Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am Donnerstag, 13. Oktober 2005, in Gera

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V.

am Donnerstag, 13. Oktober 2005, in Gera

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– Die Rede des Präsidenten

– Forderungen des Thüringer Handwerksan die Bundesregierung,
  den Bundestag und Bundesrat

 Prüfsteine des Handwerks für die Bundesregierung ab 2005

– Das Thüringer Handwerk in Zahlen

Pressemitteilungen:

– Der Thüringer Handwerkstag zur aktuellen bundespolitischen Situation

– Aktuelles aus dem Thüringer Handwerk
   Die konjunkturelle Situation
   Handwerk und Ausbildung
   Das Handwerk und der Freistaat

 Aktuelles aus dem Thüringer Handwerkstag
   Nachwahlen
   Ehrungen


             
Der Thüringer Handwerkstag zur aktuellen bundespolitischen Situation

„Mit der Klärung der Kanzlerfrage und der Aufnahme der Koalitionsgespräche haben wir eine Grundlage bekommen, auf der in den nächsten Wochen unbedingt konkrete Ergebnisse herausgearbeitet werden müssen,“ so der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Rolf Ostermann.

Nach Überzeugung des THT bietet eine große Koalition sowohl Chancen als auch Gefahren. „Die Chance, notwendige Reformen jetzt mit einer großen Mehrheit in Bundestag und Bundesrat zu realisieren, ist jetzt gegeben und muss angepackt werden. Allerdings muss bei der Suche des kleinsten gemeinsamen Nenners in den Sachfragen auch ein noch sichtbares Ergebnis herauskommen.“

„Nachdem es mit einer recht zweifelhaften Begründung vor drei Wochen zu Bundestagsneuwahlen gekommen war, hat sich in Berlin ein politisches Schauspiel abgespielt, das für eine hochentwickelte Demokratie wie Deutschland einfach unwürdig ist,“ kommentiert Ostermann im Rahmen der THT-Mitgliederversammlung die letzten Wochen im politischen Berlin. Während die Betriebe dringende Reformen erwarteten, übten sich die Verantwortungsträger in Regierung und Parteispitzen einzig im Machtjonglieren.

Nachdem die Bürger diese Parteienkonstellation gewählt haben, erwartet der THT nunmehr von den führenden Politikern ernsthafte und sachorientierte Verhandlungen. „Wir im Handwerk akzeptieren jede demokratisch entstandene Regierung, wenn sie bitte schön sich nicht an uns austoben will,“ unterstreicht der THT-Präsident und nennt dabei gleich auch die Befürchtung des Handwerks, womöglich als Verhandlungsmasse dienen zu können.

Die konkreten Forderungen des Thüringer Handwerks sind in zwei Papieren niedergeschrieben. Sie richten sich zum einen an die Bundesregierung („Prüfsteine des Thüringer Handwerks an die Bundesregierung ab 2005“) und zum anderen auch an den Bundestag und den Bundesrat („Forderungen des Thüringer Handwerks anlässlich der Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages an die Bundesregierung, den Bundestag und Bundesrat“).


Aktuelles aus dem Thüringer Handwerk


Die konjunkturelle Situation

Für das Jahr 2005 kann das Thüringer Handwerk erneut keine durchgehend positive Entwicklung konstatieren. Vor allem im zulassungspflichtigen Handwerk (Anlage A) gehen Beschäftigung und Umsatz weiter zurück. Einzig die Zahl der Betriebe steigt. Vom 30. September 2004 zum 30. September 2005 stieg die Zahl der in den Handwerkskammern eingetragenen Betriebe um 1.051 auf insgesamt 30.490. Den größten Zuwachs erlebten die zulassungsfreien Handwerke (Anlage B1), die von 3.105 auf nunmehr 3.848 Betriebe anwuchsen. Dem gegenüber blieb die Zahl der zulassungspflichtigen Handwerke (Anlage A) nahezu konstant mit derzeit 20.619 Betrieben; vor einem Jahr waren es 20.463.

Die Zahl der Beschäftigten reduzierte sich erneut und liegt aktuell bei rund 136.000.

Die Betriebszuwächse dürfen nicht über die wirtschaftliche Situation des Gesamthandwerks hinwegtäuschen. Die Erfahrungen aus der Betriebsberatung bestätigen die Einschätzung des Landesamtes für Statistik: Nicht mehr ausschließlich das Bauhandwerk ist für die Entwicklung verantwortlich.

Auch in anderen Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe sind zum Teil deutliche Umsatzeinbußen und Beschäftigungsabbau zu verzeichnen. Lediglich Betriebe im sonstigen Dienstleistungsgewerbe konnten ein Umsatzplus und konstante Beschäftigtenzahlen melden.

Erst zum Herbst hin hellte sich die Lage etwas auf. Die pessimistischen Einschätzungen im Winter wurden von einem leichten Herbstoptimismus abgelöst. Allerdings bleibt zu verzeichnen, dass das Handwerk (nicht nur in Thüringen) seit einigen Jahren erheblichen saisonalen Schwankungen unterliegt. Die wirtschaftliche Unsicherheit der Unternehmen und die geringe Kaufkraft der Bevölkerung drücken sich weiterhin in einer deutlichen Investitionszurückhaltung des Handwerks aus.

Die durchschnittliche Betriebgröße sank in den letzten zwölf  Monaten auf 4,5 Beschäftigte je Betrieb. Vor zehn Jahren waren noch durchschnittlich sechs Beschäftigte je Betrieb zu verzeichnen. Gerade diese Entwicklung macht dem Handwerk große Sorgen. Denn die Aufgaben des Handwerks in Wirtschaft und Gesellschaft sind in vollem Umfang und kontinuierlich nur dann zu realisieren, wenn es genug leistungsstarke Betriebe gibt. Hier sind in erster Linie die Ausbildung und die Versorgung mit handwerklichen Leistungen, die gegenüber Industrie und öffentlicher Hand zu erfüllen sind, zu sehen.

Nicht die Betriebszahlen, sondern vielmehr Umsatz- und Beschäftigtenentwicklung spiegeln die konjunkturelle Lage wider. Somit kann der Thüringer Handwerkstag nicht die Jubelmeldungen der scheidenden Bundesregierung nachvollziehen, die in dem Plus an Betrieben einen Erfolg ihrer Handwerkspolitik sieht. Die deutlichen Steigerungen finden vor allem in den zulassungsfreien Handwerken statt und hier überdeutlich im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk.  Seit dem 1. Januar 2004, also dem Inkrafttreten der Novellierung der Handwerksordnung, stieg in Thüringen die Zahl der Fliesenleger von 466 auf 1.208 an. Das ist eine Zunahme um knapp 260 Prozent. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl der Lehrlinge  in diesem Handwerk von 152 auf aktuell 62. „Wer solche Zahlen als Erfolg verkauft, hat keine Ahnung von verantwortungsvoller und nachhaltiger Wirtschaftspolitik. Denn hier wird für den kurzfristigen Erfolg ein hochwertiger Ausbildungs- und Meisterberuf zerrieben,“ wirft Ostermann dem Bundeswirtschaftsminister vor.

Der Thüringer Handwerkstag befürchtet, dass die Novellierung der Handwerksordnung binnen zehn Jahren ein verändertes Handwerk schafft; allerdings nicht um Guten. Die seit 2004 politisch geförderte Dequalifizierung im Handwerk wird sich fortsetzen. Meistergeführte Betriebe werden an Gewicht verlieren. Dafür werden immer mehr fachlich wie unterne
hmerisch schlecht qualifizierte Betriebe gegründet. Letztlich muss der Kunde entscheiden, welche Qualität er für sein Geld einkaufen möchte.  „Der Handwerksmeister ist der Garant für handwerkliche Qualität. Daran sollten alle denken, die für ihre Investition einen entsprechenden Gegenwert erwarten,“ so der THT-Präsident.

Handwerk und Ausbildung

Im Thüringer Ausbildungspakt 2005 verpflichtete sich das Handwerk, bis Jahresende 5.100 Ausbildungsverträge abzuschließen. „Wir sind auf einem guten Weg, müssen aber weiterhin alle Kräfte mobilisieren,“ erläutert Ostermann die aktuellen Zahlen. Bis zum 30. September wurden im Thüringer Handwerk 4.193 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr sind das lediglich 1,4 Prozent weniger. „Wenn wir den Beschäftigtenabbau und die Umsatzeinbußen im Handwerk sehen und dann diese Ausbildungszahl, dann kann ich mich nur bei allen Betrieben bedanken, die auch in diesem Jahr ausbilden,“ unterstreicht Ostermann.

Es bleibt aber deutlich, dass die seit einigen Jahren wirtschaftlich schlechte Situation im Handwerk seinen Niederschlag in der Ausbildung findet.

„Die Ausbildung der Jugend als gesellschaftliche Aufgabe wird vom Handwerk ernstgenommen und umgesetzt. In keinem anderen Wirtschaftsbereich wird auch nur annähernd so intensiv ausgebildet wie im Handwerk. Deshalb ist es extrem fahrlässig, wenn andauernd an der Qualifizierungsstruktur des Handwerks herumexperimentiert wird.

Nicht nur die Qualität von Produktion und Dienstleistung ist mit dem Meisterbrief verbunden, sondern vor allem auch die Ausbildungsleistung. Das sollte die Politik endlich begreifen,“ fordert der THT-Präsident.

Mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr wurden bisher unter anderem bei den Fahrzeuglackierern, Friseuren, Nahrungsmittel-Fachverkäuferinnen, Anlagenmechaniker SHK, Mechaniker für Landmaschinen und bei den Bürokaufleuten abgeschlossen.

Im Minus befinden sich Bauberufe wie Maurer, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger und Dachdecker. Metallbauer, Karosserie- und Fahrzeugbauer, Kfz-Mechatroniker, Zahntechniker und Bäcker registrierten ebenfalls ein Minus.

Erfreulich: Erstmals seit rund drei Jahren verzeichnen die Maler wieder konstante Ausbildungszahlen zum Vorjahr.

Insgesamt waren zum 30. September 15.073 junge Menschen in einer handwerklichen Ausbildung.

Da immer noch Bewegung auf dem Ausbildungsmarkt ist, können auch jetzt noch Ausbildungsplätze erfolgreich besetzt werden. Deshalb ruft Ostermann nochmals alle ausbildungsberechtigten und ausbildungsfähigen Betriebe auf, sich (auch kurzfristig) für die Bereitstellung eines Ausbildungsplatzes zu entscheiden.

Das Handwerk und der Freistaat

Mit der zum Beginn der Legislaturperiode unterzeichneten gemeinsamen Vereinbarung haben sich Thüringer Handwerk und Landesregierung eine Grundlage geschaffen, auf deren Basis der Wirtschaftsbereich Handwerk fortentwickelt werden soll.

Das Land ist in seinen Handlungsspielräumen nicht zuletzt aufgrund der Haushaltslage allerdings sehr eingeschränkt. Dies spürt das Handwerk beispielsweise in den immer geringer werdenden Mitteln für die betriebliche Förderung. Im kommenden Jahr wird das Fördervolumen voraussichtlich nur noch für die organisationseigene Beratungsleistung ausreichen. Die Ausbildungsförderung wie beispielsweise die Förderung der Überbetrieblichen Lehrunterweisung soll von den Sparzwängen unberührt bleiben. „Das ist ein positives Signal,“ so Ostermann zu den weiteren Sparplänen.

Das Handwerk erwartet von der Bundes- wie von der Landesregierung keine Subventionen. „Was wir aber brauchen ist ein Nachteilsausgleich, weil unsere kleinbetriebliche Struktur in den meisten Fällen nicht in die Ausrichtung unseres Landes und des Bundes hineinpasst. Allerdings ist diese angepasste Förderung mittlerweile fast komplett den Sparzwängen zum Opfer gefallen. Wenn es aber keine spezielle Förderung für das Handwerk gibt, dann muss mindestens eine Gleichbehandlung aller bei der Förderung gewährleistet sein,“ fordert der THT-Präsident.

In diesem Zusammenhang lehnt das Handwerk Überlegungen ab, die Investitionszulage zugunsten der GA-Förderung abzuschaffen, da die meisten Handwerksbetriebe nicht die Förderkriterien erfüllen.

Kritisch sieht das Thüringer Handwerk jüngste Gedanken, eine neue Beteiligungsstruktur in der Bürgschaftsbank Thüringen (BBT) herzustellen sowie Geschäftsfelder der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft in der TAB doppelt aufzubauen. Zwar gehört auch das Handwerk zu den Befürwortern verschlankter Förderinstrumentarien; allerdings nicht um jeden Preis. Es müssen vielfältige Möglichkeiten einer Risikoabdeckung erhalten bleiben. Eine Verschlankung sollte die Übersicht verbessern, aber nicht die Möglichkeiten verringern.


Aktuelles aus dem Thüringer Handwerkstag

Nachwahlen

Hans-Jürgen Vogel, Landesinnungsmeister des Landesverbandes des Kraftfahrzeughandwerks, wurde von den Mitgliedern des Thüringer Handwerkstages zum neuen Vizepräsidenten gewählt. Er folgt damit Karl-Heinz Schneider, der von seinem Amt des THT-Vizepräsidenten aufgrund seiner Wahl zum Bundesinnungsmeister des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks zurückgetreten war.

Vogel ist langjähriges Vorstandsmitglied der Thüringer Handwerkstages.

Außerdem wurde Dr. Gunter Oeser neu in den THT-Vorstand gewählt. Oeser ist Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes für das thüringische Dachdeckerhandwerk.

Ehrungen

Gleich drei mal wurden die Ehrennadeln des Thüringer Handwerkstages in Gold an diesem Tag an verdiente Handwerker sowie einem verdienten Förderer des Handwerks überreicht.

Die Ehrungen erhielten:

Hans-Jürgen Lenk, Obermeister der Landesinnung Thüringen des Gebäudereinigerhandwerks,
Dietrich Roese, Landesinnungsmeister des Fachverbandes Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Thüringen und
Alexander Holzmann, Geschäftsführende Gesellschafter der Hans Holzmann Verlag GmbH & Co KG.

Außerdem wurde dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Ostthüringen, Klaus-Peter Creter, die Ehrennadel des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks verliehen. Diese Auszeichnung übernahm der Generalsekretär des ZDH, Hans Eberhard Schleyer.