28. Juni 2021
Ob Coffee-to-go oder Mittagessen in einer Wegwerfbox: Die Menge an Plastikmüll steigt kontinuierlich an. Ende Mai hat der Bundesrat deshalb neue Regeln für den Verkauf von Plastikverpackungen beschlossen. Die Novelle des Verpackungsgesetzes (VerpackG2), die gestaffelt ab 3. Juli 2021 in Kraft tritt, soll das Recycling verbessern und das Müllaufkommen reduzieren. Im Handwerk müssen sich vor allem Bäcker, Konditoren und Fleischer, die in ihren Cafés und Imbissen Speisen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen, auf Änderungen einstellen.
Der Thüringer Handwerkstag (THT) e.V. nahm bereits während des Gesetzgebungsprozesses im Jahr 2020 Stellung und setzte sich vor allem für die Belange von kleinen und mittleren Betrieben ein. „Das Gesetz verfolgt grundsätzlich den richtigen Gedanken, ist jedoch noch nicht auf Praxistauglichkeit geprüft. Es braucht eine Lösung, die gut für die Umwelt ist und die Nachhaltigkeit vorantreibt, die Betriebe aber insbesondere nach den Corona-bedingten Einschränkungen im gastronomischen Bereich nicht vor neue finanzielle Belastungen stellt. Zusätzliche Auflagen und geringe Übergangsfristen, wie sie das Verpackungsgesetz vorgibt, wirken kontraproduktiv“, sagt der THT-Präsident Stefan Lobenstein. Er hofft auf Nachbesserungen der Novelle im parlamentarischen Verfahren.
Unterschiedliche Reaktionen aus dem Thüringer Lebensmittelhandwerk
Auch der Landesinnungsmeister beim Landesinnungsverband des Thüringer Bäckerhandwerks, Lutz Koscielsky, sieht die neuen Auflagen kritisch: „Ohne Frage müssen beim Thema Kunststoffmüll neue Lösungen gefunden werden. Größere Betriebe können den Mehraufwand irgendwie schultern. Aber gerade die kleinen und Kleinstbetriebe, die die Mehrheit der Thüringer Bäckereien bilden, können den unzähligen Auflagen nicht mehr gerecht werden. Dabei sollten wir doch gerade stolz auf unsere Handwerksbäckereien sein und sie schützen. Viele ihrer Spezialitäten wurden über hunderte Jahre überliefert, nun sind sie gefährdet.“ Koscielsky regt an, dass kleine Unternehmen von bestimmten Regelungen ausgenommen werden. Er fordert die Politik zu Entlastungen auf, um die regionale Bäckertradition auch für die Zukunft zu bewahren.
Die hiesigen Fleischereibetriebe bereiten sich ebenfalls auf die Umstellung der Verpackungen vor. Ein verpflichtendes Angebot von Mehrwegverpackungen sieht der Landesinnungsmeister beim Landesinnungsverband des Fleischerhandwerks Thüringen e.V., Thomas Hönnger, als Chance zum Umdenken. „Gerade in Corona-Zeiten haben wir viel außer Haus verkauft. Unser Aufkommen an Verpackungsmaterial ist gestiegen“, berichtet er über seine sieben Filialen in Jena, Erfurt und Dorndorf-Steudnitz. Deshalb sei man beim Landesinnungs- sowie beim Zentralverband des Fleischerhandwerks auf der Suche nach umweltfreundlicheren, aber auch hygienisch einwandfreien Alternativen, beispielsweise aus Bambus. „In den Verbänden könnten wir uns ein zentrales Pfandsystem aus Mehrwegbehältnissen gut vorstellen. Wir würden uns wünschen, bald einen passenden Hersteller zu finden, bei dem unsere Innungsbetriebe über einen Rahmenvertrag günstige Konditionen erhalten“, so Hönnger.
Die Neuregelungen im Überblick:
Ausweitung der Registrierungspflicht
Sämtliche Hersteller von mit Ware befüllten Verpackungen und Serviceverpackungen müssen sich ab 3. Juli 2021 im Verpackungsregister LUCID registrieren. Neu betroffen sind auch Erstinverkehr¬bringer, die Serviceverpackungen mit Waren befüllen und an Kunden weitergeben. Dazu gehören auch Bäcker oder Fleischer, die ihre Tüten mit Ware befüllen und sie als erste in den Verkauf bringen. Auch sie müssen sich bei der Zentralen Stelle ZSVR registrieren.
Erweiterung der Pfandpflicht
Künftig soll es auf jeden Getränkebehälter aus Kunststoff Pfand geben. Die Einwegpfandpflicht wird auf sämtliche PET-Flaschen und Aluminiumdosen erweitert. Für Getränke aus Milcherzeugnissen (z.B. Joghurt) ist eine Übergangsfrist bis 2024 vorgesehen.
Empfehlung von Mehrwegalternativen
Gastronomen sollen ab 1. Januar 2023 ihre „Take-away“-Speisen und Getränke nicht nur in Einwegkunststoffverpackungen verkaufen, sondern auch Mehrwegalternativen anbieten. Die Mehrwegvariante darf nicht teurer sein als das Produkt in der Einwegverpackung. Ausgenommen sind Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche und bis zu fünf Mitarbeitern. Sie sollen Verbrauchern anbieten, eigene Behälter zu befüllen.
Weitere Gesetzesinhalte sehen vor, dass neue Einwegkunststoffflaschen künftig einen Mindestanteil von 25 Prozent Recycling-Kunststoff enthalten müssen (ab 2025).