„ENTSTAUBT, GESCHLIFFEN UND FRISCH POLIERT!
MIT NEUEM SELBSTBEWUSSTSEIN STELLT SICH DAS HANDWERK DER ZUKUNFT!“
Das Motto der THT-Mitgliederversammlung klingt vielversprechend – nicht zu Unrecht! Der wirtschaftliche Schock im Zuge der Finanzkrise 2008 ist überwunden und die Stimmung im Thüringer Handwerk so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Dies zeigen die aktuellen Umfragewerte, die einen branchenübergreifenden Aufschwung auf höchstem Niveau attestieren. „Ob Geschäftslage, Beschäftigungsentwicklung oder Umsatz, Thüringer Handwerksbetriebe gehen gestärkt aus der großen Krise hervor und schauen selbstbewusst nach vorn“, verkündet Rolf Ostermann, Präsident des Thüringer Handwerkstages, zur THT-Mitgliederversammlung gute Meldungen aus dem Handwerk.
Die positiven Konjunkturdaten, mit denen das Handwerk seit über einem Jahr brilliert, haben vielerlei Gründe. Die wachsende Zahl an Arbeitsplätzen lässt zu, dass mehr Menschen für Qualitätsarbeit und werthaltige Produkte Interesse zeigen. Es ist spürbar, dass private Kunden aber auch Industrie und Gewerbe wieder stärker investieren. Von dieser Belebung des Binnenmarktes profitiert eindeutig das Handwerk – Die Milliarden aus den Konjunkturprogrammen des Bundes in den letzten beiden Jahren nicht zu vergessen, die insbesondere zur Stabilisierung der Bau- und Ausbauhandwerke beitrugen.
Es gibt auch ein „ABER“: Mit Sorge beobachtet das Handwerk die Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten sowie die zurückhaltenden Konjunkturprognosen namhafter Wirtschaftsinstitute. Obwohl die aktuelle Leistungskraft des Thüringer Handwerks überdurchschnittlich gut ist, erfordern diese Entwicklungen wachsame Beobachtung.
Der THT hofft, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht komplett auf die Realwirtschaft durchschlagen und eine erneute Wirtschaftskrise nach sich ziehen. Vieles hängt nach Überzeugung des THT jedoch davon ab, wie souverän und entschlossen die europäischen Regierungen die Haushalts- und die Euro-Krise in den Griff bekommen. Während sich die Betriebe immer flexibler auf konjunkturelle Schwankungen einstellen, wird die Sicherung des Fachkräftebedarfs dauerhaft eine weitaus größere Herausforderung darstellen. Handwerk ist aufgrund seiner durchweg qualifizierten Tätigkeiten auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Die Imagekampagne des Handwerks wurde daher Anfang 2010 insbesondere als Nachwuchswerbung gestartet und soll Jugendliche für das Handwerk begeistern. Ein Kampagnenziel ist es, dass Jugendliche Handwerk als jenen modernen und attraktiven Wirtschaftsbereich wahrnehmen, der es ist; mit vielfältigen beruflichen Perspektiven, Karrierechancen und großem Potenzial zur Selbstverwirklichung bis hin zur beruflichen Selbständigkeit.
Handwerk und Bildung
Eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Handwerks bleibt die schulische Bildung. Diese hält allerdings nur bedingt mit dem Innovationstempo der Wirtschaft Schritt. Neben einer Verbesserung von Bildungsstand und Motivation der Jugendlichen gilt es, die berufliche Orientierung als Scharnier zwischen Schule und Ausbildung zu verstetigen. Der Thüringer Handwerkstag fordert daher, das Programm „Berufsstart Plus“ endlich als Regelleistung zu etablieren, um Ausbildungsabbrüche zu verringern.
Ein weiteres erfolgreiches Projekt ist die Einstiegsqualifizierung. Diese Langzeitpraktika mit verbindlichen Qualifizierungsbausteinen in Betrieben haben sich im Handwerk hervorragend bewährt und bereits vielen Jugendlichen zu einem erfolgreichen Start in die Ausbildung verholfen. Gerade in Zeiten sinkender Bewerberzahlen bleiben eine umfassende Berufsorientierung und die Einstiegsqualifikation wichtige Angebote für junge Menschen auf ihrem Weg in die Berufswelt.
Zum Wettbewerb um die künftigen Fachkräfte gehört darüber hinaus eine Schulnetzplanung, die den Anforderungen von Betrieben und Lehrlingen entspricht und nicht in erster Linie nach Landkreisgrenzen ausgerichtet ist. Hier erwartet das Thüringer Handwerk eine bessere Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft. Unsichere Schulstandorte und lange Wege zur Berufsschule führen zu weiter steigenden Abbrecherzahlen und tragen nicht dazu bei, insbesondere Ausbildungsberufe mit geringen Lehrlingszahlen in ihrer Attraktivität zu steigern. Das darf nicht Ergebnis der Schulnetzplanung sein.
Positiv bewertet das Handwerk die zusätzliche Landesförderung der Qualifizierung Berufstätiger. Mit den individuellen Weiterbildungschecks und der Förderung eines nebenberuflichen Masterstudiums werden neue Möglichkeiten in der Bildung von Arbeitnehmern geschaffen. Dies ist ein wichtiger Schritt, berufliche und akademische Bildung enger zu verzahnen und lebenslanges Lernen zu erleichtern. Allerdings, so die Forderung des Handwerks, sollten berufliche Abschlüsse stärkere Anerkennung im Studium erfahren. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Förderung des lebenslangen Lernens. Gerade Handwerksbetriebe mit durchschnittlich nur knapp fünf Beschäftigten sind darauf angewiesen, dass sich ihre Fachkräfte nebenberuflich qualifizieren.
Handwerk ist ein Megatrend – Förderung des Landes darf nicht am Handwerk vorbei gehen
Wachstumsfelder Thüringens aufzuzeigen, ist eine wichtige Aufgabe des Wirtschaftsministeriums und wird vom Handwerk begrüßt. Die im Trendatlas aufgeführten Wege und Leitlinien unterschlagen allerdings einen ganz bedeutenden Wirtschaftsbereich fast in Gänze: das Handwerk. Aus Sicht des Handwerks hat der Thüringer Trendatlas keine Balance zwischen Rasenmäherkürzung und punktueller Förderung gefunden, da er lediglich wenige Industriebranchen als Wachstumsmärkte identifiziert und den Rest der Wirtschaft von deren Erfolge lediglich partizipieren lassen will. Eine starke mittelständische Wirtschaftsstruktur entwickelt sich nach Überzeugung des Thüringer Handwerkstages jedoch nicht allein aus wenigen Clustern sondern aus der Breite innovativer und leistungsfähiger Unternehmen unterschiedlicher Branchen. „Förderpolitik darf keine Scheuklappen haben sondern muss branchenoffen sein“, fordert Ostermann vom Thüringer Wirtschaftsministerium eine breit angelegte Förderstruktur. Nicht die Hoffnung auf einige wenige Großinvestitionen bringt Thüringen voran. Das sind laut Ostermann „Luftschlösser“. Vielmehr muss geschaut werden, Fördergelder effizient einzusetzen.
Das im Frühjahr novellierte Mittelstandsfördergesetz wird vom Handwerk aufgrund seiner inhaltlichen Breite und Zielsetzung begrüßt. Für die kompetente Unterfütterung biete das Handwerk seine Mithilfe an, so Ostermann. Der Präsident kritisiert jedoch, dass bei der wirtschaftsministeriellen Strategieentwicklung zu wenig auf die Erfahrungen des Handwerks beispielsweise aus dem organisationseigenen Beratungswesen zurückgegriffen wird. Insbesondere werden laut Ostermann Handwerk und Innovationskraft zu selten miteinander in Verbindung gebracht. Als Schnittstelle zwischen Forschung, Industrie und Verbraucher ist das Handwerk jedoch eine wichtige Schnittstelle und hat auf zahlreichen technologischen Gebieten wie beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien, im Werkzeugbau, der Kfz- und der Elektrotechnik hohes Anwender-Know-how zu bieten.
Positionen auf Papier
Der Thüringer Handwerkstag gibt anlässlich der Mitgliederversammlung jedes Jahr ein Positionspapier mit den wesentlichen Forderungen an Bundes- und Landespolitik heraus.
Die Haushaltskonsolidierung in Bund wie Land sowie die Sicherung der Sozialversicherungssysteme als Grundlage dauerhafter Handlungsfähigkeit steht in 2011 im Mittelpunkt der Forderungen des Thüringer Handwerks. Dauerbrenner bleiben die Senkung der Steuersätze und eine Strukturreform des Einkommenssteuerrechts, um vor allem kleine und mittlere Einkommen zu entlasten und den „Mittelstandsbauch“ abzubauen. Das kompl
ette Positionspapier können Sie als pdf (siehe unten) downloaden.
Zahlen aus dem Thüringer Handwerk
Das Handwerk im Freistaat legt weiter zu. Bis Mitte des Jahres wuchs die Zahl der Thüringer Handwerksbetriebe auf 31.908. Ca. 146.000 Beschäftigte und 8.565 Lehrlinge zählten die Betriebe zum Stichtag 30. Juni. Der Umsatz betrug in 2010 ca. 14 Milliarden Euro.
Den Löwenanteil machen weiterhin die Handwerke der Anlage A (zulassungspflichtige Handwerke) aus. Mit 20.569 Betrieben bilden sie den mit Abstand größten Bereich vor der Anlage B1 (bis 2004 zum Vollhandwerk zugehörig und seither als zulassungsfreie Handwerke registriert) mit 6.047 Betrieben und der Anlage B1 (handwerksähnliche Gewerbe) mit 5.292 Betrieben.
Die zahlenmäßig stärksten Branchen sind weiterhin die Bau sowie die Elektro- und Metallhandwerke mit zusammen 61 Prozent aller Betriebe. Während der Anteil der Gesundheitshandwerke in den zurückliegenden 20 Jahren von ca. 10 Prozent auf 15 Prozent anwuchs, verringerte sich der Anteil der Nahrungsmittelhandwerke an der Gesamthandwerkszahl von fast 8 auf 4 Prozent. Während beispielsweise die Anzahl der Bäcker vom Jahr 2000 bis heute von 637 auf 526 und die der Fleischer von 702 auf 572 sank stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Augenoptikerbetriebe von 245 auf 259 und die der Friseure sogar von 1.667 auf 2.168.
Die voraussichtlich auch in diesem Jahr weiter leicht gesunkene Zahl an Schulabgängern (2010 waren es 14.662) macht sich auf dem handwerklichen Ausbildungsmarkt bemerkbar. Über 700 offene Ausbildungsplätze sind in den Lehrstellenbörsen der Handwerkskammern derzeit registriert, davon rund ein Drittel bereits für den Ausbildungsbeginn 2012 – so viele wie noch nie.
2.440 neue Ausbildungsverträge wurden bis zum Stichtag 15. September abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies lediglich 62 Verträge weniger. Ziel ist, bis Ende des Jahres wieder bis zu 3.200 Neuverträge abzuschließen.
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