Thüringer Handwerk kritisiert Ablehnung einer Fristverlängerung für die Umrüstung von Kassensystemen
Mit Blick auf die Krisenlage vieler Betriebe bedauert das Thüringer Handwerk die Ablehnung einer Fristverlängerung für die Aufrüstung von Kassensystemen durch das Bundesfinanzministerium.
„In der aktuellen Situation sind den Handwerksbetrieben die zusätzlichen Investitionen, die sie für die Umstellung in die Hand nehmen müssen, nicht zuzumuten“, kritisiert Stefan Lobenstein, Präsident des Thüringer Handwerkstag e.V. . Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen bis spätestens 1. Oktober 2020 alle Registrierkassen mit einer technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Diese ist derzeit noch nicht in ausreichender Zahl lieferbar.
Seit März dieses Jahres kämpften viele Betriebe mit folgenschweren Liquiditätsengpässen und Existenzsorgen. Dass sie bis zum 1. Oktober neue Kassen anschaffen oder mit der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung aufrüsten sollen, sei schwer zu vermitteln. „Die Investition ist vor allem für kleine und mittlere Betriebe von großem Ausmaß und belastet nachhaltig die zur Verfügung stehende Liquidität“, sagt Stefan Lobenstein. Gesetzliche Vorgaben sollten in diesen Zeiten das Handwerk nicht belasten, sondern entlasten. Zumal noch nicht absehbar sei, wann die Betriebe wieder unter normalen Bedingungen wirtschaften können.
Unklarheiten in technischen Anforderungen der Kassensysteme
Auch Thomas Hönnger, Landesinnungsmeister des Landesinnungverbandes des Fleischerhandwerks Thüringen e.V., betrachtet die Entscheidung zur technischen Kassenaufrüstung kritisch: „Gemeinsam mit unserem Dachverband hatten wir uns bis zuletzt stark gemacht für eine Verlängerung der Frist. Das Hauptproblem für die Betriebe ist die Bereitstellung der Kassentechnik durch die Hersteller. Hier gab es zu Jahresbeginn noch Unklarheiten, was die technischen Anforderungen an die Kassensysteme betrifft. Die Hersteller und die Betriebe wurden hier von der Politik im Regen stehen gelassen. Es wurden keine festgelegten Kriterien für die neuen Kassensysteme kommuniziert. Beispielsweise in welchem konkreten Umfang Verkaufsdaten gespeichert werden sollen.“ Aktuell komme eine zusätzliche finanzielle und bürokratische Belastung auf die Metzgerbetriebe durch die temporäre Mehrwertsteuer-Absenkung hinzu. Denn die Fleischereien würden im kommenden Halbjahr viel mit der vorübergehenden Anpassung der Kassensysteme beschäftigt sein.
Negative Auswirkungen auf die Lebensdauer der Betriebe
Dass die Neueinführung der Kassentechnik viele Handwerksbäcker sogar vorzeitig zur Aufgabe ihres Geschäfts bewegen wird, davon ist Landesinnungsmeister Lutz Koscielsky vom Landesinnungsverband des Thüringer Bäckerhandwerks überzeugt: „Wir hätten eine Verlängerung der Frist dringend gebraucht, um unsere Betriebe am Leben zu halten. Durch die Ablehnung einer Verlängerung werden zukünftig weniger Handwerksbäckereien dem Thüringer Markt erhalten bleiben.“ Laut Prognose würden im Freistaat in den kommenden fünf Jahren rund 20 Prozent der Bäckereibetriebe verschwinden – aufgrund fehlender Nachfolger. „Das tut weh, schließlich geht es dem Bäckerhandwerk an sich gut. Wir registrieren kaum Insolvenzen, haben trotz der Corona-Krise leichte Umsatzzuwächse zu verzeichnen – und trotzdem gibt es keine Nachfolger. Wenn nun ältere Betriebsinhaber ohne Nachfolgeperspektive auch noch in kostspielige Kassensysteme investieren sollen, so denke ich, werden viele vorzeitig aufgeben“, so seine Prognose für die Zukunft.