jgengelbach – Seite 26 – Thüringer Handwerk -- archive.php --

Immer weniger Thüringer Handwerksbetriebe Pressemitteilung vom 15.05.2002

Erfurt, 15.05.2002

Immer weniger Thüringer Handwerksbetriebe

Die Zahl Thüringer Handwerksbetriebe nimmt immer weiter ab. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 2.577 Betriebe angemeldet, 3.037 Betriebe wurden ausgetragen. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Handwerksbetriebe von 29.165 im Jahr 2000 auf 28.705 Ende 2001. „Diese bedenkliche Entwicklung wird sich weiter fortsetzen, wenn die Wirtschaftspolitik nicht umfassend geändert wird“, warnt Rolf Ostermann, Präsident des Thüringer Handwerkstages. „Klein- und mittelständische Unternehmen sind die klaren Verlierer der letzten vier Jahre rot-grüner Wirtschaftspolitik. Das muss sich ändern!“ Es sei höchste Zeit für eine allgemeine Entbürokratisierung, weitgehende Deregulierungen für die ostdeutsche Wirtschaft und vor allem die Bekämpfung der Schwarzarbeit an ihren Wurzeln. „Denn besonders die hohen und steigenden Steuer- und Abgabenlasten machen ehrliche Arbeit immer unattraktiver.“

Die Zahlen für die drei Kammerbezirke:
Betriebe gesamt 2000: Erfurt 13.304, Ostthüringen 9.092, Südthüringen 6.769;
Betriebe gesamt Ende 2001: Erfurt 13.196, Ostthüringen 8.870, Südthüringen 6.639;
Anmeldungen/Abmeldungen im Jahr 2001: Erfurt 1.254/1.362, Ostthüringen
806/1.028, Südthüringen 517/647.

10. Parlamentarischer Abend des Thüringer Handwerks am 21. März 2002

Ansprache des Präsidenten des Thüringer Handwerkstages e.V., Rolf Ostermann,
anlässlich des 10. Parlamentarischen Abends des Thüringer Handwerks am 21. März 2002

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, Sie zum 10. Parlamentarischen Abend des Thüringer Handwerks begrüßen zu dürfen. Mein besonderer Gruß und Dank gilt unserer Landesregierung mit Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel an der Spitze sowie den Abgeordneten des Thüringer Landtags unter Führung der Präsidentin des Hohen Hauses, Frau Christine Lieberknecht.

Meine Damen und Herren,
seien sie mir alle herzlich willkommen, auch wenn ich die vielen weiteren honorigen Gäste nicht namentlich begrüße. Dieser Abend ist in zweifacher Hinsicht ein ganz besonderer. Zum Einen treffen wir uns nun schon zum zehnten Male; zum Anderen ist diese, nun schon zu einer Institution gewordene, regelmäßige Zusammenkunft und recht gut funktionierende Zusammenarbeit von Handwerk und Landespolitik nach wie vor beispielgebend in Deutschland. Wir im Thüringer Handwerk hatten stets vor Augen: es geht nur gemeinsam von Politik und Handwerk. Wir suchten ein effektives Podium und fanden dieses mit dem „Parlamentarischen Abend“, den wir Handwerker sozusagen in Thüringen eingeführt haben. Das war am 12. November 1992. Auch wenn der Parlamentarische Abend eine Veranstaltung mit regionalem Charakter ist und unser Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel einen großen Anteil an dessen Erfolg hat, bleibt der Zugriff auf die Bundespolitik nicht aus. Bei Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben wir gelernt, was Politik – hier konkret Landespolitik – mit Handwerk gemeinsam hat. Sie haben gezeigt, wie man durch Klarheit und Solidität Probleme des Lebens gemeinsam angehen kann. Und die Gemeinsamkeit besteht nicht etwa im gegenseitigen Schulterklopfen und in Scheinlösungen, sondern im Ausdiskutieren von Meinungen bis zu Lösungsansätzen.

Meine sehr geehrten Gäste,
in diesen Tagen ist der Bundestagswahlkampf bereits voll im Gange. Für uns heißt das, dass wir sehr sensibel mit schwierigen Themen umzugehen haben. Denn zur Erinnerung: der Thüringer Handwerkstag ist überparteilich. Wir pflegen den Kontakt zu allen demokratisch legitimierten Volksvertretern. Und dennoch richtet sich natürlicherweise unser kritisches Hauptaugenmerk an die politisch Verantwortlichen. Um dies zu untermauern, möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal die Stellung der Organisationen des Handwerks nahe bringen. Sowohl die Handwerkskammern als auch die Innungen als Basis der Landesinnungsverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das heißt, wir haben staatliche Hoheitsaufgaben übernommen – wir sind ein Stück Staat. Geregelt ist dies alles im Gesetz zur Ordnung des Handwerks, besser bekannt als Handwerksordnung. Beispielgebend möchte ich daraus den Paragraph 91 Absatz 3 nennen, der aussagt, dass die Handwerkskammer in allen wichtigen das Handwerk betreffenden Fragen gehört werden soll. Soweit zum Gesetzestext und zu unserem Selbstverständnis auch für diesen Abend. Sehr geehrte Damen und Herren, trotz guter Kontakte und Zusammenarbeit von Politik und Handwerk in Thüringen ist die Situation des Handwerks schwieriger denn je. Das liegt zu allererst an den von der Bundespolitik vorgegebenen Rahmenbedingungen. Die sinkende Zahl von klein- und mittelständischen Unternehmen ist den immer stärkeren und verworreneren Reglementierungen der klein- und mittelständischen Wirtschaft durch die Politik geschuldet – und nicht den durchaus auch auftretenden Schwächen einzelner Handwerksunternehmer! Das Handwerk – meine Damen und Herren – ist nicht nur in ganz Deutschland ein bedeutender Arbeitgeber. Die Zahlen sagen es: 850.000 Handwerksbetriebe stellen mit knapp 6 Millionen Beschäftigten den größten Wirtschaftszweig dar! Allein in unserem Freistaat stehen über 150.000 Frauen und Männer in Handwerksbetrieben in Lohn und Brot. Das Handwerk ist eine bedeutende gesellschaftliche Komponente, die von der rot-grünen Bundespolitik völlig unterschätzt wird. Die Regierung hat die Großindustrie in den vergangenen Jahren einseitig begünstig! Die Steuerreform reduzierte die Abgabenlast der Kapitalgesellschaften, die Körperschaftssteuer wurde gesenkt, Veräußerungsgewinne von Beteiligungen steuerlich frei gestellt. Wir überwiegend als Personengesellschaften firmierenden Handwerker schauen in die Röhre! Und deshalb auch ist die Lage des Handwerks besorg-niserregend.Bis zum Jahr 1998 ging’s mit dem Thüringer Handwerk bergauf, dann stagnierten Betriebs- und Beschäftigtenzahlen, und seit dem Jahr 2000 sinken sie.

Wissen Sie, geehrte Damen und Herren Politiker:
Wenn die Rahmenbedingungen zum Wirtschaften stimmen, dann gedeiht Handwerk von ganz alleine. Das liegt einfach daran, dass Frauen und Männer von der Idee beseelt sind, selbstständig etwas zu wagen, mit Selbstvertrauen und mit der eigenen Kraft für sich zu sorgen, für die eigene Familie. Und aus diesem Kraftquell entstehen Betriebsstrukturen, in denen Meister und Gesellen Platz finden. Das ist der klassische Handwerksbetrieb. In einem solchen Handwerksbetrieb gedeiht Wirtschaftlichkeit gleichermaßen wie Gemeinsinn. Da gehört die Verbindung von Tradition und Moderne zur Wachstumsphilosophie. Da gehört auch die Ausbildung von Lehrlingen dazu, kurzum – hier handelt es sich um ein mit viel Heimatliebe verbundenes Stück Prosperität unserer Heimat, unseres Landes Thüringen, und damit der Bundesrepublik! Und weil wir so auch immer das Ganze im Handwerkerblick haben, sollte es die Bundesregierung mindestens ebenso tun. Dass noch heute zu jedem passenden und unpassenden Anlass konstatiert wird, dass Ost und West immer weiter auseinanderdriften, statt sich zu nähern, ist maßgeblich der Bundespolitik der letzten Jahre zu verdanken! Immer mehr werden die ostdeutschen Bundesländer sich selbst überlassen. Dabei geht es nicht allein nur darum, hierzulande eine wirtschaftliche, und damit gesellschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und zu sichern. Es geht darum, endlich eine neue Bundesrepublik zu entwickeln und zu gestalten, die den Idealen ihrer Gründer entspricht. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Ost und West, von Politik und Wirtschaft in jedem Winkel Deutschlands. Dazu gehört auch, dass die deutsche Stimme in Europa endlich das ihr zustehende Gewicht bekommt. Nicht von ungefähr schwindet seit einigen Jahren die frühere mit führende Rolle der Bundesrepublik in Europa. Das ist eine Folge verfehlter politischer Richtungswechsel. Dies schlägt sich eben auch in der sinkenden Wirtschaftskraft des bevölkerungsreichsten europäischen Landes nieder. Und findet in den erschreckenden Ergebnissen der PISA-Studie für deutsche Schüler seinen Ausdruck. Statt die nationale Wirtschaft in konjunkturellen Krisen zu stützen und antizyklisch zu handeln, wird uns die „ruhige Hand“ verkauft. Und was alle Wirtschaftsexperten von Anfang an wussten, müsste auch der Bundeskanzler einsehen: eine nichtstuende Hand ist kein Konzept! Und wenn dann noch der Zahlenkünstler Hans Eichel auftritt und mit Bürger und Wirtschaft unseres Landes belastenden Versprechungen gegenüber der EU deren ja durchaus berechtigte Kritik in Form eines Brüsseler „Blauen Briefes“ abwendet, dann ist die Zeit Blauer Briefe für Mitglieder der Bundesregierung gekommen. Ein Adressat neben Eichel wäre unser „Wirtschaftsverhinderungsminister“ Riester. Er macht seinem Namen durchaus alle Ehre: Die Schuhmachermeister unter unseren Handwerkskollegen schätzen den Riester, den Lederflecken, schon. Doch sie entscheiden gewissenhaft, welches Loch wie mit dem Riester gestopft werden kann. Von gewissenhaften Überlegungen vorm Löcherstopfen ist bei Minister Riester jedoch nichts zu spüren. Da wird aktionistisch „auf Teufel komm raus!“ an jedem Zipfel der zu kurzen Decke gezerrt – reine Flickschusterei eben! Auch nicht ein Hauch von Langzeitkonzeptionen ist in Riesters Handeln zu spüren. Das belegt in diesen Wochen auch wieder der Skandal um die Bundesanstalt für Arb
eit: Mit Schnellschüssen aus der Hüfte soll da gleich mal die eine Datenfälschung durch eine andere, sanktionierte ersetzt werden, um damit von der Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung abzulenken. Und die klein- und mittelständische Wirtschaft als großer Arbeitsplatzanbieter kommt in den Gedanken des früheren Gewerkschaftsfunktionärs Riester gar nicht mehr vor!

Sehr geehrte Damen und Herren,
jedes Gesetz, das dazu führt, dass Arbeit besser bezahlt werden kann und wird als Nichtarbeit, ist für Unternehmer, Angestellte und Arbeitssuchende ein gutes Gesetz. Und solch gute Gesetze – meine Damen und Herren – würden viel helfen, dass weniger schwarz gearbeitet würde. Die Schwarzarbeit in Deutschland kommt uns enorm teuer zu stehen: Unvorstellbare 350 Milliarden Euro sollen nach Schätzung der Finanzbehörden an Fiskus und Sozialkassen vorbei erarbeitet werden! – Von den hinterzogenen Sozialbeiträgen bis zu den Kosten für das Aufspüren der Schwarzarbeiter sowie für die Ermittlungen gegen sie und deren Auftraggeber. Von dem Auftragsvolumen, das dabei insbesondere dem ehrbaren Handwerk verloren geht, ganz zu schweigen! Und das Schlimmste daran ist: Es geschieht täglich unter unser aller Augen, obwohl die Schwarzarbeit unter Strafe steht. Aber die Strafen schrecken niemanden ab, viel zu groß ist der wirtschaftliche Druck einerseits und die Verlockung andererseits. Stellen Sie sich – sozusagen als Horrorvision – vor, jemand würde die Schwarzarbeit auch noch organisieren …! Und auch die mit dem Bundesgesetz zur Eindämmung illegaler Beschäftigung festgeschriebene Vorlage einer Freistellungsbescheinigung ist kein wirksames Konzept gegen Schwarzarbeit. Statt nachhaltig etwas gegen dieses „nationale Geschwür“ zu tun, begnügt sich die Bundesregierung mit der Sicherung ihres eigenen Anspruchs auf Abgaben aus Arbeit in Form der pauschalen 15 Prozent! Und dafür nimmt sie auch noch eine weitere Bürokratisierung in Kauf.

Meine Damen und Herren,
wenn sich unser Thüringer Landesvater bestimmten Problemen besonders annimmt,dann geschieht das solide, konzentriert, lösungsorientiert und ohne Theaterdonner. Eher mit einer dem Anlass angepassten „Begleitmusik“. Furchteinflößend dagegen sind die Drohungen des Bundeskanzlers, wenn der wieder mal eine Angelegenheit zur Chefsache macht. Ganz im Stile seiner „ruhigen Hand“ muss man Stillstand oder eher noch Rückschritt befürchten. Statt realistischen, kompetenten und finanzierbaren Problemlösungen kommt dann solch Populistisch-Aktionistisches heraus wie das Gesetz zu den 325-Euro-Jobs, das Tariftreuegesetz oder das Be-triebsverfassungsgesetz. Allein dieses Arbeitnehmervertretungsgesetz erhöht den Aufwand für mittelständische Unternehmen enorm und schlägt mit rund einer Milliarde Euro zu Buche! Das Tariftreuegesetz im jetzigen Entwurf, meine Damen und Herren, eignet sich besonders gut, um den Charakter der „Chefsache Ost“ zu erläutern. Um gleich allen Diskussionen vorzubeugen: Wir Handwerker sind für Tariftreue, allerdings für die Tarife, die am Firmensitz gelten, und nicht für die, die am Erfüllungsort zu leisten sind. Im Klartext fordert das Gesetz nämlich, dass ostdeutsche Handwerker aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in unserer Heimat von Aufträgen im „reichen Westen“ unseres Vaterlandes ausgeschlossen werden! Das ostdeutsche Bundestagsmitglied, das solchen Gesetzen zustimmt, hat den Namen Volksvertreter nicht mehr verdient! Allerdings soll an dieser Stelle auch die zu diesem Thema unrühmliche Haltung unseres eigenen Zentralverbandes nicht verschwiegen werden: Gegen die Stimmen der Osthandwerkskammern und ganz besonders gegen die Stimmen aus Thüringen und Sachsen hat dieser dem Gesetz im „Namen des Handwerks“ zugestimmt. Aber zurück zur Bundesrepublik. Da ist nicht nur Lobbyismus für die Westkollegen, das ist ein Skandal! Auch mit der halbherzigen Verteidigung der Interessen des deutschen Mittelstandes bei den Basel-II-Diskussionen beweist der Bundeskanzler nicht gerade Wirtschaftskompetenz! Wir fühlen uns hier von der Bundesregierung im Stich gelassen! Und wo, bitte schön, bleibt denn Schröders klarer Blick, wenn Kassenwart Eichel den Klein- und mittelständischen Unternehmern ungestraft vorhalten darf: Deren „Jammern“ solle ein Ende nehmen, die 30 Milliarden Euro Steuerersparnis sollten erst mal investiert werden?! Diese angebliche 30-Milliarden-Entlastung hat der Mittelstand nie erfahren können, fressen doch gerade in kleinen und mittelständischen Betrieben neue und höhere Belastungen wie die Ökosteuer jede Entlastung auf. Doch für die rot-grüne Bundesregierung liegt fast ausschließlich das Wohlergehen der großen Konzerne und Monopole am Herzen. Denn wenn es um die Rettung eines Baukonzerns auf Kosten des Handwerks und des Mittelstandes geht, hält der Herr Bundeskanzler seine Hände plötzlich nicht still! Ähnlich muss man die Stützung bei Monopolen wie zum Beispiel Post, Telekom oder Bahn werten. Dabei sind es gerade solche Großunternehmen – und nicht Handwerk und Mittelstand!
– die in den letzten Jahren die meisten Arbeitsplätze in Deutschland vernichteten, zumeist durch Auslagerung ins Ausland.

Sehr geehrte Gäste,
unsere Erfahrungen hier in Thüringen – nämlich, dass das Handwerk sich offensiv an die Politik wendet und auf Landesebene nicht ganz unwesentliche Ergebnisse erzielt werden konnten – werden wir nutzen, und in den kommenden Monaten des Bundestagswahlkampfes mit konkreten Wahlprüfsteinen Parteien und Personen zu Kernpunkten der wirtschaftlichen Entwicklung, ganz besonders bezüglich des Handwerks befragen. Und zwar ganz unnachgiebig! Dabei erwarten wir, dass unsere Fragen ernst genommen werden. Und wir erwarten Antworten, die nicht aus 1001 Nacht, sondern aus der deutschen Realität 2002 entspringen: also realistische und umsetzbare Konzeptionen! Dabei setzen wir durchaus auch auf Sie, liebe Damen und Herren Politiker aus Thürin-gen:
Sie sollten sich und Ihre Parteien darauf vorbereiten, dass das Thüringer Handwerk diesmal bei der Kandidatenprüfung eine noch höhere Elle anlegt. Und Sie sollten die hiesigen Erfahrungen der vergangenen Jahre in der Zusammenarbeit von Politik und Handwerk mit einbringen: Wir haben gemeinsam bewiesen, dass man sich verständigen und manches verbessern kann – wenn man sich als gleichberechtigte Partner ansieht und achtet! Denn im Ergebnis unserer Parlamentarischen Abende schlossen die Thüringer Landesregierung und der Thüringer Handwerkstag vor zwei Jahren eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit. Beide Seiten – der Thüringer Handwerkstag und die Landesregierung – schätzen die Zusammenarbeit auf dieser Grundlage und sehen echte Erfolge: Dass es in Thüringen jetzt eine Vergabe-Mittelstandsrichtlinie gibt, ist zum Beispiel ein Ergebnis der Zusammenarbeit. Das ist ein Erfolg! Und wenn die Landesregierung nun noch die Umsetzung der Richtlinie besonders im kommunalen Bereich befördert, würde das dem Thüringer Handwerk spürbar zugute kommen können. So müssen die öffentlichen Auftraggeber unbedingt angehalten werden, bei Auftragsvergabe unangemessen niedrige Angebote von der Vergabe konsequent auszuschließen. Auch im Kampf gegen die Schwarzarbeit engagiert sich das Land und fördert durch personelle Aufstockungen und organisatorische Veränderungen die Verfolgung der betrügerisch Tätigen. Ein für uns besonders wichtiger Schritt ist, dass sich unsere Landesregierung ebenso wie die sächsische mit der Initiative zu einem Unternehmer-Sicherungsgesetz für eine Nachbesserung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlen einsetzt. Die kurzsichtigen Gesetzesmacher hatten zwar viel Papier beschrieben und in Hunderte Mikrofone geredet – doch das Ergebnis??? Nicht eine Mark oder ein Euro sind aufgrund dieses Gesetzes schneller geflossen. Trotz des Zahlungsmoral-Gesetzes wird nicht einmal jede zehnte Handwerker-Rechnung pünktlich bezahlt. Ja, Sie haben richtig gehört: nicht einmal jede zehnte Rechnung! Jüngstes Beispiel ist die Situation von 30 Erfurter Handwerksfirmen, denen die Ortus GmbH als Auftraggeber für den Bau eines Einkaufszentrums rund 1,5 Mio Eu
ro schuldet. Zwei Firmen mussten deshalb bereits im vergangenen Jahr in die Insolvenz gehen. Das Einkaufszentrum ist fertig – gezahlt wurde nicht.
Mit der vor einigen Tagen eingebrachten Gesetzesinitiative, die unter anderem den Eigentumsvorbehalt von eingebauten Materialien bis zur vollständigen Bezahlung vorsieht, beweist die Thüringer Landesregierung Engagement für die Wirtschaft unseres Bundeslandes – und ganz besonders für die kleinen Betriebe.

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen unserer gemeinsamen Vereinbarung erzielten wir auch auf dem wirtschaftspolitisch ebenso wie für die Zukunft des Handwerks wichtigen Gebiet der Berufsausbildung Abre-chenbares. Mit der einjährigen Berufsfachschule, den Berufsorientierenden Schülerpraktika und der Ausbildung mit Zusatzqualifikation wie Kaufmännischer Fachwirt, Wirtschaftsenglisch oder PC-Wissen für Berufsschüler, die sich mit Abitur bewerben, haben wir gemeinsam attraktive und bedarfsorientierte Ausbildungswege ge-schaffen. Besonders die Initiativen in der Berufsbildung – ich denke da auch an solche Projekte wie den ersten gemeinsamen Studiengang mit dem Ziel, Gesellenbrief und Diplom zu erwerben – können die Arbeitsmarktsituation verbessern helfen. In den vergangenen Wochen hatten wir erfreulicherweise viele Gesellenfreisprechungen.

Doch leider liegt der Anteil derer, die die Prüfung zum Abschluss der Lehre bestehen, nur zwischen 70 und 80 Prozent! Hauptsächliche Ursachen: Ungenügende Beherrschung vom Mathematik und Deutsch. Dies und die Tatsache, dass schon seit einigen Jahren immer mehr Ausbildungsbewerber abgewiesen werden müssen wegen zu schlechter schulischer Leistungen, muss uns allen zu denken geben. Deshalb ist es unabdingbar, dass das Land Thüringen in die Bildung investiert. Bevor Lehrer entlassen und Schulen geschlossen werden, muss die Qualität der Bildung erhöht werden! Die PISA-Studie betreffend, kann ich nur sagen, dass wir Handwerker seit Jahren auf die Missstände in unserem Bildungssystem aufmerksam gemacht haben. Zwar nicht durch eine Studie mit wohlklingendem Namen, wohl aber mit der Erfahrung der Praxis. Leider hat man uns nicht zu gehört, uns nicht verstanden oder uns gar ignoriert. Jeder, der Kinder im schulpflichtigen Alter hat, kennt die Situation: Stundenausfall, unmotivierte Lehrkräfte, langweilige Vermittlung des Lehrinhaltes. Vielleicht sollten wir nach der Rechtschreibreform noch eine „Rechenreform“ einzuführen. Dann wäre ja alles richtig – offiziell -, auch, wenn man weltweit über uns lachen würde! Für den Arbeitsmarkt ist es unbedingt erforderlich, dass Arbeitslose nicht sinnlos weitergebildet oder umgeschult werden. Leider ist das noch immer so. Mit der angekündigten Reform der Bundesanstalt für Arbeit muss insbesondere endlich das Primat der Wertschöpfung am ersten Arbeitsmarkt festgeschrieben werden, bevor der zweite immer weiter aufgebläht wird. Dieser zweite Arbeitsmarkt muss geprüft, die Möglichkeiten optimiert und sein Umfang minimiert werden. Dazu gehört auch, dass Tarifflexibilität generell als offizielles Arbeitsmarktinstrument anerkannt und genutzt wird. Dass trotz der schwierigen Wirtschaftslage immerhin über 40 Prozent der klein- und mittelständischen Unternehmer Deutschlands zwar für Flächentarifverträge, aber mit mehr Flexibilität sind, belegt, dass die Unternehmer sozial denken und nicht den Manchesterkapitalismus wieder eirrichten wollen.

Auch wir Handwerker achten und schätzen unser deutsches Sozialsystem, doch heißt das nicht, dass dieses nicht reformbedürftig sei. Ebenso wie im Bereich der Steuern sollten möglichst bald alle die wirtschaftliche Entwicklung hemmenden, reglementierenden beziehungsweise belastenden Abgaben und Systeme auf den Prüfstand. Nach diesem „TÜV“ muss gründlich und durchaus nicht ad hoc, sondern mit Weitblick an Konzepten gearbeitet werden, die soziale Sicherheiten mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten koppelt und somit zur Gesundung der Situation insgesamt beitragen wird. Die beste „Sozialhilfe“ ist eine prosperierende Wirtschaft. Und das sollte das Ziel jeder Politik sein. Das Handwerk, sehr verehrte Anwesende, wird oft pauschal als „konservativ“ angesehen. Dass dies nicht so ist, beweisen täglich unsere Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister mit ihrer Arbeit. Sie stehen durchaus auf der Höhe der Zeit – in der technischen Ausstattung genauso wie im ökonomischen Handeln. In einem Bereich aber, das geben wir zu, sind wir „konservativ“ im besten Sinne des Wortes: Wir schätzen auch heute noch die oft als „Sekundärtugenden“ abgetanen Eigenschaften wie Fleiß, Wille, Leistungsbereitschaft und Kollegialität ebenso wie Ordnungssinn sehr. Und diesbezüglich gibt mir eines sehr zu denken. Zu viele hinterfragen das Wort von der Leistungsgesellschaft heute nur mit „Was kann ich mir leisten?“, statt mit „Was muss und kann ich leisten, um mir was leisten zu können?“ Alte Zöpfe sind nicht immer die schlechtesten, wenn die Haare gut pflegt und modern auffrisiert werden. Deshalb sollten wir in Deutschland wieder wesentlich mehr Wert auf eine werteorientierte Politik und Ausbildung legen. Denn bei den genannten Eigenschaften handelt es sich keineswegs um zweitrangige Tugenden, sondern um Grundtugenden. Es sind Tugenden, die uns insbesondere auch bei der EU-Ost-Erweiterung helfen können. Wir alle wollen das europäische Haus weiter aufbauen und begrüßen gern neue Mitglieder. Doch die strengen und harten Bedin-gungen, denen zum Beispiel die Bundesrepublik nach der Vereinigung hinsichtlich der Förderung der östlichen Bundesländer unterworfen wurde, müssen auch für jedes künftige Mitglied Grundlage für eine Aufnahme sein. Es nützt uns weder politisch noch wirtschaftlich etwas, wenn wir innerhalb der Europäischen Union mit immer größer werdenden Unterschieden insbesondere in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu kämpfen haben.

Deshalb ist es bei der geplanten Ost-Erweiterung unabdingbar,
1. die Erfüllung der Kriterien genau zu prüfen und
2. insbesondere die sowieso schon schwierige Lage der ostdeutschen Wirtschaft politisch zu unterstützen.
Die Ost-Erweiterung erfordert über die Steuerung von Brüssel hinaus eine besondere Leitung und Steuerung durch die Bundes- und Landesregierungen. Uns Handwerkern bringt die Ausdehnung Chancen und Neuorientierungen. Sicherlich werden polnische oder tschechische Handwerkskollegen verstärkt auf unseren Markt drängen. Doch warum sollten wir dies nicht nutzen, und unsererseits – vielleicht sogar im Verbund mit dortigen Kollegen – den östlichen Markt erschließen. Nutzen wir diese Chance, liebe Handwerkerkolleginnen und -kollegen! In unserer deutschen Handwerkstradition wäre es nicht das erste Mal, dass sich deutsches Handwerk Achtung und Marktanteile im Ausland erwirbt! Doch die Chancen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Politiker, können wir nicht ohne finanziellen Einsatz nutzen. Mit einer Eigenkapitalquote von nur zehn Prozent sind da die ostdeutschen Klein- und mittelständischen Unternehmer gegenüber ihren Kollegen in den alten Bundesländern um fast zwei Drittel schlechter und so für die Nutzung der Chance EU-Erweiterung ungenügend ausgestattet! Noch kritischer wird die finanzielle Situation, wenn das mit Basel II geforderte Rating Pflicht wird. Nicht nur, dass ungenügend Eigenkapital vorhanden ist: Mit den geplanten neuen Eigenkapitalvorschriften beim Kreditaufsichtsrecht werden die Banken noch zurückhaltender und kleinteilige Unternehmerkredite aufgrund der geringen Eigenkapitalquote noch teurer. Ein Teufelskreis für jeden Handwerksbetrieb. Hinzu kommt, dass in diesem Ratingprozess der Banken selbst Kleinbetriebe eine Umsatz- und Gewinnplanung für fünf Jahre vorlegen sollen – ein ungeheurer Mehraufwand, der auf die personalschwachen Handwerksbetriebe zukommt. Eine wichtigere Rolle werden zukünftig fürs Handwerk wohl Beteiligungen spielen müssen. Die bestehenden und zu erwartenden Schwierigkeiten müssen nun durch weitere langfristige Förderinstrumente gemildert werden. Eine besondere Rolle nimmt dabei in unserem Land die Thüringer Aufbaubank TAB ein.
Diese muss sich jedoch als Fördereinrichtung des Landes verstehen und nicht als Privatbank! Für die bisherige Unterstützung durch die TAB sagt das Thüringer Handwerk Dank. Viele Unternehmen konnten sich mit ihrer Hilfe weiterentwickeln. Auch im Rahmen der Mittelstandsbeteiligunsgesellschaft MBG, die an Bedeutung gewinnen wird. Doch wir verhehlen nicht, dass die Entscheidungswege bei der TAB für so manche Förderung einfach zu lang sind: Bis der Handwerksmeister überhaupt erfährt, ob ihm Hilfe zu teil wird oder nicht, hat in vielen Fällen die Zeit schon die Entscheidung gegen ihn gefällt, sind Bewerbungsfristen oder ähnliches abgelaufen. Zu schwerfällig, zu langsam – die Arbeitsphilosophie der TAB muss endlich ihrem Namen, der sie zur Förderung des Aufbaus unseres Landes verpflichtet, gerecht werden! Eine Aufgabe, die auch die Landesregierung strikter vermitteln muss!

Meine Damen und Herren,
neben den neuen Wegen, die Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer und Politiker gehen müssen, müssen auch die Gewerkschaften endlich mal von ihrem 70er-Jahre-Trip herunter: Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die mehr Menschen ein Einkommen zum Auskommen sichern, ist immer höheren Löhnen für sowieso schon Erwerbstätige vorzuziehen! Dass wir besonders in den neuen Bundesländern noch so weit dem westdeutschen Lohnniveau hinterherhinken, ist die Folge von einer besonders in den 70er und 80er Jahren völlig ohne Vernunft und Maß betriebenen Lohnforderungspolitik der alt-bundesdeutschen Gewerkschaften. Letztlich ihnen und solchen aktuell handelnden Personen wie dem Thüringer DGB-Chef Spieth ist die Verlängerung der Angleichungszeit der Einkommen zu danken. Nicht nur, dass sich Herr Spieth bezeichnenderweise nicht ein einziges Mal auf einem unserer Parlamentarischen Abende sehen ließ – er versteigt sich regelmäßig und immer wieder zu grotesken Äußerungen zum Mittelstand. Diese gipfelten erst jüngst in der Diskussion um das Tariftreuegesetz in den Worten: Das ostdeutsche Unternehmen, das nicht den Ortstarif auch in den alten Bundesländern zahlen könne, sei eben nicht marktfähig. Solch eine Realitätsferne aus dem Mund eines „Vertreters“ ostdeutscher Arbeitnehmer hätte dessen sofortige Abwahl nach sich ziehen müssen! Solche Worte belegen: Die Gewerkschaft opfert ostdeutsche Arbeitsplätze für den Ausbau West! Solche Arbeitnehmervertreter brauchen wir und unsere Beschäftigten nun wirklich nicht!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, verehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Damen und Herren,
in guter Tradition übergeben wir der Landesregierung heute wieder ein Positionspapier des Thüringer Handwerks mit den von mir hier angesprochenen Problemen. Das Papier dient im Rahmen der Vereinbarung mit der Landesregierung als Arbeitsgrundlage. Das Papier beinhaltet Kernpunkte unserer Handwerkswirtschaft. Ich bin fest überzeugt, dass wir in der Fortschreibung der Vereinbarung dort Lösungen finden, wo auf Landesebene Lösungen machbar sind. Vielleicht bringen uns die Kontakte und Gespräche am heutigen Abend diesbezüglich bereits erste Ideen. Den Auftakt soll die sich jetzt anschließende Gesprächsrunde machen, die von Robert Burdy vom MDR moderiert wird.

Gesprächsteilnehmer sind
Franz Schuster,
Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur,
Prof. Dr. Michael Krapp,
Kultusminister,
Dr. Kleinheyer
als Verbandsvorsitzender des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen,
Dr. Martin Heß,
Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thüringen,
Karl-Heinz Schneider,
Vizepräsident des Thüringer Handwerkstages,
und auch ich als Präsident des Thüringer Handwerkstages und Ihr Gastgeber.

Ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihr Kommen
und Ihre Aufmerksamkeit
und wünsche uns noch einen Abend mit interessanten und problemorientierten Gesprächen.
SPERRFRIST: bis Redebeginn am 21. März 2002
– Es gilt das gesprochene Wort!

Positionspapier
anlässlich des 10. Parlamentarischen Abends des Thüringer Handwerks
am 21. März 2002 in Erfurt

Positionspapier anlässlich des 10. Parlamentarischen Abends des Thüringer Handwerks am 21. März 2002 in Erfurt

Wirtschaftliche Grundsatzfragen

Die Bilanz zur wirtschaftlichen Situation zu Beginn des Jahres 2002 ist ernüchternd.
DieBundesrepublik hat im internationalen Vergleich der führendenIndustrienationen weiter an Boden verloren.Die größte Verschuldung unddas geringste Wachstum in der EU sind beschämend für die BundesrepublikDeutschland. Dabei sind die bescheidenen Wachstumsraten beimBruttoinlandsprodukt der letzten Jahre fast ausnahmslos der Export w irtschaft zu verdanken, die wiederum von der deutlichen Abwertung desEuro gegenüber dem Dollar profitierte. Somit ist dasWirtschaftswachstum kein Ergebnis von Strukturverbesserungen.
Die Bundesregierung sollte nicht auf globale Impulse hoffen, sondern durch eigene Weichenstellung
Wachstumsimpulse geben.
InVorbereitung der Bundestagswahl 2002 muss ein Programm für die ZukunftDeutschlands formuliert werden, in dessen Inhalt ein glaubhafter unddurchgreifender Reformwille dokumentiert ist. Dieser Reformwille musssich in den Wirtschafts-, Sozial- und gesellschaftlichen Bereichendeutlich darstellen. Insbesondere geht es hierbei um folgendeSchwerpunkte:
– Beschleunigung der Unternehmenssteuerreform
– Rückführung der Öko-Steuer
– Umgestaltung der beitragsfinanzierten Sicherungssysteme
– Senkung der Lohnzusatzkosten auf unter 40%
– Deregulierung des Arbeitsmarktes und Erhöhung der Flexibilität
– Reform des Bildungswesens

Vor diesem Hintergrund erwartet das Thüringer Handwerk von derLandesregierung weiterhin eine deutliche Unterstützung bei derGestaltung einer handwerks- und damit mittelstandsfreundlichen Politik,verbunden mit einer zielgerichteten Einflussnahme auf dieBundespolitik. Anlässlich des 10. Parlamentarischen Abends hat derThüringer Handwerkstag e.V. erneut aktuelle Probleme in Form einesPositionspapieres erarbeitet.
Diese „Bestandsaufnahme“ enthältProblemstellungen auf Bundes- und Landesebene und ist an allepolitischen Verantwortungsträger in Thüringen gerichtet. Hierbei gehtes einerseits um die konkrete Umsetzung innerhalb der Landespolitik,als auch um die Einflussnahme im Rahmen der Mitbestimmung in Bundestagund Bundesrat. Die zentrale Zielstellung des Thüringer Handwerkstagese.V. ist und bleibt die Erreichung optimaler Rahmenbedingungen für dieHandwerksbetriebe.
Hierzu haben die im Thüringer Handwerkstag e.V. organisierten Kammern und Verbände nachfolgend wesentliche Eckpunkte formuliert:

1. Wirtschaftspolitik
Die Wirtschaftspolitik ist darauf zurichten, die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit derHandwerksunternehmen nachhaltig zu sichern. Hierbei sind die bewährtenInstrumentarien beizubehalten bzw. bedarfsgerecht zu modifizieren.

1.1.
Das am 01.05.2000 in Kraft getretene Gesetz zurBeschleunigung fälliger Zahlungen hat das Ziel der Verbesserung derZahlungsmoral nicht im Ansatz erreicht. Das Handwerk begrüßt dieInitiative des Thüringer Justizministers in der Bundesratsinitiativezum „Forderungssicherungsgesetz“. Der entsprechende Kabinettsbeschlusszeigt, dass die Landesregierung an der Seite der Handwerker steht. DasThüringer Handwerk erwartet nunmehr eine kurzfristige Umsetzung desvorliegenden Gesetzentwurfes im Bundesrat.

1.2.
Der Entschließungsantrag der CDU-Bundestagsfraktion“Arbeitsplätze statt Tariftreuegesetz“ wird vom Thüringer Handwerkstage.V. begrüßt. Vor dem Hintergrund der immer enger werdenden rot-grünenReglementierungsschraube würde die Verabschiedung desTariftreuegesetzes das „Wirtschaftliche Aus“ für eine Vielzahl von Bau-und Ausbaubetrieben bedeuten. Im Ausbaugewerbe wird die Situation durchdas Bestehen verschiedener Regionaltarife zusätzlich erschwert. DerEntwurf des Tariftreuegesetzes in der vorliegenden Form wird vomThüringer Handwerk grundsätzlich abgelehnt.

1.3.
Im Rahmen der öffentlichen Vergabe sind Maßnahmen gefragt,die eine gerechte Vergabepolitik sichern und somit einen ausgewogenenWettbewerb zwischen den Anbietern gewährleisten. Seitens des Handwerksmuss weiterhin festgestellt werden, dass die bestehendeVergabe-Mittel-standsrichtlinie seitens der kommunalen Auftraggebernach wie vor nicht konsequent umgesetzt wird. Hier sind dieöffentlichen Auftraggeber anzuhalten, bei Auftragsvergabe unangemessenniedrige Angebote von der Auftragsvergabe konsequent auszuschließen.Ziel muss es im Interesse des Thüringer Handwerks sein, durch Prüfungder Angebote wettbewerbswidrigem Verhalten entgegenzuwirken.

1.4.
Das Thüringer Handwerk fordert eine Beschleunigung desAusbaus der Schienenwege, der Autobahnen sowie der Bundes- undLandstraßen. Im Rahmen geplanter Infrastrukturmaßnahmen sollte dieNutzung von gekoppelten Vorfinanzierungsmöglichkeiten durch private undöffentliche Geldgeber geprüft werden.

1.5.
Die Umsetzung der Energieeinsparverordnung mit dem Zieleiner deutlichen Verminderung der CO2-Emissionen bedarf einer Regelungdes Vollzuges seitens der Bundesländer. Der Thüringer Handwerkstag e.V.richtet an die Landesregierung die Bitte, eine klare undwirtschaftsnahe Regelung zum Vollzug zu finden, die allen betroffenenGewerken gerecht wird.

2. Finanz- und Steuerpolitik

2.1.
Die Ökosteuer hat das gesteckte Ziel nicht erreicht. Dieangestrebte Beitragsentlastung für Arbeitnehmer und Unternehmen hatnicht den nachhaltigen Erfolg gebracht. Auch die angestrebteRückführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages deutlich unter 40 %wurde trotz Ökosteuer verfehlt. Insbesondere die energieintensivenHandwerksbetriebe sind durch die Ökosteuer belastet. Die Besteuerungdes Sockelbetrages führt zu einer überproportionalen Belastung derkleinen und mittleren Unternehmen. Die Ökosteuer wird daher vomThüringer Handwerk weiterhin abgelehnt.

2.2.
Durch den Thüringer Handwerkstag e.V. wurde schon mehrfachdie steuerliche Anerkennung von Handwerkerrechnungen des Bau- undAusbaugewerbes für private Auftraggeber und/oder die Halbierung dergesetzlichen Mehrwertsteuer gefordert. Dies würde zu einer Eindämmungder Schwarzarbeit und damit zu einer verstärkten Nachfrage nachHandwerkerleistungen führen. Darüber hinaus fordert das ThüringerHandwerk, verschärfte Sanktionen gegenüber Schwarzarbeitern undAuftraggebern von Schwarzarbeit zu ergreifen.

2.3.
Zur Unterstützung der ostdeutschen Handwerksunternehmen istdie Umsatzsteuerabführung generell nach den vereinnahmten Entgeltenvorzunehmen.

2.4.
Ein generelles Problem für kleine und mittlere Unternehmenist die zu geringe Finanzausstattung. Steigende Forderungsausfälle,hohe Lohnzusatzkosten und Abgabenbelastungen haben zu rückläufigenErträgen geführt und verursachen einen zunehmenden Bedarf anFremdmitteln. Erschwert wird diese Situation durch sich vollziehendeVeränderungen bei den Finanzierungsangeboten der Banken. Diebestehenden Thüringer Programme, wie z.B. das Programm Gründungs- undWachstumsfinanzierung (GuW) haben sich zwar bewährt, greifen jedoch imBereich Bau- und Ausbau kaum, da sich viele Kreditinstitute nichtbeteiligen. Insbesondere die Privatbanken ziehen sich zunehmend aus demmittelständischen Kreditgeschäft zurück. Verschärft wird dieseSituation durch die Beschlüsse des „Baseler Ausschusses fürBankenaufsicht“. Hier bedarf es einer verbesserten Verständigungzwischen Politik, Kreditwirtschaft und der Wirtschaft.

2.5.
In den letzten Jahren hat sich die Finanzkraft der Kommunenpermanent verschlechtert. Die damit verbundenen Auswirkungen auf dieInvestitionsfähigkeit der Städte und Gemeinden führten zu einemweiteren Rückgang der öffentlichen Investitionen und somit zu einerdeutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der kleinenund mittleren Unternehmen des Bau- und Ausbaugewerbes. DieBundesregierung muss die Investitionsfähigkeit der Städte und Gemeindenwieder herstellen. Hierzu bedarf es einer verstärkten Einflussnahme derLandesregierung.

2.6.
Im Einklang mit den Empfehlungen der Enquetekommis
sion“Wirtschaftsförderung in Thüringen“ fordert der Thüringer Handwerkstage. V., die seit 2002 eingeschränkte Investitionszulage wieder für alleHandwerksunternehmen zu öffnen. Die bewährten Förderinstrumente desLandes sind beizubehalten. Grundsätzlich sollte bei deren zukünftigerGestaltung Augenmerk auf die Ausgewogenheit bei der Förderung vonbestehenden Betrieben und Existenzgründern gelegt werden.

3. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

3.1.
Der Thüringer Handwerkstag e.V. fordert von derLandesregierung die Unterstützung zu einer unternehmensfreundlichenArbeitsmarktpolitik. Dabei geht es schwerpunktmäßig um eine weitereVerknüpfung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung zur Verhinderungder Konkurrenz zwischen dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt. DieForderung der Wirtschaft besteht unverändert darin, die Förderung deszweiten Arbeitsmarktes zu reduzieren und verstärkt diebeschäftigungsschaffende Infrastruktur zu fördern, um somit positiveImpulse für den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Bei einerErwerbslosenquote von über 17 % in Thüringen besteht die dringendeNotwendigkeit einer bedarfsgerechten Qualifizierung von Arbeitslosen,um den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern.

3.2.
Rechtsanspruch auf Teilarbeitszeit, Kündigungsschutzgesetzin der vorliegenden Form, 100 %ige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,überzogenes Betriebsverfassungsgesetz und die aus Sicht des Handwerksüberreglementierte geringfügige Beschäftigung sind nur einigeBeispiele, mit denen die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) inswirtschaftliche Abseits gedrängt werden. Hier bedarf es dringend einerReform seitens der Bundesregierung.

3.3.
Die wirtschaftliche Situation der Handwerksunternehmen wirddurch eine hohe Gebühren-, Beitrags- und Abgabenlast zusätzlichverschärft. Notwendig sind hierzu Erleichterungen für KMU insbesonderedurch Kleinbetriebs- und Kleinmengenregelungen auf Landesebene.

3.4.
Das derzeitige Arbeitsrecht eröffnet den Unternehmen zuwenig Möglichkeiten, die notwendige Personalstärke an diewirtschaftliche Lage anzupassen und flexibel zu reagieren. Weiterhinfehlt dem Handwerk ein Niedriglohn-Sektor, der es den Betriebenermöglicht, die Ausführung einfacher Arbeiten bezahlbar zu machen undsomit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Einführung eines praktikablen“Kleinen Beschäftigungsverhältnisses“ sowie die deutliche Anhebung derBeschäftigtengrenze im Kündigungsschutzgesetz sind Forderungen desThüringer Handwerks.

3.5.
Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen sind durchdie bestehende Flut von bürokratischen Vorschriften und Gesetzen undder damit verbundenen Abwälzung von Bürokratiekosten stärker belastetals Großunternehmen. Nach Angaben des Instituts fürMittelstandsforschung ist jeder deutsche Arbeitsplatz im Durchschnittdurch bürokratische Anforderungen des Staates mit Kosten in Höhe vonrund 1.800 Û belastet. Für Kleinunternehmen mit weniger als neunBeschäftigten liegt die durchschnittliche Belastung für die Berechnungvon Steuern, Sozialabgaben u.ä. je Arbeitsplatz bei fast 3.500 Û imJahr, während sich die Kosten bei Großunternehmen auf etwa 150 Ûreduzieren. Hier ist dringender Handlungsbedarf
seitens der Bundesregierung gefragt.

3.6.
Die Reform der Krankenversicherung mit einer gesetzlichenMindestversicherung und einer freiwilligen beitragsabhängigenZusatzversorgung ist dringend notwendig, um die gesetzlicheKrankenversicherung auf Dauer zu sichern. Der Thüringer Handwerkstage.V. tritt dafür ein, dass Leistungen auf das medizinisch Notwendigebeschränkt werden und individuelle Zusatzleistungen durch privateKrankenversicherungen abgesichert werden.

4. Bildungspolitik

4.1.
Die 75-prozentige Förd e rung der überbetrieblichen Lehru nt e rweisung im Freistaat Thüringen ist auch künftig beizubehalten. Sieist ein wichtiger Baustein in der handwerklichen Berufsausbildung.

4.2.
Ausgehend von den Ergebnissen der PISA-Studie und derAnalyse der „Ausbildungsfähigkeit von Regelschülern in Thüringen“ sindumgehend entsprechende Strategien und Umsetzungsvorschläge zuerarbeiten, die mittel- und langfristig die Ausbildungsfähigkeit derSchulabgänger verbessern. Diese dürfen sich jedoch nicht nur aufÄnderungen im Schulwesen beschränken.

4.3.
Im Bereich der Berufsschulen ist bereits jetzt ein Mangel anFachlehrern zu beklagen. Bedingt durch das relativ hoheDurchschnittsalter der Lehrer wird sich diese Situation nochverschärfen. Hier sind neue, umsetzbare Wege zu finden, die dieserEntwicklung entgegen wirken. Die Ressourcen müssen verstärkt auf dieKernaufgabe der Berufsschulen, die Absicherung des Unterrichts imRahmen der dualen Ausbildung, konzentriert werden.

4.4.
Die Qualifizierung von Arbeitnehmern und Arbeitslosen musssich am konkreten Bedarf der Betriebe orientieren und schnell zurealisieren sein. Die bisher in der Regel praktizierte Förderung mussflexibler gestaltet werden und auch die Förderung von kleinen Gruppenbis hin zur Einzelförderung ermöglichen.

Der Thüringer Handwerkstag e.V. wird mit den politischenVerantwortungsträgern kontinuierlich Gespräche führen, umLösungsansätze für die aufgezeigten Probleme zu diskutieren. Natürlichgibt es noch eine Vielzahl hier nicht aufgeführter gewerkespezifischerProbleme, die mit den unterschiedlichen Ressorts in der Landesregierunggeklärt werden müssen. Die bestehende Vereinbarung zwischen demThüringer Handwerkstag e.V. und der Thüringer Landesregierung vom23.06.2000, deren wesentliches Ziel in der Schaffung notwendigerRahmenbedingungen für die Zukunftssicherung des Handwerks besteht, isthierbei die entsprechende Plattform. 21.03.2002

Bilanz zur Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk – Der Thüringer Handwerkstag e. V. formuliert künftige Aufgaben zur weiteren Umsetzung der Vereinbarung

Bilanz zur Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk – Der Thüringer Handwerkstag e. V. formuliert künftige Aufgaben zur weiteren Umsetzung der Vereinbarung

Mit der seit dem 23. Juni 2000 bestehenden Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerkstag e. V. wurde eine tragfähige Basis für die weitere Entwicklung des Handwerks geschaffen. Sichtbare Ergebnisse, die der Weiterentwicklung des Handwerks und der Sicherung der Betriebe dienten, wurden seither erzielt.
Da die Vereinbarung auf einen dynamischen Prozess der Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und dem Thüringer Handwerk gründet, sind nicht nur regelmäßig die erzielten Ergebnisse zu überprüfen, sondern sind die Inhalte und Schwerpunkte stets aktuellen Gegebenheiten anzupassen und entsprechend weiterzuentwickeln.
So sollte diese Vereinbarung einen größeren Wirkungsgrad erhalten, indem weitere politische Ebenen und weitere Bereiche der Handwerksorganisation in unserem Bundesland konkret einbezogen werden. Denn eine positive Entwicklung des Handwerks ist auch in den Kreisen und Kommunen von zentralem Interesse. Handwerk, Politik und Verwaltung müssen daher auf allen Ebenen intensiv ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Hierfür gibt die Vereinbarung wichtige Impulse.

In seiner Bilanz zeigt sich der Thüringer Handwerkstag e. V. in weiten Teilen zufrieden mit dem Umsetzungsstand der Verein-barung. In zahlreichen Politikfeldern fand eine stärkere Konzentration auf die spezifischen Belange des Handwerks statt. Auch die jüngsten Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission des Landtages zur künftigen Wirtschaftsförderung in Thüringen stimmen inhaltlich weitestgehend mit den Schwerpunkten dieser Vereinbarung überein.
Als Umsetzungsschritte der Vereinbarung betrachtet der Thüringer Handwerkstag e. V. beispielsweise das Programm „Grün-dungs- und Wachstumsfinanzierung“ (GuW) sowie die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie. Die Bundesratsinitiative Thüringens für einen wirksameren Schutz des Bauunternehmers wird ausdrücklich vom Thüringer Handwerk begrüßt. Diese Initiative sollte nach Möglichkeit zusammen mit dem Freistaat Sachsen, der ähnliche Überlegungen hegt, gestartet werden.
Die intensive Förderung des Beratungswesens im Handwerk, die Förderung des Technologietransfers und in diesem Zusammenhang die Unterstützung der Bildung von Kompetenzzentren und nicht zuletzt die umfangreiche Förderung der Aus- und Fortbildung sind weitere Aspekte in der positiven Bilanz, die der Thüringer Handwerkstag zieht.

Im Rahmen der politischen Möglichkeiten des Landes sieht der Thüringer Handwerkstag e. V. in den folgenden Punkten weiteren Hand-lungsbedarf, um die Entwicklung des Handwerks unterstützend zu begleiten.

Ausbau der Infrastruktur

Land und Gemeinden müssen gemeinsam mit dem Bund wirtschaftsnahe Infrastrukturen modernisieren und aufbauen. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für ein notwendiges Wirtschaftswachstum und erhöht gleichzeitig die Attraktivität Thüringens als Wirtschaftsstandort.
Hierbei unterstützt das Thüringer Handwerk den Vorschlag eines „Sofortprogrammes Ost“ von Ministerpräsident Dr. Vogel. Neben den großen Verkehrsprojekten sind insbesondere auch die lokale und regionale Verkehrsinfrastruktur, Kommunikation, Energie und Wasser, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowohl für hier ansässige Betriebe als auch für Investoren von Bedeutung. Aus dem „Sofortprogramm Ost“ und dem „Stadtumbau Ost“-Programm des Bundes heraus ergeben sich darüber hinaus dringend notwendige Impulse für das Baugewerbe.
Diese zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen sollten unter anderem aus Mitteln finanziert werden, die aufgrund einer Reduzierung und Konzentration von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen frei werden.

Technologietransfer/Innovationsförderung

Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Wirtschaft bedarf es einer Wirtschaftstruktur, in der die Unternehmen in einem engen und wechselseitigen Zusammenwirken wettbewerbsfähige Wertschöpfungsketten bilden. In den neuen Ländern bestehen hierbei noch strukturelle Defizite, die durch eine zielgerichtete Stärkung der Innovationspotenziale der mittelständischen Wirtschaft und damit des Handwerks weiter ausgeglichen werden müssen. Dies erfordert zusätzliche Anstrengungen bei der Stärkung des Technologietransfers sowie auch die Förderung innovativer Unternehmenserweiterungen und innovativer Unternehmensgründungen. Die Stärkung der Innovationsfähigkeit vor Ort durch den Aufbau regionaler Netzwerke und Wirtschaftskreisläufe sollte hierbei im Mittelpunkt stehen. In diesem Zusammenhang unterstützt das Thüringer Handwerk Umstrukturierungen in Fördereinrichtungen des Landes, um eine höhere Effizienz zu erreichen.

Arbeitsmarktpolitik

Der Arbeitsmarkt in Thüringen und den anderen neuen Ländern ist seit Jahren von einer dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen haben zur Verfestigung des zweiten Arbeitsmarktes beigetragen. Der beabsichtigte Übergang in eine reguläre Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt war bisher nur in geringem Umfang möglich. Notwendig ist daher eine bedarfsgerechte Qualifizierung von Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen. Hierzu sollte der Sachverstand der Bildungszentren des Handwerks einbezogen werden. Es bleibt weiterhin festzustellen, dass auf Grund der wirtschaftlichen Aktivitäten von Beschäftigungsgesellschaften dem Handwerk Aufträge entzogen werden. Im Mittelpunkt der Handwerkskritik steht hierbei das Vergabeverhalten der Kommunen, die Aufträge an Beschäftigungsgesellschaften und scheinprivatisierte Kommunalbetriebe vergeben. Das Thüringer Handwerk fordert eine Reduzierung der Mittel für ABM und SAM und eine Begrenzung der Förderung auf nicht-gewerbliche Bereiche. Die frei werdenden Mittel sollten für zweckgebundene Investitionszuweisungen für Infrastrukturmaßnahmen in den Kommunen verwendet werden.

Stabilisierung der bestehenden Betriebe und Förderung von Existenzgründungen

Das Hauptaugenmerk muss auf die Sicherung von Existenzen gelegt werden.
Die vielfältigen Instrumente, die den Schritt in die Selbstständigkeit in Thüringen unterstützen, sind zu evaluieren, weiter zu entwickeln und in ihrer Effizienz zu schärfen. Das Programm „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung“ (GuW), das Landesinvestitionsprogramm sowie der Existenzgründerpass sind aktuelle Förderungen, die den Anforderungen des Handwerks entsprechen. Für die Weiterentwicklung der Betriebe sind ausreichend Fachkräfte eine wichtige Bedingung. Das Handwerk erneuert daher seine Forderung nach Unterstützung der Wirtschaft hinsichtlich der Eindämmung der Fachkräfteabwanderung aus Thüringen, insbesondere durch Schaffung entsprechender Bildungsangebote sowie einer engen Verzahnung von Wirtschaft und Forschung wie auch von Wirtschaft und Bundeswehr.

Beratungsförderung

Die Betriebsberatung im Handwerk trägt maßgeblich zur Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Handwerks-unternehmen
bei. Die bewährte Förderung des organisationseigenen Beratungswesens mit Bundes- und Landesmitteln sollte daher
unverändert fortgesetzt werden.

Ausbildung/Qualifizierung

Die 75-prozentige Förderung der Überbetrieblichen Lehrunterweisung ist auch künftig beizubehalten. Sie ist ein wichtiger Baustein in der handwerklichen Berufsausbildung. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung im Rahmen der Thüringer Aus-bildungsinitiative wurde ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung im Handwerk vollzogen.

Gebühren- und Abgabenlast

Die Gebühren-, Beitrag- und Abgabenlast der ansässigen Unternehmen muss gesenkt werden, mit dem Ziel, Standortvorteile für bestehende und für neue Unternehmen zu schaffen. Das Thüringer Handwerk fordert Erleichterungen dur
ch Kleinbetriebs- und Kleinmengenregelungen, insbesondere bei den auf Großunternehmen ausgerichteten Vorschriften im Rahmen der Abwasser-, Abfall- sowie Energiepolitik.

Öffentliche Auftragsvergabe / Vergabe-Mittelstandsrichtlinie

Angesichts des Zusammenbruchs des Marktes in der Bauwirtschaft und vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Osterweiterung der Europäischen Union fordert der Thüringer Handwerkstag e.V. Maßnahmen, die einen ausgewogenen Wettbewerb zwischen den Anbietern im öffentlichen Auftragswesen gewährleisten. Hierzu gehören in erster Linie die strikte Einhaltung der VOB und VOL sowie angemessene Angebots- und Ausführungsfristen. Unverzichtbar ist der absolute Vorrang der Fach- und Teillosvergabe und eine strikte Wahrnehmung der Angebotsprüfungs- und Aufklärungspflicht der öffentlichen Auftraggeber. Nach wie vor muss festgestellt werden, dass die bestehende Vergabe-Mittelstandsrichtlinie seitens der kommunalen Auftraggeber nicht umgesetzt wird. Das Thüringer Handwerk fordert daher erneut, den Einfluss des Landes auf die Kommunen zu verstärken.
Qualifizierungs- und Beschäftigungsförderungsgesellschaften dürfen wegen der Wettbewerbsbenachteiligung der mittelständischen Bauwirtschaft nicht bei der öffentlichen Vergabe von Bauleistungen berücksichtigt werden. Bei der Vergabe sollte zukünftig nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhalten, sondern es sollte eine Vergabe auf der Basis des Mittelpreisverfahrens erfolgen. Das bedeutet, dass der teuerste und der billigste Anbieter nicht gewertet wird und derjenige den Auftrag erhält, der dem arithmetischen Mittel am nächsten liegt. Dies wird zu einer Preisberuhigung führen.

Forderungsausfälle / Liquidität

Im Rahmen der Gesetzesinitiative „Bauunternehmersicherungsgesetz“ der Landesregierung sind die langjährigen Forderungen des Handwerks nach einem besseren Schutz der Auftragnehmer im Baugewerbe durch den aufgenommenen erweiterten Eigentumsvorbehalt mit Herausgabeanspruch eingebauter Materialien und dem Pfandrecht des Subunternehmers gegenüber dem Generalunternehmer an dessen Forderungen gegen den Besteller in wichtigen Punkten umgesetzt. Darüber hinaus ist eine zwingende Auftraggeberbürgschaft in das Gesetz einzuarbeiten.
Die Liquidität der Handwerksbetriebe dürfte mit dem neuen „Gesetz zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung“ bei Nichtvorliegen einer Freistellungsbescheinigung weiter gefährdet sein. Die Erteilung einer Freistellung liegt allerdings im Ermessen der Finanzämter. Hier sind einheitliche, konkrete und nachvollziehbare Durchführungsbestimmungen dringend notwendig.

Die beschriebene Situation und die daraus abgeleiteten Aufgaben sollen Ansätze zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk aufzeigen. Da eine Vielzahl der vom Thüringer Handwerkstag e. V. genannten Themen auch in die Zuständigkeit der Bundesregierung gehören, bitten wir die Landesregierung, sich für eine nachhaltige Problemlösung einzusetzen.

Forderungen des Thüringer Handwerkstages e. V. anlässlich der Mitgliederversammlung am 22. November 2001 an die Bundesregierung

Forderungen des Thüringer Handwerkstages e. V. anlässlich der Mitgliederversammlung am 22. November 2001 an die Bundesregierung

Zentrale Forderungen des Thüringer Handwerks sind bisher leider ohne politische Umsetzung auf Bundesebene geblieben.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert hiermit die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung zur Lösung der bereits seit Jahren anstehenden Probleme des Mittelstandes, insbesondere des Handwerks, gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang geht es schwerpunktmäßig um die umgehende Abschaffung der bestehenden mittelstandsfeindlichen gesetzlichen Regelungen bei gleichzeitiger Schaffung neuer konstruktiver Regelungen und damit mittelstandsfreundlicher Rahmenbedingungen. In diesem Sinne stellt der Thüringer Handwerkstag e. V. aus Anlass seiner Mitgliederversammlung nachdrücklich folgende Forderungen an die Bundesregierung:

  1. Im Rahmen der geplanten Neuregelung des Steuerabzugs für Bauleistungen wird der Ansatz zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung grundsätzlich begrüßt. Die praktische Umsetzung erscheint vor dem Hintergrund fehlender Durchführungsbestimmungen fragwürdig, inbesondere besteht die Gefahr der Willkür der Finanzverwaltungen bei der Ausreichung von Freistellungsanträgen. Hier fordert das Thüringer Handwerk realitätsnahe Regelungen.

  2. Das Thüringer Handwerk fordert auf Grund zunehmender Schwarzarbeit die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen des Bau- und Ausbaugewerbes für private Auftraggeber sowie die Ein-führung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf lohnintensive Dienstleistungen.

  3. Die 80-prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist wieder einzuführen.

  4. Das Thüringer Handwerk fordert die Rücknahme der Reform des Kündigungsschutzgesetzes.

  5. Die zweite Stufe der Unternehmenssteuerreform ist vorzuziehen.

  6. Mit Blick auf die gesetzlichen Sozialabgaben fordert das Thüringer Handwerk eine Senkung der Lohnzu-satzkosten auf unter 40 Prozent.

  7. Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen ist dringend um die Punkte Auftraggeberbürgschaft und erweiterter Eigentumsvorbehalt mit Herausgabeanspruch eingebauter Materialien zu ergänzen.

  8. Die Investitionszulage muss, der aktuellen Wirtschaftslage geschuldet, für das gesamte Handwerk unverändert fortgeführt werden. Die geplante Einschränkung der Investitionszulage ab 2002 bedeutet eine Ungleichbehandlung des Handwerks gegenüber dem „Verarbeitenden Gewerbe“.

  9. Die Kernaussage des geplanten Tariftreuegesetzes, den Tariflohn an den Ort der Arbeit festzuschreiben, wird vom Thüringer Handwerk abgelehnt. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, in der Wirtschaft umsetzbare Regelungen zur Bekämpfung von Dumping und illegaler Beschäftigung zu schaffen.

  10. Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert die Stärkung der Kommunalfinanzen, um so die gesunkenen Finanzmittel der Kommunen zu kompensieren.

  11. Die Reform der Krankenversicherung mit einer gesetzlichen Mindestversicherung und einer freiwilligen beitrags-abhängigen Zusatzversorgung ist dringend notwendig, um die gesetzliche Krankenversicherung auf Dauer zu sichern.

  12. Im Rahmen der Sozialpolitik ist die Schaffung einer generationsgerechten Rentenreform eine Schwerpunktaufgabe. Das Ziel muss die dauerhafte Begrenzung des Beitragssatzes unter 20 Prozent sein.

  13. Die bewährte Förderung des organisationseigenen Beratungswesens mit Bundesmitteln ist in Anbetracht des bestehenden Beratungsbedarfes auf hohem Niveau fortzusetzen.

  14. Das Thüringer Handwerk fordert uneingeschränkt den Erhalt des „Großen Befähigungsnachweises“ als Voraussetzung für die Selbstständigkeit im Handwerk und als Garant für fachliche Kompetenz und Ausbildungskompetenz. Eine allgemeine Einführung des berufsbegleitenden Erwerbs des Meisterbriefes wird abgelehnt.

  15. Zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung sind die Berufsbildungs- und Technologiezentren unverändert auch zukünftig mit einer 90-prozentigen Bezuschussung bei deren Errichtung und Erhalt zu fördern.

Forderungen anlässlich der Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001 zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für das Handwerk

Forderungen anlässlich der Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001 zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für das Handwerk

In den vergangenen Monaten und Jahren kristallisierte sich heraus, dass sich die Finanzierungsmöglichkeiten für das Handwerk zunehmend verschlechtern. Deshalb fordert der Thüringer Handwerkstag e. V. die Verantwortlichen auf, auf diesen Gebieten tätig zu werden.

1. Kreditvergabepraxis
Um die Entwicklungsmöglichkeiten in den Handwerksbetrieben weiter zu gewährleisten, sind eine solide Finanzierungsbasis und entsprechende Finanzierungsangebote die Grundvoraussetzung. Der anhaltende Konzentrationsprozess im Bankensektor, verbunden mit dem Rückzug der Kreditinstitute aus der Fläche sowie die Konzentration auf das großvolumige Kreditgeschäft trägt dazu bei, viele Handwerksbetriebe zu verunsichern. Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert von den Kreditinstituten verlässliche Finanzierungsmöglichkeiten zu fairen Konditionen für das Handwerk.

2. Basel II
Gerade in dem Zusammenhang, dass das Handwerk sehr stark durch eine Fremdfinanzierung geprägt ist, befürchtet das Thüringer Handwerk infolge der Umsetzung der Baseler Beschlüsse eine deutliche Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten für Handwerksbetriebe. Gefordert wird daher von allen Verantwortlichen, dass für diesen Bereich eine verträgliche Lösung gefunden werden muss, damit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht weiter verschlechtern. Für die Betriebe dürfen keine zusätzlichen Kapazitäts- und Kostenbelastungen entstehen. Gleichzeitig müssen Lösungen für ein vereinfachtes Verfahren für Personenunternehmen gefunden werden.

3. Stärkung der Kommunalfinanzen /Verbesserung der Infrastruktur
Auf Grund der immer schlechter werdenden Haushaltslage vieler Kommunen und Kreise wird das Budget für Bauinvestitionen stets geringer. Vor diesem Hintergrund fordert der Thüringer Handwerkstag e. V. eine Stärkung der Kommunalfinanzen.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. begrüßt die geplante Fortsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ und somit die Bestandserhaltung und Modernisierung des Wohnungsbestandes. Hieraus ergeben sich die dringend erforderlichen Impulse für das Baugewerbe. Ebenfalls begrüßt der Thüringer Handwerkstag e. V. das vom Thüringer Ministerpräsidenten vorgeschlagene „Sonderprogramm Ost“. Dieses Programm setzt gezielt im infrastrukturellen Bereich an und umfasst für den Zeitraum 2001 bis 2004 ein Volumen von insgesamt 40 Milliarden Mark.
Das mit diesem Vorschlag eingereichte Finanzierungsmodell findet die Zustimmung des Thüringer Handwerks.

4. Investitionsförderung
Die Investitionsförderung ist noch über einen längeren Zeitraum unverzichtbar, um die teilungsbedingten Nachteile abzubauen.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert die Landesregierung auf, sich für die Fortführung der Investitionszulage für das gesamte Handwerk und somit für eine Gleichstellung mit dem verarbeitenden Gewerbe einzusetzen. Die Einstellung der Investitionszulage für die Mehrzahl der Handwerksbetriebe würde den Trend einer konjunkturell bedingten rückläufigen Investitionstätigkeit nur weiter verstärken.

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001, Dorint Hotel Gera

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V.
am 22. November 2001, Dorint Hotel Gera

Ansprache des Präsidenten

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Seit Gründung des Thüringer Handwerkstages e. V. vor fast zehn Jahren hat das Handwerk in Thüringen eine Stimme. Den Kritikern kann ich gleich sagen: sicher ist die eine Stimme auch öfter mal ein gemischter Chor, das ist eben die Vielfalt des Handwerks. Wenn aber dieser Chor gemeinsam den Kammerton „a“ singt, ich glaube schon – dann ist das wieder diese eine Stimme. Und ich möchte heute und hier diese Stimme des Handwerks Ihnen vortragen. Denn eines ist wohl schon in den Jahren unseres Bestehens deutlich geworden: das Wort „Thüringer Handwerkstag e. V.“ ist kein Name, der Thüringer Handwerkstag e. V. – das ist ein Programm. Zu jedem Parlamentarischen Abend, zu jeder Mitgliederversammlung haben wir im Handwerk gesagt, was wir denken, was wir tun, was wir vom Leben erwarten, aber auch – was man von uns erwarten kann!

Und deshalb finden wir es im Handwerk gut, dass wir dies alles mit Ihnen, sehr geehrte Gäste, aber besonders mit Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, besprechen können. Miteinander reden, vielleicht sogar mal streiten, ist das richtige Rezept, um Lösungen zu erreichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind Handwerker, wir sind überall im Land zu Hause, jeder hat seinen kleinen Einzugsbereich. Da steht doch die Frage: müssen wir das Wort Globalisierung eigentlich buchstabieren können? Geht die große Politik nicht an uns vorbei? Die Antwort ist klar, ein Wort: nein! Und ich beginne mit einem Datum: 11. September 2001. Uns im Handwerk fehlen – wie überall in der Welt bei redlichen Leuten, uns fehlen immer noch die Worte, um das Geschehene zu beschreiben.

„Nichts wird mehr so sein, wie es mal war.“ – wir alle kennen diesen meist gebrauchten Satz nach der Katastrophenmeldung. Er wird auch vom Handwerk geteilt. Und besonders geteilt wird der Ruf zum Zusammenrücken aller Kräfte, die noch Wertevorstellungen im Leben, vom Leben haben. Wir im Handwerk gehören dazu, wenn es darum geht, neue Ideen, neue Wege, neue Gedanken zum friedlichen Miteinander auf dieser Welt zu gehen. Sicher ist der folgende Vergleich weit hergeholt, aber wir im Handwerk kennen täglich Konkurrenzsituationen am Markt mit Gegenspielern und das vereinte Leben in unseren Innungen.

Dieses – zwar winzige Leitbild – wollen wir im Handwerk nach draußen tragen, das kann und sollte auch das Bild des Zusammenlebens auf dieser Erde sein. Und da ist kein Platz für Terror und Menschenverachtung. Wir sind im Handwerk zu klein, um gute Ratschläge zu geben. Aber unsere Sympathie liegt bei allen Maßnahmen, die den Spagat schaffen, den Terror auszurotten und die Menschheit vor Angriffen jeder Art zu schützen. Das möchte ich im Auftrag des Thüringer Handwerks Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident so deutlich sagen, damit Sie als Politiker diese Meinung mitnehmen zu den Orten, in die Gremien, wo derartige Entscheidungen getroffen werden.
Uns bewegen im Handwerk viele Gedanken, aber diese Gedanken von den Grundwerten des menschlichen Lebens, die wollte und musste ich voranstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wo stehen wir, wie geht es weiter. Eine Binsenweisheit gilt: neue Anforderungen erwarten neue Antworten. Welches sind die Anforderungen? Welche neuen Antworten gibt es? Zwei Begriffe sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Freiheit und Sicherheit. Diese Worte sind die zwei Seiten einer Medaille. Ich möchte hier eine philosophische Weisheit, die Altkanzler Helmut Schmidt oft gebraucht hat, nennen: „Wir verlangen, dass der Staat die Freiheit im gewissen Maße einschränkt, damit jeder seine Freiheit erhält.“ Und wenn wir dies uns auf der Zunge zergehen lassen, dann ist das sicher die Richtung, in die wir denken müssen. Wir müssen von unserer Bundesregierung eines fordern: Investitionen in die Sicherheit sind Investitionen in die Freiheit. Und es muss wohl möglich sein, einen Teil unseres Wohlstandes für die äußere und innere Sicherheit einzusetzen.
Wer sich der Politik verschrieben hat, wer glaubt, hier Staubwischen zu müssen, der muss diese Probleme auch angehen und beherrschen. Das fordern wir – und ich sage es auch: das fordern wir mit Recht! Vielleicht hat jetzt der eine oder andere die Frage: was plustert sich denn das Handwerk hier auf. Und ich antworte ganz deutlich: Wir fühlen uns als Handwerker hier nicht unterbelichtet, wir sehen schon unsere kleinen Kreise, wir wissen aber auch, dass wir in den großen Kreisen eingebettet sind. Deshalb empfinden wir – als Wirtschaftsgruppe, es als unsere Pflicht, unser Gedankengut hier mit einzubringen. Es geht uns ja auch direkt mit an. Sehen Sie doch nur das Stichwort Europa. Die EU-Osterweiterung steht vor der Tür. Sie ist für uns Chance und Risiko zugleich. Und es ist nicht leicht, diese beiden Seiten sorgfältig zu unterscheiden.

Schnell kann eine Einschätzung sich in das Gegenteil umwandeln. Wir im Handwerk sind für den Gedanken des vereinten Europas. Diesen Standpunkt haben wir stets deutlich gemacht. Er rührt ja auch aus unseren Wurzeln des Selbstverständnisses her. Aus der Walz, aus der offenen Betrachtung der Welt. Aber – wir müssen die Großwetterlage der heutigen Zeit sehen. Chancen und Risiken sind nicht gleich verteilt. Trotzdem voranstellen möchten wir ganz klar, dass die EU-Osterweiterung ein überaus wichtiger Schritt für die Dauer-haftigkeit der politischen Stabilität in Europa ist. Und das dürfte, nein – das muss für uns es wert sein, hier einen Einsatz zu zeigen. Gewiss, es wird noch Jahrzehnte enorme wirtschaftliche und soziale Entwicklungsunterschiede geben. Die Umwälzungen gibt es nicht nur bei den Beitrittsländern. Sie wird es auch bei uns geben! Und die Risiken treffen uns kleine Betriebe – aufgrund der Kostenstrukturen – am härtesten.

Das macht uns schon große Sorgen. Deshalb fordern wir sehr deutlich: es darf nur eine geregelte Integration geben. Das Wort „der Markt wird es schon regeln“, dieses Wort gilt hier nicht. Das ist unsere Auffassung im Handwerk und ich bitte unsere Politiker, diese Aussage sehr ernst zu nehmen. Es darf nicht dazu kommen, dass wir hier in Thüringen zu den Zahlern gehören und uns dann noch im Status eines Transitlandes befinden. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir in Thüringen das Loch in der Schallplatte sind und die Musik spielt drumherum.

Deswegen sind hier unsere Forderungen:
1. Aufstellung hinreichend langer Übergangsfristen und
2. Schaffung von Öffnungsklauseln entsprechend der jeweiligen nationalen Arbeitsmarktlagen.

Ich weiß, dass mich jetzt nicht nur einige Politiker anschauen, sondern auch meine eigenen Handwerkskollegen. Aber es ist die Zeit reif: wir im Handwerk müssen Unternehmenskontakte zu unseren Handwerkskollegen in den Beitrittsländern herstellen, wir müssen uns um geförderte unternehmerische Investitionen im Beitrittsgebiet kümmern und wir müssen Partnerschaften zwischen den Wirtschaftsorganisationen bilden. Nichts kommt von allein – bewegen müssen wir uns schon. Dass aber gerade wir im Handwerk hierbei die Unterstützung unseres Landes brauchen, möchte ich hier ausdrücklich betonen und nicht als Nachsatz verstanden wissen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sie sind von den Ausführungen des Präsidenten des Thüringer Handwerkstages e. V. in der Vergangenheit verwöhnt worden, einen ganzen Strauß von Forderungen, Wünschen und Vorschlägen hören zu können. Ich möchte Sie da heute nicht enttäuschen, hielt es aber trotzdem für wichtig, diese globale Umfeldausleuchtung voranzustellen. Damit bin ich dann automatisch in die Bewertung der Bundespolitik gekommen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: wir im Handwerk sind nicht die Bewerter, das soll jeder für sich als Wähler entscheiden. Wir stellen aber das Rückkopplungsorgan dar, denn wir merken am deutlichsten, was so in hoher Position gemacht – oder eben auch nicht gemacht wird. Jeder, der a
lt genug ist, kennt noch den Radiotyp mit der Rückkopplung. Wenn man sie aufdrehte, kam das große Pfeifen. Und wir im Handwerk, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir pfeifen schon lange! Und das nicht aus Wollust sondern aus wirtschaftlichem Schmerz.
„Wir sind für die neue Mitte“ – sind die Worte noch bekannt? Viele glaubten auch, neue Mitte zu sein. Das war offenbar eine Fehlinterpretation. Wer bei der alten Mitte war, wer also bei seinen Leisten blieb, der war sowieso nicht gemeint, jedenfalls kommt uns das im Handwerk so vor. Heute ist das Zauberwort der „neuen Mitte“ nicht mehr aktuell, zur Zeit läuft ja noch kein echter Wahlkampf. Heute heißt das Zauberwort: Politik der ruhigen Hand. Vor einigen Jahren hat man das mit dem Wort „aussitzen“ übersetzt. In der Wirkung für den Mittelstand ist beides nicht nur ernüchternd, es ist destruktiv. Wer mit offenen Augen durch unsere Bundesrepublik geht, der erkennt sofort: Mittelstandspolitik ist in Berlin vom Inhalt nicht bekannt. Da gibt es den Schmusekurs zur Großindustrie und zu den Gewerkschaften. Der Mittelstand ist doch nur bekannt, wenn es darum geht, ihm in die Taschen zu greifen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Schwarz-Weiß-Malerei ist im Handwerk nicht zu Hause. Wir sind viel zu farbig, als dass wir das überhaupt könnten. Aber – womit wir im Handwerk konfrontiert werden, dass sind wohl nur Extreme. Bevor ich hier unsere ureigensten Dinge nenne, noch ein paar Worte zur Großwetterlage. Deutschland hat es erneut geschafft, in der Liste der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt einen weiteren Platz nach unten zu rutschen. Nun sind wir auf Platz 12 gerutscht, vor uns ist Australien, hinter uns Island. Das wundert doch gar nicht. Nach einer IMD-Veröffentlichung ergibt sich, dass unsere Bundesrepublik über die ausgefeiltesten Bremssysteme für eine Wirtschaftsentwicklung verfügt. Man hat 49 Länder untersucht. Und wo steht Deutschland unter diesen 49 Ländern?
z. B. Steuerbelastung von Unternehmen: Rang 49
oder hohe Unterstützung für Arbeitslose: Rang 47
oder Verfügbarkeit von IT-Spezialisten: Rang 46
oder Arbeitsmarktgesetzgebung: Rang 40

So sehen uns die Weltspezialisten. Wir im Handwerk sind keine Weltspezialisten. Trotzdem gab es stets einen Aufschrei von uns, wenn unsere Bundesregierung das nächste Überraschungsei auspackte. Lassen Sie mich einfach mal ein paar Dinge aufzählen, die direkt lähmend für die Mittelstandsentwicklung sind:
– 100 % Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
– Kündigungsschutzgesetzgebung,
– Scheinselbstständigkeit,
– Teilzeitanspruch.

Dazu kommt gleich noch die Ökosteuer, die sogenannte Unternehmenssteuerreform, die Rentenreform – alles lahme Krieger. Und als Krönung die Änderung im Betriebsverfassungsgesetz. Und wenn es wirklich mal um ein Gesetz für uns geht, für uns im Mittelstand, im Handwerk, wie das berühmt-berüchtigte „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“, dann werden diesem Tiger die Zähne einzeln herausgezogen! Wer jetzt sagt, ich übertreibe, dem muss ich sagen, er sei wirtschaftsfremd. Die Experten, die an grünen Tischen in mühevoller Kleinarbeit diese gesetzlichen Bremsklötze konstruieren, brauchten nur mal eine Woche in unsere Betriebe zu kommen. Ich lade herzlich dazu ein. Es ist unwahrscheinlich, wie man Unternehmergeist knebeln und Gründertum unterbinden kann. Das ganze hat doch seinen Ausdruck in der hohen effektiven Abgabenbelastung. Und ich sage es klar – diese Abgabenlast in Deutschland hält die Menschen von der Abeitsaufnahme ab. Schauen wir doch auf die deutschen Arbeitsmarktregeln: zu starr, zu bürokratisch, zu kostspielig. So sieht uns die Welt – nur unsere Berliner Politiker sehen das nicht. Eigentlich ein Kuriosum.

Und wenn wir jetzt noch die Ergebnisse der Wirtschaftsweisen sehen – man könnte glatt auswandern. Die Großen machen es ja auch so, wir Kleinen aber nicht. Wir können es nicht und wir wollen es nicht. Handwerk ist bodenständig, Handwerk hat seinen Markt in der Heimat, Heimatgefühl hat im Handwerk einen Stellenwert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Eigentlich kann es doch mit der Politik, mit dem Mittelstand, mit dem Handwerk so nicht weitergehen. Wir haben unsere Forderungen zur Umsteuerung in der Wirtschaftspolitik heute hier auf einem Blatt zusammen gefasst. Sie haben dieses Papier in Ihren Tagungsunterlagen. Das ist unsere Meinung zu der Wirtschafts-politik, die uns lähmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben heute auch alle Bundestagsabgeordneten eingeladen. Wir sind auch froh, dass unsere Einladung teilweise aufgenommen wurde. Terminlich liegen wir zwar so, dass jeder mal in die Heimat kommen könnte, aber es ist wie immer: die Treuesten sind da. Sehr geehrte Bundestagsabgeordnete, bitte nehmen Sie dieses Papier mit. Betrachten Sie es als das, was es ist: es sind die Hausaufgaben, es ist der Wählerauftrag. Wir werden allen Thüringer Bundestagsabgeordneten diese Arbeitsaufgaben nachsenden. Und wenn die Antwort kommt wie „geht nicht“, „viel zu teuer“, „hat alles keinen Zweck“, denen können wir vom Handwerk ironisch sagen: wir haben auch noch einen Koffer in Berlin, voller Argumente! Aber die brauchen wir nicht, wir wollen Taten sehen. Es kann sich ja jeder Abgeordnete mit einer leichten Frage mal überprüfen. Bitte fragen Sie sich selbst: Wann war ich in der Handwerkskammer oder in der Kreishandwerkerschaft oder bei der Innung meines Wahlkreises in den letzten Jahren? Wann war ich da und habe mir das Wort aus der Heimat geholt? Wann – wie oft? Und damit nicht einer hier im Saal auf den Gedanken kommt, ich sei einseitig ausgerichtet, so frage ich doch auch glatt unsere Landesin-nungsmeister, unsere Obermeister, unsere Kammervorstände: wann haben Sie unsere Bundestagsabgeordneten zu sich eingeladen? Wie oft haben Sie das heimatliche Schulungsseminar über den Istzustand den Bundestagsabgeordneten verabfolgt? Ich möchte hier keine Watschenspiele betreiben, aber wir müssen uns schon ehrlich in die Augen sehen, uns offen begegnen und uns diese Fragen stellen. Vorhin, im Geschäftsbericht des Thüringer Handwerkstages e. V. hat uns unser Geschäftsführer die Zahlen gesagt, welche Reaktionen wir auf unsere bisherigen Briefe nach Berlin erhalten haben. Ich möchte hier den Betroffenen die Schmach ersparen. Also – seien wir ehrlich zueinander und gehen das Problem an. Wir brauchen Lösungen zu den Fragen der Zeit. Da sind die jetzigen politischen und wirtschaftlichen Antworten doch geradezu der Irrweg, wenn man bedenkt „wir tanken für die Rente“ oder „wir rauchen für die Sicherheit“. Das haben wir uns unter Politik für eine neue Mitte nicht vorgestellt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben die Meinung des Thüringer Handwerks zu den brennenden Politikfragen gehört. Und ich muss es immer wieder sagen: wir Handwerker klagen nicht, wir klagen an! Und das aus der gesellschaftlichen Verantwortung für das Gemeinwohl. Natürlich geht es dann bei Erfüllung unserer Forderungen auch unseren Betrieben gut – das ist doch Ziel der Übung! Und wenn es unseren Betrieben gut geht, geht es auch uns gut, und es geht auch unseren Gesellen und Lehrlingen gut. Was uns bei politischen Entscheidungen zu Sachfragen so fuchsig macht, ist doch allein die Tatsache, dass die Differenz zwischen Sachentscheidung und Machtgier nur wenige Millimeter beträgt. Wie schnell Sachentscheidungen zu Machtentscheidungen werden, haben wir ja jetzt erst exzellent vorgeführt bekommen. Da wir das in unserem Selbstverständnis in unseren Betrieben nicht haben, deshalb reagieren wir so harsch an dieser Stelle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn wir im Handwerk uns in unserem Land Thüringen richtig wiederfinden wollen, dann musste ich die Großwetterlage der Bundespolitik aufgreifen. Hier werden die großen Rahmenbedingungen geschaffen. Und wie schnell das durchschlägt auf uns haben wir ja bei der ICE-Trasse Nürnberg-Erfurt-Berlin gesehen. Wie schnell aus Ansätzen für blühende Landschaften Investruinen entstehen können, die wohl jetzt wieder aktiviert werden, das war do
ch ein Paradebeispiel dafür. Dass dabei auf Ebene der Länder durch Streitereien Steilvorlagen nach Berlin gegeben wurden, war so überflüssig wie ein Kropf. Aber Sie sehen, wir können nicht die Situation in unseren Gärtchen liebevoll betrachten, wenn wir nicht das Wetter am Horizont beachten. Aber mit dieser Betrachtung bin ich bei der Landespolitik angekommen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident. Auch hier haben wir im Handwerk eine Rückkopplung für Sie. Unser erster Präsident hat in einer Rede mal gesagt: nutzen Sie, Herr Ministerpräsident, das Handwerk als Seismograph. Und wir wissen, dass Sie das so tun. Ich darf das noch mal deutlich sagen, insbesondere in Richtung meiner Handwerkskollegen: wir in Thüringen haben mit unserem Ministerpräsidenten einen großen Glücksfall für die Wirtschaft, weil Wissen um die Dinge und Kontakt zum Handwerk festgeschriebene Linien seiner Handlungsphilosophie sind. Das sage ich nicht, um zu gefallen, das sage ich einfach, weil es wahr ist. Und was wahr ist, muss wahr bleiben.

Aber, Herr Ministerpräsident, ich verrate auch kein Geheimnis, dass unter meinen Handwerkskollegen auch die Frage aufkommt, ob eine Alleinregierung – wenn ich das mal so nennen darf – auch stets das Koordinatensystem eingenordet hat. Meine Kollegen sagen das zwar ein bisschen anders, ich will es aber mal in diese Formulierung packen. Darüber nachzudenken im Kabinett kann ja wohl kein Fehler sein.

Sehr geehrte Damen und Herren!
Eines ist neu in dieser Bundesrepublik Deutschland und das haben wir in Thüringen: eine Vereinbarung zwischen Landesregierung und Thüringer Handwerkstag e. V. Das ist ein Willensbekenntnis zur Gemeinsamkeit, das wirklich einen hohen Stellenwert hat. Jedenfalls schätzen wir das im Handwerk so ein, und dafür sind wir auch unserem Ministerpräsidenten dankbar. Es gibt immer Kritiker in unseren eigenen Reihen, die fragen so einfach dahin: was hat uns das alles gebracht. Die Frage ist gut, weil sie zeigt, dass der Fragende weiß, dass es eine Vereinbarung gibt. Die Frage ist schlecht, weil sie zeigt, dass der Fragende sich damit nicht ausreichend beschäftigt hat. Ich möchte deshalb noch mal den Grundsatz sagen: diese Vereinbarung ist ein Willensbekenntnis zum Handeln. Es ersetzt aber kein Handeln! Bewegen muss man sich schon. Und zwar jede Seite. Auch wir. Deshalb ist es wichtig, die Bilanz zu ziehen. Erinnern Sie sich. Wenn Sie die Tagungsmaterialien vom letzten Jahr in Suhl noch zur Hand haben, können Sie eine Bilanz nachlesen. Und wenn Sie heute die Mappe aufschlagen, können Sie wieder eine Bilanz nachlesen. Wir haben uns wieder die Frage gestellt, was haben wir mit der Vereinbarung gemacht, welches sind die Ergebnisse. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister sind wir die einzelnen Posten durchgegangen. Wir haben aufgeschrieben, was erreicht wurde, wo wir stehen. Das müssen wir einfach erst einmal zur Kenntnis nehmen. Und wir müssen uns selbst die Frage stellen, was haben wir eingebracht, sowohl an Aufgaben als auch an Lösungen. Ich empfehle, die Seiten, die Papiere in Ihrer Tagungsmappe dann zu Hause oder in der Versammlung unserer Handwerksorganisation kritisch zu wichten. Und wir sollten nicht nur die Frage stellen, wo und wie hat das Land Fördermittel gegeben. Das wäre primitiv. Wir sollten uns fragen, wo wir welche Aktivitäten geleistet haben, und zwar auf beiden Seiten – Soll und Haben! Wir müssen gemeinsam suchen, wo es Fehler gibt, wo wir als Handwerker aktiv werden können und wo wir unseren Vereinbarungspartner animieren können. Bei allen müssen wir aber stets auseinanderhalten: sind es Bundesangelegenheiten oder sind es Landesangelegenheiten. Denn wenn es um Landesdinge geht, da sind wir schon gefragt. Da werden wir auch gefragt. Allen, denen es nicht so aufgefallen ist, möchte ich unsere Stellung bei der Arbeit der Enquete-Kommission des Thüringer Landtages zum Thema „Wirt-schaftsförderung in Thüringen“ in Erinnerung rufen. Die Kommission hat sich auch Sachverständige berufen, und damit auch den Sachverstand des Handwerks. Unser erster Präsident war auf der Sachverständigenseite. Gewiss, ich möchte nicht verhehlen, dass wir vom Handwerk es nicht leicht hatten, selbst bei der landeseigenen Kommission uns genügend wiederzufinden im Abschlusspapier. Vielleicht waren wir auch zu anspruchsvoll – was ich nicht glaube. Aber letztlich ist unsere Meinung eingeflossen. Und da es unter anderem auch um das liebe Geld ging, haben wir unseren Standpunkt, der auch im Kommissionspapier zu finden ist, heute noch mal zusammengefasst als Forderungspapier in unseren Tagungsunterlagen. Da ich gerade vom Geld sprach: es ist so, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: die Finanzausstattung unserer Unternehmen ist zu gering. Da denke ich natürlich erst mal an den Bau, denn 60 % unserer Handwerksbetriebe in Thüringen haben mit dem Bau zu tun bzw. sind mit ihm verbunden. Ich denke aber auch an die 40 % der anderen Gewerke, wo bezüglich Geld Schmalhans Küchenmeister ist. Es ist doch nicht so, dass wir die Konten gefüllt haben wollen, es ist doch nur so, dass wir genügend Liquidität in unseren Betrieben zum einfachen Leben und Arbeiten benötigen. Deshalb geht unsere Forderung ja auch in Richtung der Banken, nicht nur für sich da zu sein, nach dem Motto „her mit jeder Mark“. Es geht darum, für uns kleine und mittlere Betriebe da zu sein, in der Fläche da zu sein und mit Programmen da zu sein, die bezahlbar sind. Dass man sich Gedanken machen kann in dieser Grundrichtung zum Geld zeigt doch unsere Landesregierung. Die Initiative unseres Justizministers in der Bundesratsinitiative zum „Unternehmer – Sicherungsgesetz“ ist ein deutliches Beispiel

a) für das Aufnehmen von unseren Forderungen durch die Landespolitik und
b) für die Bemühungen der Landespolitik zur Umsetzung unserer vorhin genannten Vereinbarung.

Das muss man sehen und würdigen.
Natürlich ist noch mehr notwendig. Was nützt uns die vom Wirtschaftsminister herausgegebene Vergaberichtlinie, wenn sich die Kommunen nicht daran halten! Hier gehört Druck hinein, und das über unsere Landesregierung, damit jeder Bürgermeister erkennt, dass er nicht nur für seine Gemeinde optimieren muss, sonder dass stets ein Stück Verantwortung für das Gemeinwohl dabei ist. Auch die Frage der Kommunalabgaben ist längst nicht geklärt. Hier stehen die Stichworte Transparenz und Gebührengerechtigkeit an oberster Stelle. Und weil das Landessache ist, steht hier die Frage, warum das noch nicht in der richtigen Form ist. Unsere Beamten in den Behörden müssten doch die Lösung mal greifbar haben.

Und wenn wir schon über die Kommunen reden, dann kommt sofort unsere Forderung erneut: strikte Eindämmung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Das passt nicht in unsere Zeit. Gewiss haben wir im Handwerk mit unseren Kommunen darüber schon gesprochen. Die Sorgen und Nöte sind uns bekannt. Aber die Ursachen müssen angegangen werden. Es hat noch nie geklappt, einen Fehler mit einem anderen Fehler kompensieren zu wollen. Also bleibt es dabei: wirtschaftliche Betätigung gehört in die Wirtschaft – nicht in die Kommunen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es gehört noch etwas in die Wirtschaft. Es ist die Ausbildung. Das Handwerk hat sich dieser Aufgabe stets angenommen. Bedenken Sie: fast 40 % aller Auszubildenden lernen im Handwerk. Natürlich haben wir eine angespannte Situation: viele Schulabgänger – schlechte Wirtschaftslage in den Betrieben. Die demographische Umordnung kommt. Ich kann nur jedem Handwerker empfehlen: Ausbildung – jetzt! Aber ich stehe mittendrin im Handwerk und weiß, was los ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir in Thüringen haben in den letzten zwei Jahren über 2000 Ausbildungsbetriebe durch den wirtschaftlichen Niedergang verloren! Lassen Sie diese Zahl auf sich wirken und lassen Sie die Zahl der Lehrstellen im Jahr 2001 auf sich wirken.
Dann wissen Sie, welche gewaltigen Anstrengungen unternommen werden im Handwerk und welche gewaltige Leistung im Handwerk vollbracht wird. Da führen dann die Anwürfe, die Wirtschaft würde ni
cht ausbilden, zur Selbstdisqualifikation derer, die das sagen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Frage stellen. Die Frage lautet: Handwerk – Quo vadis, Handwerk wohin gehst du? Wenn man die vielen Dinge sieht, die dem Handwerk mit eisigem Wind ins Gesicht wehen, da kommt schon die Berechtigung dieser Frage. Ich kann nur alle Verantwortungsträger auffordern, darüber nachzudenken. Wird das Handwerk geopfert im politischen Kleinkrieg, im Machtgerangel von denen, die auch für das Handwerk da sein sollten? Oder wird das Handwerk das Opferlamm für Europa auf dem Altar der Liberalisierung?

Viele Fragen, die ich in Richtung derer stelle, die hier Verantwortung tragen.
Ich gebe mir – für mich – die Antwort, dass es – solange es Menschen gibt, die Lebensbedürfnisse haben – auch Handwerk geben wird. Bloß – welche Lebensbedürfnisse in der Zukunft durch Handwerk noch befriedigt werden können, wenn es so weiter geht – das bleibt auch für mich offen.

Mit diesem Nachdenken über unsere gemeinsame Zukunft möchte ich jedermann aufrütteln, Zukunftsvisionen für uns alle zu entwickeln. Ich lade Sie und uns zu diesem Denkprozess gern ein. Damit möchte ich meine Ausführungen schließen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Sperrfrist: Redebeginn

Thüringer Handwerk begrüßt Programm „Stadtumbau Ost“ Meldung vom 16.08.2001

Erfurt, den 16. August 2001

Thüringer Handwerk begrüßt Programm „Stadtumbau Ost“

Der Thüringer Handwerkstag begrüßt die angekündigte Fortsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“, insbesondere die Pläne, sich stärker auf den Bestandserhalt zu konzentrieren. Denn die Sicherung der städtischen Kernbereiche und damit die Stabilisierung des innerstädtischen Wohnungsbestand ist eine vordringliche städteplanerische Aufgabe und kommt darüber hinaus insbesondere kleinen und mittelständischen Betrieben des Baugewerbes zugute.

Es sei zwar eine Rückführung des Wohnungsbestandes angesichts der dramatisch angestiegene Leerstände unvermeidbar. Ein „Diktat der Abrissbirne“ dürfe es allerdings nicht geben, betonte der Präsident des THT, Wolfgang Bachmann. Wo immer es möglich sei müsse dem Erhaltung und der Modernisierung des Wohnungsbestandes der Vorrang gegeben werden. Das gelte vor allem für den wertvollen Altbaubestand in den Städten.

Das Thüringer Handwerk hofft, dass durch das Stadtumbau-Programm mit seiner finanziellen Ausstattung in Höhe von insgesamt rund zwei Milliarden Mark für die Jahre 2002 bis 2004 die Investitionstätigkeit angeregt wird damit dringend notwendige Impulse für das Baugewerbe gegeben werden.

„Bauunternehmersicherungsgesetz“ Meldung vom 23.05.2001

Erfurt, den 23. Mai 2001

Gesetzesantrag auf den Weg gebracht

In Zusammenarbeit mit dem Thüringer Handwerkstag hat das Thüringer Justizministerium nunmehr einen eigenen Gesetzesantrag verfasst, um endlich die dringend notwendige Sicherung der Unternehmer eines Bauwerks gesetzlich zu gewährleisten. Kernpunkt ist das „Bauunternehmersicherungsgesetz“, das einen erweiterten Eigentumsvorbehalt des Unternehmers an eingebauten Sachen vorsieht. Damit soll sichergestellt werden, dass bei Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers das Eigentum für den Handwerker gesichert ist. Bisher geht das Eigentum an einer Sache in dem Moment der Verbindung mit dem Gebäude an den Auftraggeber über.

Außerdem soll der Subunternehmer gegenüber dem Generalunternehmer ein gesetzliches Pfandrecht an dessen Forderungen gegen den Auftraggeber erhalten. Und schließlich soll die Sicherungshypothek des Bauunternehmers aufgewertet werden.

Außerdem haben sich die Thüringer Gedanken zum „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ gemacht und hier Änderungen vorgeschlagen, die das bis dato uneffektive Gesetz näher an die Praxis bringen sollen.

Mit dem Gesetzesvorstoß im Bundesrat hat der Thüringer Justizminister sein Versprechen gegenüber dem Handwerk umgesetzt, und die dringlichsten Forderungen des Bauhandwerks erneut auf die Tagesordnung der Länderkammer gesetzt.

Dass ein solcher Vorschlag aus einem der neuen Bundesländer kommt, darf nicht verwundern. Auftraggeberinsolvenzen, schlechte Zahlungsmoral, Liquiditätsnot und die eingebrochene Baukonjunktur führten das ostdeutsche Bauhandwerk in eine tiefe Krise. Deutlich zeigte sich hier, dass Bauhandwerkern bei Forderungen insbesondere gegenüber zahlungsunwilligen Auftraggebern die bestehenden Gesetze kaum helfen. Die Krise am Bau hat die gesetzlichen Lücken deutlich offengelegt.

Daher hofft das Thüringer Handwerk nunmehr, dass die Thüringer Initiative nicht nur vom gesamten Handwerk in Deutschland unterstützt wird. Auch die Bundesländer müssen die Dringlichkeit erkennen und das „Bauunternehmersicherungsgesetz“ mittragen.

9. Parlamentarischer Abend des Thüringer Handwerks am 22.03.2001

Pressemitteilung des Thüringer Handwerkstages e.V. anlässlich des

9. Parlamentarischen Abends des Thüringer Handwerks am 22. März 2001 im Kongress Zentrum der Messe Erfurt

Das Handwerk schrumpft

Im Handwerk läuten die Alarmglocken bereits seit einigen Jahren. Nachdem die seit fast sechs Jahren anhaltende Krise am Bau auch in diesem Jahr keine Trendwende erfahren wird, und keine Anzeichen neuer Investitionsvorhaben in Größenordnungen zu erkennen sind, drängt der Thüringer Handwerkstag darauf, dass die Politik den Ernst der Lage endlich erkennt und entsprechend handelt.

Zum ersten Mal seit 1990 ist die Zahl der eingetragenen Handwerksbetriebe zurückgegangen; von 29 225 Ende letzten Jahres auf aktuell 29 165. Die Zahl der Lehrlinge ging auf 22 283 zurück, die der Beschäftigten auf rund 158 000.

Betroffen sind außer den Gesundheitsgewerken, dem Holzgewerbe und Teilen des Metallhandwerks alle Bereiche des Handwerks. Die Krise im Handwerk ist also nicht einzig im Bau- und Ausbauhandwerk zu erkennen, sondern umfasst weite Teile dieses für den Freistaat wichtigen Wirtschaftsbereiches.

Ursachen hierfür sieht das Handwerk unter anderem an den weiter bestehenden Strukturverwerfungen in der Thüringer Wirtschaft. Wenige industrielle Leuchttürme mit sehr guten Wachstumszahlen schaffen im Freistaat noch keinen konjunkturellen Sommer. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit bremst das Investitions- und Kaufklima im privaten Sektor und sorgt gleichzeitig, neben weiteren Faktoren, für den anhaltenden Schwarzarbeitsboom, der Betriebe wie den Staat um Milliardenbeträge schädigt.

Um den Aufbau einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung in den neuen Ländern voranzubringen, gilt es, insbesondere auf Bundesebene die Wirtschaftspolitik auf die tatsächlich tragende Säule zu konzentrieren, nämlich die kleinen und mittleren Betriebe, die rund 90 Prozent der Wirtschaft ausmachen.

Die Investitionsbereitschaft des Mittelstandes hat entscheidend mit steuerpolitischen Vorgaben, mit der Last der Lohnzusatzkosten und mit Möglichkeiten unternehmerischen Handelns zu tun. In der Kritik des Thüringer Handwerkstages stehen daher nicht nur die zu zaghaften Schritte der Unternehmenssteuerreform, sondern auch das Betriebsverfassungsgesetz, die verschleppte Rentenreform mit nach wie vor zu komplizierten und undeutlichen Vorstellungen einer stärkeren privaten Eigenvorsorge, die verfahrene Situation in der Gesundheitspolitik und nicht zuletzt die Öko-Steuer, die weite Teile des Handwerks belastet, während sie für Energie-Großverbraucher Sonderregelungen vorsieht.

Die geplante nächste Stufe der Öko-Steuer muss ausgesetzt und das Gesetz so umgebaut werden, dass es den eigentlichen Belangen entspricht.

Die weitere Förderung des Aufbaus Ost, dessen Notwendigkeit wohl von niemandem ernsthaft bestritten wird, darf nicht in einer kleinlichen Geber-Nehmer- Diskussion zerrieben werden. Mit einer kontinuierlichen Förderpolitik muss es gelingen, die Schere, die sich in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Ost und West auseinander bewegt, endlich dauerhaft zu schließen. Hierbei gilt es, die Entwicklung und Sicherung bestehender Betriebe ebenso zu unterstützen wie die Ansiedlung neuer, innovativer Unternehmen.

Eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung würde auch die anhaltende Abwanderung insbesondere junger und gut ausgebildeter Menschen aus Thüringen verringern beziehungsweise stoppen. Bereits heute herrscht in einigen Branchen wie beispielsweise in Teilen des Metall- und Elektrohandwerks Fachkräftemangel.

Investitionen in die Infrastruktur weiter dringend notwendig

Wichtiger Standortfaktor für Investoren ist die bestehende Infrastruktur. Während Thüringen über eine hochmoderne Telekommunikationsinfrastruktur verfügt, ist die Anbindung weiter Teile des Freistaates an das nationale und internationale Straßen- und Schienennetz weiterhin völlig unzureichend und bedarf eines zügigen Ausbaus und einer Modernisierung der bestehenden Strecken sowie des Baus neuer Trassen.

Das Handwerk sieht zudem die Gefahr, dass der Standortfaktor „Fachkräfte“ zunehmend in Gefahr gerät, da durch Abwanderung beziehungsweise lange Arbeitslosigkeit vieler Facharbeiter das Reservoir von einst zusammengeschmolzen ist. Bedarfsgerechte Qualifizierungen und arbeitsmarktpolitische Instrumente sind hier anzuwenden, damit Investoren auf qualifizierte Arbeitnehmer zurückgreifen können.

Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen

In der mittlerweile fast einjährigen Praxis hat sich dieses Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen als völlig unzureichend erwiesen. Sämtliche Neuregelungen wie die Erhöhung des Verzugszinses, die schnelle Fälligkeit von Rechnungen und die veränderten Abnahmemodalitäten haben nach Erfahrungen des Thüringer Handwerkstages die Zahlungsmoral in keinem Fall gebessert.

Da zum Teil mit krimineller Energie auf Kosten des Handwerkers Aufträge ausgelöst werden, die der Auftraggeber nie bezahlen wird, greift das Beschleunigungsgesetz viel zu spät ein.

Entscheidend ist aus Sicht des Thüringer Handwerkstages, dass bei Aufträgen ab einer Höhe von 10 000 DM eine Bankbürgschaft vom Auftraggeber vorgelegt werden muss. Wie der ausführende Handwerker Auftragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften zu erbringen hat, so muss es für den Auftraggeber Pflicht werden, seine Zahlungsfähigkeit nachzuweisen.

Viele der rund 400 im letzten Jahr in Konkurs gegangenen Thüringer Handwerksbetriebe wären mit einem besseren gesetzlichen Schutz vor zahlungsunwilligen Auftraggebern heute noch am Markt.

Dem Handwerk entsteht durch uneinbringliche Forderungen jährlich ein Schaden von rund 300 Millionen Mark.

Der Thüringer Handwerkstag fordert die sofortige Einsetzung des Bund-Länder-Ausschusses, um das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen kurzfristig zu ergänzen. Neben der Auftraggeberbürgschaft sollte das Gesetz außerdem einen erweiterten Eigentumsvorbehalt für eingebautes Material beinhalten.

Land und Kommunen haben Fürsorgepflicht

Im Rahmen ihrer Möglichkeiten sollten Land, Kreise, Städte und Gemeinden alles unternehmen, die kleinen und mittleren Thüringer Unternehmen zu unterstützen. Gebühren- und Abgabenpolitik sind hier ebenso zu überprüfen wie die Vergabepolitik der öffentlichen Hand. Begrüßt wird daher der Vorstoß des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur, die Mittelstandsrichtlinie des Landes zwingend auf die öffentlichen Vergaben der Landkreise und Kommunen zu übertragen. Ein Vergabeprozedere, das die spezifischen Bedürfnisse der kleinen und mittleren Betriebe in der Praxis berücksichtigt, ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der heimischen Wirtschaft. Leider sind nach wie vor zu viele öffentliche Vergaben an Generalauftragnehmer zu registrieren. Damit die Betriebe des heimischen Handwerks nicht weiter als abhängige Subunternehmer in das letzte Glied der Rechts- und Bezahlungskette gedrängt werden, ist die öffentliche Hand aufgefordert, mehr als bisher in Fachlosen auszuschreiben.

Investitionen der öffentlichen Hand haben Lenkungscharakter, die die Verantwortung gegenüber den Steuer zahlenden, Arbeitsplätze schaffenden und ausbildenden Betrieben im Lande einbeziehen. Die Verantwortlichen im Land können daher nicht sehenden Auges den Erdrutsch in der Bauwirtschaft ausschließlich als Marktbereinigung betrachten, sondern haben hier eine Fürsorgepflicht gegenüber Betrieben, Beschäftigten und Lehrlingen. Die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse in der Thüringer Bauwirtschaft sind abzufedern. Ungeeignet ist nach Auffassung des Thüringer Handwerkstages allerdings das vom Land gern praktizierte „Erfurter Modell“, indem das Land privat finanzierte und gebaute Objekte anschließend least. Investitionen werden damit zwar vorgezogen, allerdings zu einem hohen Preis. Denn Sicherungsinstrumente, die in der öffentlichen Vergabe (VOB) integriert sind, brauchen i
m privaten Baurecht nicht berücksichtigt werden, Preiskämpfe und Dumping sind das Resultat. Mittelstandsrichtlinie und VOB sind daher auch im Rahmen von Aufträgen über das sogenannte „Erfurter Modell“ zwingend anzuwenden.

Städte und Gemeinden sind aufgefordert, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und nicht weiter durch „Schein“privatisierungen von Eigenbetrieben in den Wettbewerb der privaten Wirtschaft einzugreifen.

BSE-Krise im Fleischerhandwerk zu spüren

Nicht nur Landwirte und die verarbeitende Fleischindustrie sind Leidtragende der europäischen BSE-Krise. Die Verunsicherung der Kunden schlägt sich auf das Kaufverhalten nieder.

Den Fachbetrieben der Fleischerinnungen gelingt es zwar besser als manch anderem, mit Qualitätsprodukten und guter Beratung das Vertrauen der Kundschaft zum Nahrungsmittel Fleisch wieder herzustellen. Doch insbesondere die Verteuerung der Produkte führt zur Kaufzurückhaltung der Kunden.

In die vorgesehene finanzielle Unterstützung von Land und Bund ist daher auch das Fleischerhandwerk einzubeziehen.

Umstellung der Ausbildungsförderung findet Anklang

Nach ersten Verwirrungen unter den Betrieben nach Änderung der Ausbildungsförderung, findet die Umstellung nunmehr bei sehr vielen Betrieben Anklang. Zusatzqualifikationen für Lehrlinge im Rahmen der Ausbildung sollen nicht nur das Ausbildungsniveau weiter anheben. Für einen erfolgreichen Schritt in den Arbeitsmarkt nach der Ausbildung ist es für die Gesellen heute wichtig, zusätzliche Kenntnisse vorweisen zu können.

Für die Betriebe haben die Maßnahmen den Vorteil, dass spezielle Qualifikationen, die im Rahmen-Ausbildungsplan nicht vorgesehen sind, bereits während der normalen Ausbildung vermittelt werden können.

Nach Einschätzung des Thüringer Handwerkstages e.V. wird die Zahl der Ausbildungsplätze im Handwerk in diesem Jahr nicht steigen. Die Ursachen sind bekannt.

Handwerk für Kreditinstitute ein rotes Tuch?

Mit dem Rückzug zahlreicher Großbanken aus der Fläche und aus dem Geschäft mit dem Mittelstand ist für viele Betriebe des Handwerks eine ausgesprochen schwierige Situation entstanden. Da die meisten Betriebe über eine zu schmale Eigenkapitaldecke verfügen und damit über mangelnde Liquidität, sind sie auf Kredite angewiesen. Allerdings ist die aktuelle Kreditpolitik ausgesprochen regressiv und damit nicht nur entwicklungshemmend, sondern für viele Betriebe existenzbedrohend. Der Thüringer Handwerkstag e.V. fordert daher von Banken und Sparkassen, ihre Kreditpolitik umgehend zu ändern, um den Betrieben Entwicklungschancen zu geben.

Der Baseler Akkord als Reaktion auf die globalen Anforderungen an die europäische Kreditwirtschaft wird möglicherweise zu mehr Transparenz in der Kreditpolitik führen. Auch die kreditsuchenden Unternehmen haben sich den neuen Bedingungen anzupassen. In der Handhabung darf es aber nicht dazu kommen, dass die neuen Kriterien ausschließlich zu Lasten des Mittelstandes gehen. In jeder Risikoeinschätzung muss ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens und damit möglicherweise einer Region enthalten sein.