immer mehr werden die ostdeutschen Bundesländer sich selbst überlassen. Dabei geht es nicht allein nur darum, hierzulande eine wirtschaftliche, und damit gesellschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und zu sichern. Es geht darum, endlich eine neue Bundesrepublik zu entwickeln und zu gestalten, die den Idealen ihrer Gründer entspricht. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Ost und West, von Politik und Wirtschaft in jedem Winkel Deutschlands. Dazu gehört auch, dass die deutsche Stimme in Europa endlich das ihr zustehende Gewicht bekommt. Nicht von ungefähr schwindet seit einigen Jahren die frühere mit führende Rolle der Bundesrepublik in Europa. Das ist eine Folge verfehlter politischer Richtungswechsel. Dies schlägt sich eben auch in der sinkenden Wirtschaftskraft des bevölkerungsreichsten europäischen Landes nieder. Und findet in den erschreckenden Ergebnissen der PISA-Studie für deutsche Schüler seinen Ausdruck. Statt die nationale Wirtschaft in konjunkturellen Krisen zu stützen und antizyklisch zu handeln, wird uns die „ruhige Hand“ verkauft. Und was alle Wirtschaftsexperten von Anfang an wussten, müsste auch der Bundeskanzler einsehen: eine nichtstuende Hand ist kein Konzept! Und wenn dann noch der Zahlenkünstler Hans Eichel auftritt und mit Bürger und Wirtschaft unseres Landes belastenden Versprechungen gegenüber der EU deren ja durchaus berechtigte Kritik in Form eines Brüsseler „Blauen Briefes“ abwendet, dann ist die Zeit Blauer Briefe für Mitglieder der Bundesregierung gekommen. Ein Adressat neben Eichel wäre unser „Wirtschaftsverhinderungsminister“ Riester. Er macht seinem Namen durchaus alle Ehre: Die Schuhmachermeister unter unseren Handwerkskollegen schätzen den Riester, den Lederflecken, schon. Doch sie entscheiden gewissenhaft, welches Loch wie mit dem Riester gestopft werden kann. Von gewissenhaften Überlegungen vorm Löcherstopfen ist bei Minister Riester jedoch nichts zu spüren. Da wird aktionistisch „auf Teufel komm raus!“ an jedem Zipfel der zu kurzen Decke gezerrt – reine Flickschusterei eben! Auch nicht ein Hauch von Langzeitkonzeptionen ist in Riesters Handeln zu spüren. Das belegt in diesen Wochen auch wieder der Skandal um die Bundesanstalt für Arb
eit: Mit Schnellschüssen aus der Hüfte soll da gleich mal die eine Datenfälschung durch eine andere, sanktionierte ersetzt werden, um damit von der Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung abzulenken. Und die klein- und mittelständische Wirtschaft als großer Arbeitsplatzanbieter kommt in den Gedanken des früheren Gewerkschaftsfunktionärs Riester gar nicht mehr vor!

Sehr geehrte Damen und Herren,
jedes Gesetz, das dazu führt, dass Arbeit besser bezahlt werden kann und wird als Nichtarbeit, ist für Unternehmer, Angestellte und Arbeitssuchende ein gutes Gesetz. Und solch gute Gesetze – meine Damen und Herren – würden viel helfen, dass weniger schwarz gearbeitet würde. Die Schwarzarbeit in Deutschland kommt uns enorm teuer zu stehen: Unvorstellbare 350 Milliarden Euro sollen nach Schätzung der Finanzbehörden an Fiskus und Sozialkassen vorbei erarbeitet werden! – Von den hinterzogenen Sozialbeiträgen bis zu den Kosten für das Aufspüren der Schwarzarbeiter sowie für die Ermittlungen gegen sie und deren Auftraggeber. Von dem Auftragsvolumen, das dabei insbesondere dem ehrbaren Handwerk verloren geht, ganz zu schweigen! Und das Schlimmste daran ist: Es geschieht täglich unter unser aller Augen, obwohl die Schwarzarbeit unter Strafe steht. Aber die Strafen schrecken niemanden ab, viel zu groß ist der wirtschaftliche Druck einerseits und die Verlockung andererseits. Stellen Sie sich – sozusagen als Horrorvision – vor, jemand würde die Schwarzarbeit auch noch organisieren …! Und auch die mit dem Bundesgesetz zur Eindämmung illegaler Beschäftigung festgeschriebene Vorlage einer Freistellungsbescheinigung ist kein wirksames Konzept gegen Schwarzarbeit. Statt nachhaltig etwas gegen dieses „nationale Geschwür“ zu tun, begnügt sich die Bundesregierung mit der Sicherung ihres eigenen Anspruchs auf Abgaben aus Arbeit in Form der pauschalen 15 Prozent! Und dafür nimmt sie auch noch eine weitere Bürokratisierung in Kauf.

Meine Damen und Herren,
wenn sich unser Thüringer Landesvater bestimmten Problemen besonders annimmt,dann geschieht das solide, konzentriert, lösungsorientiert und ohne Theaterdonner. Eher mit einer dem Anlass angepassten „Begleitmusik“. Furchteinflößend dagegen sind die Drohungen des Bundeskanzlers, wenn der wieder mal eine Angelegenheit zur Chefsache macht. Ganz im Stile seiner „ruhigen Hand“ muss man Stillstand oder eher noch Rückschritt befürchten. Statt realistischen, kompetenten und finanzierbaren Problemlösungen kommt dann solch Populistisch-Aktionistisches heraus wie das Gesetz zu den 325-Euro-Jobs, das Tariftreuegesetz oder das Be-triebsverfassungsgesetz. Allein dieses Arbeitnehmervertretungsgesetz erhöht den Aufwand für mittelständische Unternehmen enorm und schlägt mit rund einer Milliarde Euro zu Buche! Das Tariftreuegesetz im jetzigen Entwurf, meine Damen und Herren, eignet sich besonders gut, um den Charakter der „Chefsache Ost“ zu erläutern. Um gleich allen Diskussionen vorzubeugen: Wir Handwerker sind für Tariftreue, allerdings für die Tarife, die am Firmensitz gelten, und nicht für die, die am Erfüllungsort zu leisten sind. Im Klartext fordert das Gesetz nämlich, dass ostdeutsche Handwerker aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in unserer Heimat von Aufträgen im „reichen Westen“ unseres Vaterlandes ausgeschlossen werden! Das ostdeutsche Bundestagsmitglied, das solchen Gesetzen zustimmt, hat den Namen Volksvertreter nicht mehr verdient! Allerdings soll an dieser Stelle auch die zu diesem Thema unrühmliche Haltung unseres eigenen Zentralverbandes nicht verschwiegen werden: Gegen die Stimmen der Osthandwerkskammern und ganz besonders gegen die Stimmen aus Thüringen und Sachsen hat dieser dem Gesetz im „Namen des Handwerks“ zugestimmt. Aber zurück zur Bundesrepublik. Da ist nicht nur Lobbyismus für die Westkollegen, das ist ein Skandal! Auch mit der halbherzigen Verteidigung der Interessen des deutschen Mittelstandes bei den Basel-II-Diskussionen beweist der Bundeskanzler nicht gerade Wirtschaftskompetenz! Wir fühlen uns hier von der Bundesregierung im Stich gelassen! Und wo, bitte schön, bleibt denn Schröders klarer Blick, wenn Kassenwart Eichel den Klein- und mittelständischen Unternehmern ungestraft vorhalten darf: Deren „Jammern“ solle ein Ende nehmen, die 30 Milliarden Euro Steuerersparnis sollten erst mal investiert werden?! Diese angebliche 30-Milliarden-Entlastung hat der Mittelstand nie erfahren können, fressen doch gerade in kleinen und mittelständischen Betrieben neue und höhere Belastungen wie die Ökosteuer jede Entlastung auf. Doch für die rot-grüne Bundesregierung liegt fast ausschließlich das Wohlergehen der großen Konzerne und Monopole am Herzen. Denn wenn es um die Rettung eines Baukonzerns auf Kosten des Handwerks und des Mittelstandes geht, hält der Herr Bundeskanzler seine Hände plötzlich nicht still! Ähnlich muss man die Stützung bei Monopolen wie zum Beispiel Post, Telekom oder Bahn werten. Dabei sind es gerade solche Großunternehmen – und nicht Handwerk und Mittelstand!
– die in den letzten Jahren die meisten Arbeitsplätze in Deutschland vernichteten, zumeist durch Auslagerung ins Ausland.

Sehr geehrte Gäste,
unsere Erfahrungen hier in Thüringen – nämlich, dass das Handwerk sich offensiv an die Politik wendet und auf Landesebene nicht ganz unwesentliche Ergebnisse erzielt werden konnten – werden wir nutzen, und in den kommenden Monaten des Bundestagswahlkampfes mit konkreten Wahlprüfsteinen Parteien und Personen zu Kernpunkten der wirtschaftlichen Entwicklung, ganz besonders bezüglich des Handwerks befragen. Und zwar ganz unnachgiebig! Dabei erwarten wir, dass unsere Fragen ernst genommen werden. Und wir erwarten Antworten, die nicht aus 1001 Nacht, sondern aus der deutschen Realität 2002 entspringen: also realistische und umsetzbare Konzeptionen! Dabei setzen wir durchaus auch auf Sie, liebe Damen und Herren Politiker aus Thürin-gen:
Sie sollten sich und Ihre Parteien darauf vorbereiten, dass das Thüringer Handwerk diesmal bei der Kandidatenprüfung eine noch höhere Elle anlegt. Und Sie sollten die hiesigen Erfahrungen der vergangenen Jahre in der Zusammenarbeit von Politik und Handwerk mit einbringen: Wir haben gemeinsam bewiesen, dass man sich verständigen und manches verbessern kann – wenn man sich als gleichberechtigte Partner ansieht und achtet! Denn im Ergebnis unserer Parlamentarischen Abende schlossen die Thüringer Landesregierung und der Thüringer Handwerkstag vor zwei Jahren eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit. Beide Seiten – der Thüringer Handwerkstag und die Landesregierung – schätzen die Zusammenarbeit auf dieser Grundlage und sehen echte Erfolge: Dass es in Thüringen jetzt eine Vergabe-Mittelstandsrichtlinie gibt, ist zum Beispiel ein Ergebnis der Zusammenarbeit. Das ist ein Erfolg! Und wenn die Landesregierung nun noch die Umsetzung der Richtlinie besonders im kommunalen Bereich befördert, würde das dem Thüringer Handwerk spürbar zugute kommen können. So müssen die öffentlichen Auftraggeber unbedingt angehalten werden, bei Auftragsvergabe unangemessen niedrige Angebote von der Vergabe konsequent auszuschließen. Auch im Kampf gegen die Schwarzarbeit engagiert sich das Land und fördert durch personelle Aufstockungen und organisatorische Veränderungen die Verfolgung der betrügerisch Tätigen. Ein für uns besonders wichtiger Schritt ist, dass sich unsere Landesregierung ebenso wie die sächsische mit der Initiative zu einem Unternehmer-Sicherungsgesetz für eine Nachbesserung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlen einsetzt. Die kurzsichtigen Gesetzesmacher hatten zwar viel Papier beschrieben und in Hunderte Mikrofone geredet – doch das Ergebnis??? Nicht eine Mark oder ein Euro sind aufgrund dieses Gesetzes schneller geflossen. Trotz des Zahlungsmoral-Gesetzes wird nicht einmal jede zehnte Handwerker-Rechnung pünktlich bezahlt. Ja, Sie haben richtig gehört: nicht einmal jede zehnte Rechnung! Jüngstes Beispiel ist die Situation von 30 Erfurter Handwerksfirmen, denen die Ortus GmbH als Auftraggeber für den Bau eines Einkaufszentrums rund 1,5 Mio Eu
ro schuldet. Zwei Firmen mussten deshalb bereits im vergangenen Jahr in die Insolvenz gehen. Das Einkaufszentrum ist fertig – gezahlt wurde nicht.
Mit der vor einigen Tagen eingebrachten Gesetzesinitiative, die unter anderem den Eigentumsvorbehalt von eingebauten Materialien bis zur vollständigen Bezahlung vorsieht, beweist die Thüringer Landesregierung Engagement für die Wirtschaft unseres Bundeslandes – und ganz besonders für die kleinen Betriebe.

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen unserer gemeinsamen Vereinbarung erzielten wir auch auf dem wirtschaftspolitisch ebenso wie für die Zukunft des Handwerks wichtigen Gebiet der Berufsausbildung Abre-chenbares. Mit der einjährigen Berufsfachschule, den Berufsorientierenden Schülerpraktika und der Ausbildung mit Zusatzqualifikation wie Kaufmännischer Fachwirt, Wirtschaftsenglisch oder PC-Wissen für Berufsschüler, die sich mit Abitur bewerben, haben wir gemeinsam attraktive und bedarfsorientierte Ausbildungswege ge-schaffen. Besonders die Initiativen in der Berufsbildung – ich denke da auch an solche Projekte wie den ersten gemeinsamen Studiengang mit dem Ziel, Gesellenbrief und Diplom zu erwerben – können die Arbeitsmarktsituation verbessern helfen. In den vergangenen Wochen hatten wir erfreulicherweise viele Gesellenfreisprechungen.

Doch leider liegt der Anteil derer, die die Prüfung zum Abschluss der Lehre bestehen, nur zwischen 70 und 80 Prozent! Hauptsächliche Ursachen: Ungenügende Beherrschung vom Mathematik und Deutsch. Dies und die Tatsache, dass schon seit einigen Jahren immer mehr Ausbildungsbewerber abgewiesen werden müssen wegen zu schlechter schulischer Leistungen, muss uns allen zu denken geben. Deshalb ist es unabdingbar, dass das Land Thüringen in die Bildung investiert. Bevor Lehrer entlassen und Schulen geschlossen werden, muss die Qualität der Bildung erhöht werden! Die PISA-Studie betreffend, kann ich nur sagen, dass wir Handwerker seit Jahren auf die Missstände in unserem Bildungssystem aufmerksam gemacht haben. Zwar nicht durch eine Studie mit wohlklingendem Namen, wohl aber mit der Erfahrung der Praxis. Leider hat man uns nicht zu gehört, uns nicht verstanden oder uns gar ignoriert. Jeder, der Kinder im schulpflichtigen Alter hat, kennt die Situation: Stundenausfall, unmotivierte Lehrkräfte, langweilige Vermittlung des Lehrinhaltes. Vielleicht sollten wir nach der Rechtschreibreform noch eine „Rechenreform“ einzuführen. Dann wäre ja alles richtig – offiziell -, auch, wenn man weltweit über uns lachen würde! Für den Arbeitsmarkt ist es unbedingt erforderlich, dass Arbeitslose nicht sinnlos weitergebildet oder umgeschult werden. Leider ist das noch immer so. Mit der angekündigten Reform der Bundesanstalt für Arbeit muss insbesondere endlich das Primat der Wertschöpfung am ersten Arbeitsmarkt festgeschrieben werden, bevor der zweite immer weiter aufgebläht wird. Dieser zweite Arbeitsmarkt muss geprüft, die Möglichkeiten optimiert und sein Umfang minimiert werden. Dazu gehört auch, dass Tarifflexibilität generell als offizielles Arbeitsmarktinstrument anerkannt und genutzt wird. Dass trotz der schwierigen Wirtschaftslage immerhin über 40 Prozent der klein- und mittelständischen Unternehmer Deutschlands zwar für Flächentarifverträge, aber mit mehr Flexibilität sind, belegt, dass die Unternehmer sozial denken und nicht den Manchesterkapitalismus wieder eirrichten wollen.

Auch wir Handwerker achten und schätzen unser deutsches Sozialsystem, doch heißt das nicht, dass dieses nicht reformbedürftig sei. Ebenso wie im Bereich der Steuern sollten möglichst bald alle die wirtschaftliche Entwicklung hemmenden, reglementierenden beziehungsweise belastenden Abgaben und Systeme auf den Prüfstand. Nach diesem „TÜV“ muss gründlich und durchaus nicht ad hoc, sondern mit Weitblick an Konzepten gearbeitet werden, die soziale Sicherheiten mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten koppelt und somit zur Gesundung der Situation insgesamt beitragen wird. Die beste „Sozialhilfe“ ist eine prosperierende Wirtschaft. Und das sollte das Ziel jeder Politik sein. Das Handwerk, sehr verehrte Anwesende, wird oft pauschal als „konservativ“ angesehen. Dass dies nicht so ist, beweisen täglich unsere Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister mit ihrer Arbeit. Sie stehen durchaus auf der Höhe der Zeit – in der technischen Ausstattung genauso wie im ökonomischen Handeln. In einem Bereich aber, das geben wir zu, sind wir „konservativ“ im besten Sinne des Wortes: Wir schätzen auch heute noch die oft als „Sekundärtugenden“ abgetanen Eigenschaften wie Fleiß, Wille, Leistungsbereitschaft und Kollegialität ebenso wie Ordnungssinn sehr. Und diesbezüglich gibt mir eines sehr zu denken. Zu viele hinterfragen das Wort von der Leistungsgesellschaft heute nur mit „Was kann ich mir leisten?“, statt mit „Was muss und kann ich leisten, um mir was leisten zu können?“ Alte Zöpfe sind nicht immer die schlechtesten, wenn die Haare gut pflegt und modern auffrisiert werden. Deshalb sollten wir in Deutschland wieder wesentlich mehr Wert auf eine werteorientierte Politik und Ausbildung legen. Denn bei den genannten Eigenschaften handelt es sich keineswegs um zweitrangige Tugenden, sondern um Grundtugenden. Es sind Tugenden, die uns insbesondere auch bei der EU-Ost-Erweiterung helfen können. Wir alle wollen das europäische Haus weiter aufbauen und begrüßen gern neue Mitglieder. Doch die strengen und harten Bedin-gungen, denen zum Beispiel die Bundesrepublik nach der Vereinigung hinsichtlich der Förderung der östlichen Bundesländer unterworfen wurde, müssen auch für jedes künftige Mitglied Grundlage für eine Aufnahme sein. Es nützt uns weder politisch noch wirtschaftlich etwas, wenn wir innerhalb der Europäischen Union mit immer größer werdenden Unterschieden insbesondere in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu kämpfen haben.

Deshalb ist es bei der geplanten Ost-Erweiterung unabdingbar,
1. die Erfüllung der Kriterien genau zu prüfen und
2. insbesondere die sowieso schon schwierige Lage der ostdeutschen Wirtschaft politisch zu unterstützen.
Die Ost-Erweiterung erfordert über die Steuerung von Brüssel hinaus eine besondere Leitung und Steuerung durch die Bundes- und Landesregierungen. Uns Handwerkern bringt die Ausdehnung Chancen und Neuorientierungen. Sicherlich werden polnische oder tschechische Handwerkskollegen verstärkt auf unseren Markt drängen. Doch warum sollten wir dies nicht nutzen, und unsererseits – vielleicht sogar im Verbund mit dortigen Kollegen – den östlichen Markt erschließen. Nutzen wir diese Chance, liebe Handwerkerkolleginnen und -kollegen! In unserer deutschen Handwerkstradition wäre es nicht das erste Mal, dass sich deutsches Handwerk Achtung und Marktanteile im Ausland erwirbt! Doch die Chancen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Politiker, können wir nicht ohne finanziellen Einsatz nutzen. Mit einer Eigenkapitalquote von nur zehn Prozent sind da die ostdeutschen Klein- und mittelständischen Unternehmer gegenüber ihren Kollegen in den alten Bundesländern um fast zwei Drittel schlechter und so für die Nutzung der Chance EU-Erweiterung ungenügend ausgestattet! Noch kritischer wird die finanzielle Situation, wenn das mit Basel II geforderte Rating Pflicht wird. Nicht nur, dass ungenügend Eigenkapital vorhanden ist: Mit den geplanten neuen Eigenkapitalvorschriften beim Kreditaufsichtsrecht werden die Banken noch zurückhaltender und kleinteilige Unternehmerkredite aufgrund der geringen Eigenkapitalquote noch teurer. Ein Teufelskreis für jeden Handwerksbetrieb. Hinzu kommt, dass in diesem Ratingprozess der Banken selbst Kleinbetriebe eine Umsatz- und Gewinnplanung für fünf Jahre vorlegen sollen – ein ungeheurer Mehraufwand, der auf die personalschwachen Handwerksbetriebe zukommt. Eine wichtigere Rolle werden zukünftig fürs Handwerk wohl Beteiligungen spielen müssen. Die bestehenden und zu erwartenden Schwierigkeiten müssen nun durch weitere langfristige Förderinstrumente gemildert werden. Eine besondere Rolle nimmt dabei in unserem Land die Thüringer Aufbaubank TAB ein.
Diese muss sich jedoch als Fördereinrichtung des Landes verstehen und nicht als Privatbank! Für die bisherige Unterstützung durch die TAB sagt das Thüringer Handwerk Dank. Viele Unternehmen konnten sich mit ihrer Hilfe weiterentwickeln. Auch im Rahmen der Mittelstandsbeteiligunsgesellschaft MBG, die an Bedeutung gewinnen wird. Doch wir verhehlen nicht, dass die Entscheidungswege bei der TAB für so manche Förderung einfach zu lang sind: Bis der Handwerksmeister überhaupt erfährt, ob ihm Hilfe zu teil wird oder nicht, hat in vielen Fällen die Zeit schon die Entscheidung gegen ihn gefällt, sind Bewerbungsfristen oder ähnliches abgelaufen. Zu schwerfällig, zu langsam – die Arbeitsphilosophie der TAB muss endlich ihrem Namen, der sie zur Förderung des Aufbaus unseres Landes verpflichtet, gerecht werden! Eine Aufgabe, die auch die Landesregierung strikter vermitteln muss!

Meine Damen und Herren,
neben den neuen Wegen, die Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer und Politiker gehen müssen, müssen auch die Gewerkschaften endlich mal von ihrem 70er-Jahre-Trip herunter: Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die mehr Menschen ein Einkommen zum Auskommen sichern, ist immer höheren Löhnen für sowieso schon Erwerbstätige vorzuziehen! Dass wir besonders in den neuen Bundesländern noch so weit dem westdeutschen Lohnniveau hinterherhinken, ist die Folge von einer besonders in den 70er und 80er Jahren völlig ohne Vernunft und Maß betriebenen Lohnforderungspolitik der alt-bundesdeutschen Gewerkschaften. Letztlich ihnen und solchen aktuell handelnden Personen wie dem Thüringer DGB-Chef Spieth ist die Verlängerung der Angleichungszeit der Einkommen zu danken. Nicht nur, dass sich Herr Spieth bezeichnenderweise nicht ein einziges Mal auf einem unserer Parlamentarischen Abende sehen ließ – er versteigt sich regelmäßig und immer wieder zu grotesken Äußerungen zum Mittelstand. Diese gipfelten erst jüngst in der Diskussion um das Tariftreuegesetz in den Worten: Das ostdeutsche Unternehmen, das nicht den Ortstarif auch in den alten Bundesländern zahlen könne, sei eben nicht marktfähig. Solch eine Realitätsferne aus dem Mund eines „Vertreters“ ostdeutscher Arbeitnehmer hätte dessen sofortige Abwahl nach sich ziehen müssen! Solche Worte belegen: Die Gewerkschaft opfert ostdeutsche Arbeitsplätze für den Ausbau West! Solche Arbeitnehmervertreter brauchen wir und unsere Beschäftigten nun wirklich nicht!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, verehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Damen und Herren,
in guter Tradition übergeben wir der Landesregierung heute wieder ein Positionspapier des Thüringer Handwerks mit den von mir hier angesprochenen Problemen. Das Papier dient im Rahmen der Vereinbarung mit der Landesregierung als Arbeitsgrundlage. Das Papier beinhaltet Kernpunkte unserer Handwerkswirtschaft. Ich bin fest überzeugt, dass wir in der Fortschreibung der Vereinbarung dort Lösungen finden, wo auf Landesebene Lösungen machbar sind. Vielleicht bringen uns die Kontakte und Gespräche am heutigen Abend diesbezüglich bereits erste Ideen. Den Auftakt soll die sich jetzt anschließende Gesprächsrunde machen, die von Robert Burdy vom MDR moderiert wird.

Gesprächsteilnehmer sind
Franz Schuster,
Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur,
Prof. Dr. Michael Krapp,
Kultusminister,
Dr. Kleinheyer
als Verbandsvorsitzender des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen,
Dr. Martin Heß,
Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thüringen,
Karl-Heinz Schneider,
Vizepräsident des Thüringer Handwerkstages,
und auch ich als Präsident des Thüringer Handwerkstages und Ihr Gastgeber.

Ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihr Kommen
und Ihre Aufmerksamkeit
und wünsche uns noch einen Abend mit interessanten und problemorientierten Gesprächen.
SPERRFRIST: bis Redebeginn am 21. März 2002
– Es gilt das gesprochene Wort!